Befristeten

Blauer Himmel, rote Fahnen, Menschenmengen, ein schönes Bild für die Fernsehkameras und eine gute Nachricht obendrein, die am 03. Febr. zu hören und zu sehen war: Bei VW in Wolfsburg hatten knapp 20 000 Beschäftigte für ein paar Stunden die Arbeit niedergelegt. Sie solidarisierten sich mit ihren Kollegen, die keinen festen Arbeitsvertrag in der Tasche haben, sondern nur auf Zeit eingestellt sind. 1805 solcher "Befristeten" arbeiten zur Zeit im Wolfsburger Werk. Der Betriebsrat fordert, 541 von ihnen sollten am 30. Juni, dem Tag, an dem ihre Verträge auslaufen, unbefristet übernommen werden. Über die anderen soll anschließend verhandelt werden.

Die Geschäftsleitung will davon nichts wissen. Ein "unwürdiges Geschacher" nennt der Betriebsratsvorsitzende Klaus Volkert diese starre Haltung. Und macht gleichzeitig klar, wie dringend die Kollegen im Werk gebraucht werden.

900 Autos wurden nicht produziert an diesem Tag – ein enormer Verlust für VW. Aber die Geschäftsleitung gibt kein Signal, dass sie einlenken will. Die Belegschaft ist konsequent: Vorerst leistet sie keine Überstunden mehr.

 

Gut zu wissen, dass es sie noch gibt: die Solidarität.-

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte hier mal meine Meinung sagen als "Befristeter".
Als wir uns im letzten Jahr beworben hatten, hatte keiner von uns an Dauerspätschicht gedacht. Das war die erste Überraschung. Jeder brauchte den Job. Also was blieb uns?
Was mit unseren Familien ist, hat die Geschäftsleitung nicht interessiert. In der Woche sieht man sich überhaupt nicht. Nichts klappt mehr. Dann haben wir immer neue Kurzbefristungen bekommen. Du zitterst dich von Monat zu Monat. Immer wider neu auf die Folter gespannt. Wer krank wird, ist sowieso weg vom Fenster. Jetzt hat ein Teil von uns wieder ein paar Monate bekommen, andere sollen gehen.
Ich frag mich, was danach kommt? Wieder neue Kollegen mit neuen Befristungen? Wie heißt es immer so schön: Bei allem was Siemens tut, denkt die Firma immer auch an die "Sicherung der Arbeitsplätze". Also ich glaub das nicht. Die denken weder an die Befristeten noch an die Stammbelegschaft , weder an den Erhalt noch die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Statt dessen versuchen sie unsere Lage auszunutzen um im ganzen Werk eine weitere Flexibilisierung durchzusetzen.

Ganz anders meine Kollegen, die schon jahrelang im Werk sind. Die fragen mich häufig und alle lehnen ab was man mit uns Befristeten macht. Das hat mich gefreut. Da merkt man wirklich: Wir sitzen in einem Boot.

Das ist, glaube ich gar nicht im Interesse der Geschäftsleitung: Das sich die ganze Belegschaft aktiv die Forderung nach Festeinstellung aller Befristeten zu eigen macht. Alleine kann keiner von uns nein sagen, aber gemeinsam haben wir eine ganz andere Kraft. Das haben zuletzt die VW-Beschäftigten gezeigt.

Das wollte ich hier mal sagen.
Euer befristeter Kollege

 

"Wozu Vertrauensleute? Wir haben doch einen Betriebsrat."

Diese Frage stellen viele. Vertrauensleute haben eine andere Aufgabe als der Betriebsrat. Der Betriebsrat ist die gesetzliche Interessenvertretung aller Beschäftigten im Betrieb. Er ist Verhandlungspartner der Geschäftsleitung, z.B. bei Betriebsvereinbarungen. Dabei können ihn die Vertrauensleute gut unterstützen. Denn sie sind die InteressenvertreterInnen der IG Metall-Mitglieder in den Abteilungen. Sie wissen durch den täglichen Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen am besten, wo der Schuh drückt.

