letzte Änderung am 9.Dezember 2003 | |
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Beginn 11.00 Uhr
Hugo Braun leitete die Sitzung ein und begrüsst die ca. 110 Teilnehmer/innen der Beratung; Karen Genn und Sabine Leidig moderierten die Beratung; das Protokoll wurde von Willi van Ooyen übernommen.
Die vorgeschlagene Tagesordnung und der vorgesehene Zeitplan wurden von den Teilnehmer/Innen akzeptiert.
Auf eine Vorstellungsrunde wurde verzichtet. (Eine Anwesenheitsliste wurde erstellt.)
Zum Tagesordnungspunkt "Auswertung des ESF in Paris" gab Christine Buchholz einen einführenden Bericht. Dabei hob sie die grosse Beteiligung (50.000, davon ca. 3.000 aus der Bundesrepublik) an den Veranstaltungen, Seminaren und Workshops hervor; beeindruckend - wenngleich nicht in der Grössenordnung von Florenz - auch die Demonstration vom 15.11.03 in Paris mit ca. 100.000 Teilnehmer/innen. Das Forum sei mit seinen vier verschiedenen Standorten eine Gelegenheit gewesen, differenzierte Themen und unterschiedliche Aktionsansätze (Renten, Sozialabbau, Frieden, öffentlicher Dienst, ...) miteinander zu diskutieren und zu einem grösseren gemeinsamen Erfahrungsaustausch in Europa zu kommen. Die Teilnehmer waren (gegenüber Florenz) jünger, es gab mehr Debatten (auch politisch kontroverse) und für die BRD-Delegation war auffällig die grössere gewerkschaftliche Präsenz (Briske, Schmitthenner, aber auch viele Betriebsfunktionäre). Die äusseren Rahmenbedingungen (lange Wege zwischen den Veranstaltungsorten) verkomplizierten den gemeinsamen Erfahrungsaustausch. Es mangelte an einem zentralen Treffpunkt, der das gemeinsame Anliegen und die Dynamik des Diskussionsprozesses (möglicherweise auch eines intensiveren Verständigungsprozesses) deutlicher hervorgehoben hätte. Dies soll für die Vorbereitung der ESF-Veranstaltung in London berücksichtigt werden.
In der Diskussion wurde bemängelt, dass eine inhaltliche Strategiedebatte nicht geführt worden sei. Auch die mangelnde Quotierung der Podien, der Umgang mit Seminaren und Workshops, die zu "dünne" Vorbereitung in der BRD, die Auswahl der Redner/innen auf den Podien, ein Defizit an Transparenz und Demokratie (z. B. bei der Abschlusserklärung), fehlende Übersetzung in deutscher Sprache und die schlechte Präsenz bei der Frauenkonferenz wurden kritisch angesprochen. In der Vorbereitung in der BRD soll künftig die Frauenfrage stärker beachtet werden. Auch die Inhalte der Veranstaltungen (Frauen, Migration) sollten längerfristig und strukturierter vorbereitet werden. In der Debatte, ob es künftig ein- oder zweijährige ESForen geben sollten gab es unterschiedliche Einschätzungen. Neben der durch die regelmässigen Treffen erwarteten Dynamik wurde auch der individuelle und organisatorische Aufwand solcher Treffen betont. Ferner wurde der Ort (warum nicht stärker nach Osten ?) solcher Veranstaltungen und die erforderliche Einbeziehung der örtlichen Wohnbevölkerung angesprochen.
Kritisch wurde auch die Vorbereitungsarbeit in der BRD gesehen. Es haben sich im Vorfeld von Paris nur wenige (25 Teilnehmer beim letzten Vorbereitungstreffen in Frankfurt) beteiligt; die personelle Kapazität und auch die technischen und organisatorischen Möglichkeiten (Homepage — die Abschlusserklärung - des Treffens der sozialen Bewegungen kann noch nicht abgerufen werden!) waren zu gering. Hier soll über bessere (auch finanzielle) Bedingungen nachgedacht werden.
Nach London sollen die Kritikpunkte rechtzeitig übermittelt werden, um aus den Erfahrungen von Paris bessere Bedingungen im November 2004 zu erreichen. Dies heisst auch, dass der ESF-Prozess mit mehr Kraft und zeitlichem Aufwand in der BRD vorbereitet werden muss. Dazu wurde von den Beratungsteilnehmern eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich in die Liste ESF-Vorbereitungs-AG (s. Anlage) eingetragen haben. Eine weitere Arbeitsgruppe will ein Deutsches Sozialforum vorbereiten (s. weitere AG-Liste in der Anlage). Zu einem Vernetzungstreffen der Frauen, um die inhaltliche Debatte voranzubringen, wurde für den 1. Februar 2004 nach Hannover (von attac Frauen-Netz) eingeladen.
