Pressemitteilung, 12.10.1999
"Die neuen Ladenöffnungszeiten haben den Rückgang der Beschäftigung im Einzelhandel insgesamt nicht aufhalten können", erklärt Dr. Heike Jacobsen, Koordinatorin des Forschungsbereichs Dienstleistungsarbeit an der Sozialforschungsstelle Dortmund. Drei Jahre nach der Erweiterung der Ladenöffnungszeiten untersuchten die Dortmunder Sozialforscherinnen die Auswirkungen auf die Anzahl der Arbeitsplätze und auf die Arbeitsbedingungen im Einzelhandel. Bei einer Pressekonferenz wurden die Ergebnisse der Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung in Berlin vorgestellt.
Das Fazit der Studie:
Die beschäftigungspolitischen Hoffnungen, die mit der Lockerung des gesetzlichen
Öffnungszeitenrahmens verbunden waren, haben sich nicht erfüllt. Die
Arbeitsbedingungen haben sich für viele Beschäftigte durch die Arbeit
zu sozial wertvollen Zeiten und durch den Druck auf die Personalkosten verschlechtert.
Es sind in den Betrieben nicht alle Möglichkeiten genutzt worden, z. B.
durch eine neue Organisation der Arbeitszeiten zusätzliche Belastungen
für die Beschäftigten zu vermindern. Das Dienstleistungsangebot des
Handels befindet sich im Umbruch, und das künftige Profil dieser Branche
wird auch von der Qualität der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen
bestimmt.
Die Ergebnisse im Einzelnen:
Die Anzahl der Arbeitsplätze ging seit 1996 um ca. sechs Prozent zurück.
Es wurden vor allem Vollzeit- (minus 11,1 %) und sozialversicherungspflichtige
Teilzeitarbeitsplätze (minus 5,2 %) abgebaut. Demgegenüber hat die
Zahl der geringfügigen Beschäftigungsverhält-nisse zugenommen
(plus 2,5 %). Das Volumen der in den Verkaufsstellen des Einzelhandels geleisteten
Arbeitsstunden ging um ca. acht Prozent zurück. Nur noch 38 Prozent der
Beschäftigten haben Vollzeitarbeitsplätze.
Die Mehrzahl der Betriebe, die ihre Öffnungszeiten verlängert haben, hat damit keine neuen Arbeitsplätze geschaffen. Etwa ein Drittel der Betriebe macht von den neuen Öffnungsmöglichkeiten Gebrauch. Von den Betrieben mit längeren Öffnungszeiten haben 21 Prozent neue Arbeitsplätze geschaffen; 43 Prozent haben die Anzahl der Beschäftigten nicht verändert und 36 Prozent haben Personal abgebaut.
Weit überdurchschnittlich beteiligen sich die großflächigen Betriebsformen (SB-Waren-häuser, Verbrauchermärkte, Fachmärkte, Kauf- und Warenhäuser), unterdurchschnittlich öffnen die kleineren Geschäfte länger. Die großflächigen Betriebe konnten am ehesten - auch aufgrund erweiterter Öffnungszeiten - zusätzliche Umsätze realisieren, während der Einzelhandelsumsatz insgesamt stagnierte ("Strukturwandeleffekt").
Von Arbeit zu "Spätöffnungszeiten" sind insgesamt ca. 940 000 Beschäftigte während der Woche und ca. 800 000 Beschäftigte an Samstagen betroffen.
Vor allem Vollzeitbeschäftigte und Führungskräfte arbeiten nach 18.30 Uhr bzw. samstags nach 14.00 Uhr.
Die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten hat Bewegung in die Arbeitszeitgestaltung im Einzelhandel gebracht.
Die betrieblichen Arbeitszeitregelungen setzen heute für mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zeitliche Flexibilität voraus, dabei sind die Planungszeiträume häufig sehr kurz (oft weniger als vier Tage) und es werden zahlreiche Überstunden geleistet.
Nur ein Drittel der Beschäftigten, die zu Spätöffnungszeiten arbeiten, erhält dafür nach eigenen Angaben Zuschläge.
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer möchten zu 90 Prozent keine weitere Ausdehnung der Öffnungszeiten. Ganz besonders wichtig ist ihnen, dass die Öffnungszeiten nicht weiter in das Wochenende hinein verlängert werden.
Landesinstitut Sozialforschungsstelle Dortmund
Evinger Platz 17
44339 Dortmund
Tel. 0231/ 85 96 01, Fax 0231/ 85 96 100
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft (idw), Ein Projekt der Universitäten Bayreuth, Bochum und der TU Clausthal