Vertrauensleute sind aber auch das kritische Potential der Gewerkschaft. Sie verstehen sich nicht nur als diejenigen, die die Beschlüsse der Gewerkschaft in die Betriebe tragen; sie verstehen sich als Menschen der Basis. Sie wollen vom Betriebsrat und von den hauptamtlichen Gewerkschaftern gehört werden.

Vertrauensleute und Betriebsrat unterstützen und ergänzen sich.

Vertrauensleute tragen dazu bei, dass die Beschäftigten die IG Metall als offen, lebendig, engagiert und durchsetzungsfähig erleben. Und Durchsetzungsfähigkeit braucht es, wenn es um Standortkonkurrenz und Beschäftigungssicherung oder Entgelt- und Arbeitszeitfragen geht.

Hier sind Vertrauensleute gefordert, zusammen mit dem Betriebsrat die Beschäftigten zu schützen und Politik für sie zu gestalten.

Vertauensleute sind der direkte Draht zum Betriebsrat und zur IG Metall.

 

Aufgaben der Vertrauensleute

Vertrauensleute: beraten IG Metall-Mitglieder, erläutern Ziele und Aufgaben der IG Metall. Sie

.

Was tun eigentlich die Betriebsräte?

Eigentlich müssen die Betriebsräte über alle Planungen innerhalb des Werkes von der Werkleitung vorher informiert werden. Aber ob eine Linie stillgelegt wird oder nicht. Oder ob eine Schicht an einer anderen Linie arbeitet oder nicht etc. Wer weiß es?

Das gesamte Werk weiß es. Die Gerüchte gehen wochenlang durchs Werk. Die Werkleitung spricht wohl lieber mit ihren Saunafreunden über ihre Planung als mit dem Betriebsrat. Der Betriebsrat kommt immer aus dem schwarzen Mustopf. So sollte es nicht sein.Also liebe Kolleginnen/Kollegen: Habt bitte mehr Verständnis für die manchmal seltsame Unkenntnis des Betriebsrates.Und der Werkleitung wären sicher viele dankbar, wenn sie den Betriebsrat in Planungen mehr einbeziehen würde. Dann können die Betriebsräte auch das tun, was manche vermisse: ihre Kolleginnen/Kollegen gut und rechtzeitig zu informieren.

Flexibilität

Flexibilität wurde im 15. Jahrhundert Teil des englischen Wortschatzes; die Bedeutung des Wortes wurde aus der einfachen Beobachtung abgeleitet, dass ein Baum sich zwar im Wind biegen kann, dann aber zu seiner ursprünglichen Gestalt zurückkehrt. Übertragen auf menschliches Verhalten sollte dieses die Dehnfähigkeit haben, sich wechselnden Verhältnissen anpassen zu können, ohne allerdings von ihnen gebrochen zu werden.

Wenn die Betriebsleitung über Flexibilität redet, dann bedeutet das für uns, weniger Geld, mehr Leistungsdruck und ungeschützte Arbeitsverträge. Seit Okt. 99 hat die Betriebsleitung neue und angeblich flexiblere Methoden entdeckt.

z.B. Teilzeit oder immer kürzere Befristungen. Mittlerweile haben wir einen Zustand im Betrieb, wo Führungskräfte immer wieder etwas Neues entdecken, um flexibeler zu werden. Dabei vergessen sie aber, dass sie mit es mit Menschen zu tun haben. Niemand kann in einen Laden gehen und sagen ich arbeite bei der BSH, kannst du mir ein Brot für DM 1,00 verkaufen. Die BSH ist stolz, dass sie ein Spitzenunternehmen in der Welt ist, aber in Berlin arbeiten bei der BSH Menschen mit DM 7,50 in der Stunde. Bis heute haben sie uns nicht erklärt, ob dieser Zustand mit der Unternehmenskultur vereinbar ist. Anscheinend, wenn es um Mitarbeiter geht, spielt es keine Rolle, ob jemand mit dem Einkommen überleben kann oder nicht.

