letzte Änderung am 12. Juni 2003 | |
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Rente mit 67, Streichung des Krankengeldes und der Arbeitslosenhilfe, Ausweitung der Leiharbeit und der Befristung von Beschäftigung, Absenkung des Arbeitslosengeldes und Verschärfung der Zumutbarkeit, Lehrgeld für Ausbildungsplätze und Schmalspurausbildung... Die Liste der Grausamkeiten der Schröder-Regierung scheint keine Grenzen zu kennen. Nach der Verabschiedung der ersten beiden "Hartz-Gesetze", bereits geplanten Folgegesetzen und der Ankündigung weiteren Sozialabbaus in Bereichen unserer sozialen Absicherung gibt es tatsächlich nur noch eine Grenze: den Widerstand in den Betrieben - unsere Gegenwehr. Einen Anfang haben die Kolleginnen und Kollegen in Schweinfurt gemacht. 4.500 Beschäftigte von ZF Sachs, SKF, Star Rexroth, FAG Kugelfischer u. a. haben am 29. April die Brocken für drei Stunden hin geschmissen und gegen den Sozialraub der Schröder-Regierung gestreikt. Das kann nur der Anfang gewesen sein. Wenn wir Erfolg haben wollen, müssen andere ihrem Beispiel folgen. Deshalb wollen wir über die alten und neuen Pläne der Regierung informieren und damit beginnen, unsere Gegenwehr zu organisieren.
Seit vielen Jahren geht ein Teil deines Monatslohns in die Arbeitslosenversicherung, weil du für den Fall vorsorgen musst, dass der Arbeitgeber dich auf die Straße setzt. Außerdem hast du vielleicht sparen können (und das war nicht immer leicht), damit du später einigermaßen leben kannst, wenn die Kräfte und die Gesundheit, die du im Unternehmen gelassen hast, nicht mehr so mitspielen und du es nicht schaffst, mit 65 Jahren noch weiter arbeiten zu gehen. Stell dir vor, das löst sich alles in Rauch auf. Du wirst entlassen, obwohl du geglaubt hast, du bist als Älterer etwas besser geschützt. Auf dem Arbeitsamt erfährst du, dass dir nur noch wenige Monate Arbeitslosengeld zustehen und dass du danach auf das Sozialamt gehen musst, weil die Arbeitslosenhilfe gestrichen wurde. Dein Gespartes sollst du abliefern, wenn Du eine Unterstützungs-Leistung beantragen willst, und deine Rente wird obendrein gekürzt. Gibt's nicht? Gibt's doch!
Arbeitslosenhilfe: Gravierende Änderungen gibt es im Bereich der bisherigen Arbeitslosenhilfe: Die IG Metall geht davon aus, dass durch die seit Januar geltenden ersten beiden Hartz-Gesetze rund 400.000 ältere Kolleginnen und Kollegen ganz aus dem Bezug von Arbeitslosenhilfe fallen. Laut Berechnungen von ver.di erhalten zudem über 500.000 von bislang 1,4 Mio. anspruchsberechtigten Haushalten nur noch einen reduzierten Teil der Arbeitslosenhilfe durchschnittlich 155 Euro weniger! Wie das?
Die Arbeitslosenhilfeverordnung wurde so geändert, dass in der Konsequenz alles für den Lebensabend Angesparte, das 200 Euro pro Lebensjahr bzw. höchstens 13.000 Euro insgesamt übersteigt, erst verbraucht werden muss, bevor es überhaupt Arbeitslosenhilfe gibt. Bisher konnten 520 Euro pro Lebensjahr für das Alter zurückgelegt werden, d.h. der Freibetrag wurde durch die ersten Hartz-Gesetze um mehr als die Hälfte gekürzt. Doch nicht nur die eigenen Ersparnisse und Einkünfte, auch die Einkommen der Lebenspartner werden künftig noch stärker als bisher angerechnet (siehe Beispiele).
Wie der Bundeskanzler am 14. März 2003 in seiner Regierungserklärung "Mut zum Frieden und Mut zur Veränderung" angekündigt hat, sieht die Regierung in Phase III der Umsetzung der Hartz-Pläne zudem die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe vor. Die bisherige Arbeitslosenhilfe (künftig "Arbeitslosengeld II") von bislang durchschnittlich 500 Euro im Monat bemisst sich demnach künftig am so genannten "Sozialgeld", das der heutigen Sozialhilfe von rund 300 Euro entspricht. Die Orientierung am Lohnniveau, die bislang für die Höhe der Arbeitslosenhilfe maßgeblich war, entfällt damit. Statt dessen gilt nun eine pauschale Definition von "Bedürftigkeit" als Orientierungsgröße!
Zum Sozialgeld hinzu kommt ein so genannter "Zuschlag I" in Höhe von 29 Euro, aber nur für diejenigen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, sowie ein "Zuschlag II" für diejenigen, die vorher Arbeitslosengeld erhalten haben. Er soll einen Teil der Differenzen zwischen Sozialgeld und bisher bezogenem Arbeitslosengeld abdecken. Doch der Zuschlag II ist begrenzt auf max. 160 Euro, und: Er halbiert sich nach einem halben Jahr und läuft nach zwei Jahren ganz aus. Erste Berechnungen haben ergeben, dass die Einkommensverluste beim Wechsel vom Arbeitslosengeld in die Arbeitslosenhilfe bei über 70 % liegen können!