Hugo Braun leitete nach der Pause den Tagesordnungspunkt "Die Vereinbarungen von Paris und deren Umsetzung in Deutschland" ein. Die Vereinbarungen der Versammlung der sozialen Akteure und Bewegungen vom 16. November 2003 in Saint Denis charakterisieren die Teilnehmer aus sozialen und Bürgerrechts-Bewegungen aus allen Teilen Europas als unterschiedlich und plural zusammengesetzt. Dies mache die Stärke der Bewegung aus. Der Entwurf für eine Europäische Verfassung erhebt den Wirtschaftsliberalismus als offizielle Doktrin der EU zu "Verfassungsrang". Er berücksichtigt in keiner Weise die Ziele einer solidarischen Entwicklung in Europa. Dieser Verfassungsentwurf dürfe nicht widerstandslos hingenommen werden. Gegen Krieg, für internationale Solidarität sowie eine ökologisch sinnvolle, dauerhafte Entwicklung gab es in Paris eine grundsätzliche Verständigung.
Die Versammlung in Saint Denis richtete einen Aufruf an die Bevölkerungen Europas, um gegen das neoliberale Modell und den Krieg zu mobilisieren. Für den Rückzug der Besatzungstruppen aus dem Irak sowie für die sofortige Rückgabe der Souveränität an die irakische Bevölkerung und für den Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten sowie den Baustopp der Mauer schlossen sich die Teilnehmer dem internationalen Aufruf, der in den Vereinigten Staaten durch die Antikriegsbewegung lanciert wurde, an und rufen zum Aktionstag am 20. März 2004 auf.
Um zu einem Europa des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit zu gelangen, soll schrittweise einen Mobilisierungsprozess aufgebaut und durch die sozialen Bewegungen organisiert werden, der zu einem gemeinsamen Aktionstag führt. Dieser Aktionstag soll mit Unterstützung der sozialen Bewegungen besonders durch die europäische Gewerkschaftsbewegung entwickelt werden. Erste ãberlegungen dazu gab es bereits in Paris und es sollen in weiteren Gesprächen in den nächsten Tagen stattfinden, um ein gemeinsames Datum für diesen Aktionstag zu finden. Ferner soll am 9. Mai 2004, dem Datum, an dem die Ratifizierung der Europäischen Verfassung vorgesehen ist, grössere Aktionen - sicherlich mit einem Schwerpunkt in Rom - vorbereitet werden.
Im Plenum wurden dann erste Festlegungen zur weiteren Vorbereitung von Aktionen, die nicht von der Initiative für die ein Sozialforum in Deutschland verantwortet werden, festgelegt. In der Diskussion wurde das für und wieder der unterschiedlichen Daten (20. und oder 27. März) beraten. Es wurde auf die Schwierigkeit hingewiesen an zwei aufeinander folgenden Samstagen Grossaktionen durchzuführen. Es wurde auf die inhaltlichen Zusammenhänge (Krieg nach Aussen - Sozialabbau nach Innen) angesprochen. Es wurde auf die Planungen der Friedensbewegungen für den 20. März verwiesen. IPPNW will an diesem Tag mit anderen Kräften der Friedensbewegung zu einer Aktion in Ramstein gegen die Lagerung von Massenvernichtungswaffen protestieren. Beim Friedensratschlag am kommenden Wochenende in Kassel wird sich die Friedensbewegung auf (wahrscheinlich dezentrale) Aktionen für den 20.3.04 verständigen. Bei den ãberlegungen derFriedensbewegung spielt auch der 15. Februar 2004 eine wichtige Rolle, um gegen den Krieg und die Kriegsverbrechen im Irak zu informieren und protestieren. Die Demonstration vom 1. November 2003 in Berlin hat einen grossen Druck auch auf die Gewerkschaften ausgeübt, sich stärker zu engagieren. Der Mehrheit im Plenum erschien es sinnvoll zu sein, wenn ein Termin (der vor dem 1.Mai 2004 liegen sollte) gefunden wird, sich gemeinsam mit den Gewerkschaften in Europa zu einer Aktion zusammenzuschliessen. Sollte es nicht zu einem gemeinsamen Termin der europäischen Gewerkschaftsbewegung kommen, soll der Aktionstag spätestens bei der Aktionskonferenz (entweder für den 20. oder 27. März 2004) festgelegt werden. Denkbar erschien auch eine Aktionswoche mit einem (entweder zentralen - Berlin - oder dezentralen - Landeshauptstädte -) grossen und unübersehbaren Abschluss.
