Die Übernahme von Time-Warner durch AOL schlägt Wellen - sogar bis zur Gewerkschaft. Genauer: Bis hin zur Abteilung Medienpolitik der IG Medien.
Erste Reaktion auf die Stellungnahme des Hauptvorstandes: Sieh da, sie leben noch !
Zuvor: AOL zensiert schwule Homepages und Antinazi-Seiten? Keine Reaktion. Walt Disney kauft Lycos? Keine Reaktion. Time Warner kooperiert mit AT&T? (...) CNN trifft Vereinbarung mit Microsoft zur sogenannten Optimierung der Inhalte? Wie gehabt. Echelon, Bill Gates Cursorspuren durchs Netz, freespeech? Fehlanzeige, Fehlanzeige, Fehlanzeige....
Zweite Reaktion auf die Stellungnahme des Hauptvorstandes: Hilf, Himmel!
Die Kritik der Industriegewerkschaft Medien am "super-merger" richtet sich auf zwei Punkte: Die Benachteiligung der Konkurrenz – genannt werden CBS und Bertelsmann - und die unumstrittene Tatsache, daß ein Verbreiter einen Produzenten übernimmt (formal zumindest).
Ja, wo bleibt denn da die Unabhängigkeit des Produzenten? Wo gerade eben deren produktive Phantasie offiziell bestätigt wurde: Filme über die Zugbombardierung im Jugoslawienkrieg liefen im TV fünffach schneller als Echtzeit, um die Propagandalügen von Scharping und Co eines "Unglücks" zu stützen...Und die Forderung nach Freiheit für Bertelsmann wird insbesondere den (Partei)Kollegen Clement in Düsseldorf gefreut haben: Der macht diese Gewerkschaftspolitik schon länger. "Cross-over media" bedeutet internationale Konkurrenz. Hilfe (= $) für die erste Liga eben.
Nächste Reaktion: Da war doch was...? Ja, als der Hauptvorstand sich mächtig in die Bresche warf : zur Verteidigung des Herrn Martin Walser. Auch er ein Produzent, unabhängig sozusagen. Spezialität: Erhebung der Stammtischparole zur Literatur.
In Wirklichkeit ist dies das gemeinsame Programm aller DGB Gewerkschaften, einschließlich vieler Linker: Verteidigung des Produzenten.
Version 2000: Abfall für alle. Autos, Atomstrom, Finanzberatung, Kartenwirtschaft, Panzer, was auch immer. Einige verheddern sich dann im Widerspruch zwischen moralischem Anspruch und eigener politischer Logik.
Die anderen sind GewerkschafterInnen pur: Verbesserung der Lage der Menschen an ihrem Arbeitsplatz. Ende. Im Falle der IG Medien dann eben auch bei der Produktion von: Werbeprospekten, Kriegspropaganda, Deutschtümelei.
Paßt vielleicht nicht zu irgendwelchen öffentlichen Erklärungen, aber in die Landschaft. In die Tradition. In die Klientelpflege. Weswegen denn auch nahe liegt, daß die IG Medien in der Debatte um die vielgepriesene Informationsgesellschaft - qua tradierter Position zum Urheberrecht - auf der Seite derer steht, die diesen Bereich auch gleich dem schönen neuen E-Commerce (Deutsch: Ih Kommörs) einverleiben. Pay per Information - und bleib mir von den Socken mit Kritik von Inhalten, sonst verliere ich noch mehr Mitglieder. Was vermutlich stimmt. Das Dilemma: Es stimmt eben auch andersrum. Heute macht auch diese Produzentenlogik die Gewerkschaften tendenziell überflüssig.
Der neue Multimediasekretär der IG Medien soll Aufsichtsratswahlen organisieren - und gewinnen. Klasse! Damit es bei SAP endlich so wird, wie bei der WAZ. Bei Bertelsmann. Beim Bayerischen Rundfunk. Auch eine Vision. Immerhin: Wenn IG Medien (oder ver.di) dann die Tarifverhandlungen mit dem Unternehmerverband Telekommunikation führt (in dessen Leitung neben Bertelsmann: Mannesmann, ein Siemensmann, ein Packardmann) - dann darf wenigstens nicht Klaus Zwickel, sondern Detlef Hensche das Licht von Dieter Schultes Büro ausmachen. (Die juristische Abwicklung übernehmen dann die Jungs und Madels von der neuen Mitte der ÖTV).
Ein zeitweiliger feudalherrschaftlicher IM schrieb schon vor über 170 Jahren den Kommentar zu Kollegen Bleicher-Nagelsmanns Stellungnahme wg. AOL: Heinrich, mir graut vor Dir!
LabourNet Germany: http://www.labournet.de/
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