Arbeitslosengeld: Auch das Arbeitslosengeld soll laut Schröder "für die unter 55-jährigen auf zwölf und für die über 55-jährigen auf 18 Monate" zusammengestrichen werden (siehe Tabelle). Die Ansprüche aus der Versicherung lösen sich in Rauch auf, und der Weg in die Armut kann beginnen ob mit oder ohne Job. Denn künftig können alle Erwerbslosen gezwungen werden, einen Job anzunehmen, der weit unter der letzten Entlohnung liegt: in den ersten drei Monaten bis zu 20 % weniger, nach weiteren drei Monaten bis zu 30 % und ab dem siebten Monat bis zu 40 % weniger als der bisherige Lohn. Alleinstehende, junge Erwerbslose können zudem nach drei Monaten gezwungen werden, ihren Wohnort zu wechseln, um einen Job anzunehmen.
Nach Ablauf der 1218 Monate wird dann das neue Arbeitslosengeld II gezahlt (s.o.). Das heißt auch, dass jeder Job angenommen werden muss, zu dem Du "körperlich und geistig in der Lage" bist (§ 18 Bundessozialhilfegesetz) - egal was, egal wo und egal, was bezahlt wird.
Wer bislang dachte, von diesem Absturz ins soziale Nichts verschont zu bleiben, weil es so weit mit einem schon nicht kommen werde, wird durch die geplanten Neuregelungen im Kündigungsschutz eines Schlimmeren belehrt:
Angeblich, um "mehr Arbeitsplätze zu schaffen" wird geplant, den Kündigungsschutz (besonders in Kleinbetrieben) aufzuweichen. Dazu hat der Kanzler noch angedroht, bei Kündigungen werde die Sozialauswahl so umgestaltet, "dass auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Leistungsträger unter den Beschäftigten im Unternehmen gehalten werden". KollegInnen, die jahrelang im selben Betrieb geschuftet haben und dabei krank und gebrechlich geworden sind, wären demnach nicht mehr durch die Sozialauswahl geschützt. Dann zählt nur noch der "Nasenfaktor" dies trifft meist die Unbequemen, die Gewerkschaftsmitglieder oder die, die in der Tarifrunde vorneweg gegangen sind, oder eben DICH!
Beispiel 1: Arbeitnehmer, 2.436 Euro Brutto-Einkommen, verheiratet, 54 Jahre alt, wird arbeitslos. Ehefrau, 52 Jahre, arbeitet für ein Nettoentgelt von 636 Euro. Zusammen haben sie 15.000 Euro gespart.
Nach geltendem Recht würde dieser Kollege 26 Monate Arbeitslosengeld in Höhe von 1.050 Euro erhalten. Danach würde sich der Bezug von Arbeitslosenhilfe in Höhe von 927 Euro anschließen. Durch die Anrechnung des Einkommens der Ehefrau erhält der Kollege tatsächlich jedoch nur 771 Euro Arbeitslosenhilfe. Das gemeinsame Vermögen von 15.000 Euro werden sie dringend brauchen, da die Rente bei einem Renteneintritt mit 65 Jahren erheblich niedriger, nämlich nur 899,11 Euro wäre.
Werden die Regierungs-Pläne verwirklicht, erhält der Kollege nur noch zwölf Monate Arbeitslosengeld in gleicher Höhe (-14.700 Euro). Durch die Anrechnung des Einkommens der Ehefrau würde er danach nur noch 67 Euro Arbeitslosengeld II erhalten. Vorher muss jedoch das ersparte Geld von 15.000 Euro bis auf einen Rest-Betrag von 1.893 Euro vollständig aufgebraucht werden, bevor er überhaupt eine Unterstützung erhält (-13.107 Euro). Wenn er weiterhin keine Arbeit findet, muss der Kollege mit 60 Jahren in Rente gehen und erhält dann die um 18 % gekürzte Rente von nur 687,86 Euro (-211,26 Euro monatlich).
Beispiel 2: Wäre der Arbeitnehmer bei sonst gleichen Bedingungen unverheiratet, erhielte er heute 866 Euro Arbeitslosengeld für 26 Monate. Danach 765 Euro Arbeitslosenhilfe. Seine Rente würde bei einem Renteneintritt mit 65 Jahren - wie oben - 899,11 Euro betragen.
Nach den Plänen der Regierung würde er in Zukunft nur noch zwölf Monate Arbeitslosengeld erhalten (-12.124 Euro). Danach müsste er sein gespartes Geld bis auf einen Rest von 1.279 Euro verbrauchen (-13.721 Euro), bevor er das Arbeitslosengeld II in Höhe von 595 Euro erhält. Auch dieser Kollege muss ohne neuen Job mit 60 Jahren in Rente gehen und einen Rentenabzug von 18 % in Kauf nehmen. Seine Rente läge dann dann ebenfalls bei 687,86 Euro (-211,26 Euro monatlich).
Bezugsdauer Arbeitslosengeld
Heute: | Plan der Regierung: | ||
bis 45 Jahre | 12 Monate | ||
bis 47 Jahre | 18 Monate | ||
bis 52 Jahre | 22 Monate | ||
bis 57 Jahre | 26 Monate | bis 55 Jahre |
12 Monate |
ab 57 Jahre | 32 Monate | ab 55 Jahre |
18 Monate |
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