Um eine machtvolle Bewegung zu entwickeln, bedarf es verschiedener Zwischenschritte. Die sich bildenden örtlichen und regionalen Initiativen mit derzeit fast flächendeckenden Aktionen in der gesamten BRD, sollen an diesem Aktionstag einen weiteren Höhepunkt erreichen. Es wurde aber auch festgehalten, dass eine solche Aktion - auch wenn sie sehr gross sein wird - noch nicht die Durchsetzung unserer Alternativen zur aktuellen Politik bedeuten werde. Es soll neben den Aktionsberatungen, den regionalen Aktionen und Bündelungen von unterschiedlichen Aktionsfeldern (Betriebe, Tarifrecht, Studenten, Schüler, Arbeitslosenbewegung, soziale Einrichtungen, Verbände und Gewerkschaften) auch eine Aktionskonferenz vorbereitet werden, die am 17./18. Januar 2004 in Frankfurt stattfinden soll. Bei dieser Aktionskonferenz soll es ein Jugendforum geben. Dazu wurde eine Vorbereitungsgruppe gebildet (siehe Anlage: Vorbereitung Aktionskonferenz). Zur Vorbereitung der Aktionskonferenz trifft sich am 14. Dezember um 11.00 Uhr diese Vorbereitungsgruppe in Frankfurt. Bernd Riexinger (ver.di Stuttgart) wird die Einladungen übernehmen.
Nach einer kurzen Einleitung zum Stand der Diskussion zur Gründung eines Sozialforums in Deutschland wurde über den Charakter einer Sozialforumsbewegung diskutiert. Hugo Braun regt an, die bisher (meist im Netz) vorliegenden Positionen in einem Reader zusammenzufassen. Differenzierte Positionen gab es zur Frage ob ein solches Sozialforum eher eine Plattform für Diskussion und Verständigung oder ein Aktionsbündnis ("Raum oder Akteur") sein solle. In der nächsten Zeit sollen besonders die lokalen Sozialforen diese Frage besprechen und sich weiter vernetzen. Es soll aber auch auf Bundesebene eine weitere politische Verbreiterung "in Ruhe entwickelt werden". Auch das Verhältnis von Organisationsvertretern und individuellen Aktivisten im Sozialforum wurde thematisiert. Bei der nächsten Beratung, die von einer Arbeitsgruppe (Ansprechpartner: Jens Löwe, Stuttgart) vorbereitet werden soll, soll auch die Frage der Organisationsstruktur, die Transparenz und die demokratische Entwicklung des Forums Gegenstand der Debatte sein. Die nächste Tagung der "Initiative für ein Sozialforum in Deutschland" wurde für den 21./22. Februar 2004in Frankfurt festgelegt.
Ferner wurde folgende Solidaritätsadresse von der Versammlung in Frankfurt einstimmig verabschiedet:
"In Neuquen in Argentinien hat die Polizei am 25. November 03 mit scharfer Munition auf Demonstrierende geschossen, die sich gegen weitere Kürzungen der mageren Unterstützungszahlungen für Arbeitslose wehren. Mehrere Personen liegen mit Schussverletzungen im Krankenhaus. Mit den Arbeitslosen haben sich Gewerkschafter/innen, Menschenrechtsorganisationen und verschiede andere Gruppen solidarisiert. So sind unter den Verletzten auch Gewerkschaftssprecher, Abgeordnete und Arbeiter aus der besetzten Kachelfabrik Zanon.
Wir solidarisieren uns ebenfalls mit den Protestierenden des "Movimiento de Trabajadores Descupados", die für ihre Rechte eintreten und unterstützen ihren Kampf gegen weiteren Sozialabbau.
Wir protestieren gegen die gewalttätigen Repressionen durch die Polizei und fordern die argentinische Regierung auf, für Wiedergutmachung zu sorgen."
Die Sitzung endete um 17.00 Uhr
Für das Protokoll: Willi van Ooyen
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