28-Stundenverträge

Die Kollegen, die seit Jahren bei uns befristet gearbeitet haben, haben gehofft, dass sie fest übernommen werden. Der Betriebsrat hat sich für unbefristete Arbeitsverträge eingesetzt. Als die Betriebsleitung keine andere Möglichkeit mehr hatte, außer die Kollegen fest zu übernehmen, hat sie plötzlich die Teilzeit mit einem 28-Std.-Vertrag entdeckt. Obwohl die Kollegen weiterhin 37,5 Std. arbeiten müssen, haben sie mit einem 28-Std.-Vertrag im Endergebnis weniger Geld. So kann die Betriebsleitung wieder kostengünstigere Beschäftigungsverhältnisse erreichen.

Arbeitsgerichtprozess

Seit einem Jahr versucht der Betriebsrat, dass möglichst viele Kollegen unbefristet übernommen werden. Der Betriebsrat ist der Auffassung, eine bessere Arbeitsmoral kann nur dann ermöglicht werden, wenn die Kollegen sichere Arbeitsbedingungen haben und in der Lage sind, sich für ihre Rechte einzusetzen. Deshalb hat der Betriebsrat die befristeten Einstellungen von Kollegen mit einem 28-Std.-Vertrag abgelehnt. Am 14.03.00 hat das Arbeitsgericht dem Betriebsrat recht gegeben. Wir werden euch über das Urteil in der nächsten VKL-Zeitung oder am 29.03.00 in der Betriebsversammlung informieren.

 

Tarifrunde 2000

Die erste Verhandlung am 11. Februar in Berlin ist ergebnislos auf den 10. März vertagt worden. Die Arbeitgeber blieben in Sachen Beschäftigungsbrücke bei ihren drei Neins: Nein zu einem Rechtsanspruch auf Ausscheiden mit 60, Nein zur Wiederbesetzungspflicht, Nein zu einem überbetrieblichen Tariffonds.

An anderer Stelle haben die Arbeitgeber ihr "Angebot" bereits konkretisiert: Tarifverträge mit einer Laufzeit nicht unter drei Jahre, Einkommenserhöhungen zwischen 1,5 und 2,6 Prozent und das Weihnachtsgeld an den Unternehmenserfolg koppeln.

Die IG Metall fordert für die rund 100.000 Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg ein Gesamtpaket von 5,5 Prozent für höhere Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen sowie eine Beschäftigungsbrücke zwischen Alt und Jung. Diese soll Beschäftigten ab 60 Jahren ermöglichen, zu akzeptablen Bedingungen aus dem Arbeitsleben auszusteigen. Die frei werdenden Arbeitsplätze sollen mit Jüngeren und Arbeitslosen besetzt werden. Der Zeitraum für die befristete Übernahme der Auszubildenden soll von sechs auf zwölf Monate ausgedehnt werden.

Die IG Metall geht bei ihrer Tarifforderung von einer Preissteigerungsrate von bis zu 1,5 Prozent und einer gesamtwirtschaftlichen Produktivitätssteigerung von bis zu 3,5 Prozent aus. Die wirtschaftliche Situation der Unternehmen hat sich gegenüber dem Vorjahr deutlich verbessert. In der Metall- und Elektroindustrie sind die Netto-Gewinne von einer Milliarden Mark 1993 auf 41,6 Milliarden Mark im Jahr 1999 gestiegen. Gleichzeitig sind die Lohnstückkosten weiter deutlich gesunken.

 

Die BSH GmbH hat 1999 ihren Umsatz auf 10,7 Milliarden DM steigern können und ist zur Nummer 4 auf der Welt aufgestiegen. Der Gewinn, der 1998 mit 1,33 Milliarden DM nach Steuern bereits einen rasanten Sprung gemacht hatte, ist nochmals angestiegen. Genaue Zahlen sollen erst zur Bilanzpressekonferenz am 23. Mai bekannt gegeben werden.

Für die IG Metall ist klar: die Forderungen sind begründet und bezahlbar.

Luis Sergio IG-Metall Berlin

Verantwortich Für den Inhalt:
Hakan Doganav Tel: 386 292 79

 


Home
LabourNet Germany Archiv: Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet: http://www.labournet.de/
LabourNet Germany: Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch
The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace
Datei:
Datum: