letzte Änderung am 27. November 2003

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aus: ak 478
ak - analyse & kritik
Zeitung für linke Debatte und Praxis

Verborgene Welt der "dienstbaren Geister"

Geschlechtliche Arbeitsteilung im Haushalt hält sich hartnäckig

Kochen, Kehren, Kinder abholen: Das bisschen Haushalt verrichten vor allem Frauen - daran geändert hat auch die neuere Frauenbewegung nichts. Die Tatsache, dass Frauen zunehmend berufstätig sind, hat ebenfalls wenig an der ungleichen Aufteilung rütteln können. Wie Studien (1) zeigen, übernehmen Männer auch heute nur einen homöopathisch messbaren Teil der Aufgaben im Haushalt. Allenfalls die Sensibilität und die generelle Bereitschaft, die gesellschaftlich notwendige Reproduktionsarbeit zu teilen, hat sich gewandelt.

Offensichtlich handelt es sich dabei nicht um ein Partnerschaftsproblem zwischen zwei Privatindividuen, die nur eine neue Arbeitsteilung aushandeln müssen. Objektive Hindernisse beeinträchtigen eine gleiche Aufteilung der Hausarbeit, etwa die Erwartung an Männer und Frauen, die im Beruf Erfolg haben wollen, deutlich über 40 Wochenstunden zu arbeiten, oder die durchschnittlich höhere Bezahlung von Männern. Konkrete Umsetzungsmöglichkeiten, die alltagstauglich und für Familien ökonomisch einen Sinn ergeben, sind nicht in Sicht.

Aber auch subjektive Faktoren- und sei der Wille zur Veränderung auch noch so groß - spielen eine gewichtige Rolle: Die feministische Forschung hat herausgearbeitet, dass auch die alltäglichen Tätigkeiten keine neutralen Handlungen sind. Sie sind vielmehr symbolisch aufgeladen und damit Teil des "doing gender", der ständigen Konstruktion von Geschlecht, die nicht leicht über Bord zu werfen ist. Die Verhältnisse, hier die geschlechtliche Arbeitsteilung, werden in individuellen Handlungen auch immer wieder hergestellt.

Das Projekt der Gleichverteilung der Hausarbeit ist also trotz vielfacher Bemühungen gescheitert. Das ist das nüchterne Fazit, das die Herausgeberinnen des Sammelbandes "Weltmarkt Privathaushalt. Bezahlte Hausarbeit im Wandel" (2) ziehen. Stattdessen findet weiterhin eine Umverteilung von Haushaltsarbeit zwischen Frauen statt: Neben der unbezahlten Hilfe unter Frauen innerhalb der Familie oder des Freundeskreises, putzen Frauen auch gegen Geld. Waren die Beschäftigungsverhältnisse der Dienstmädchen vor 100 Jahren halbfeudal, so sind sie heute hochflexibel und informell. Migrantinnen aus Südamerika ohne legalen Aufenthaltsstatus putzen Wohnungen in Frankfurt, Krankenschwestern aus Polen pendeln mit einem Touristenvisum nach Berlin um ältere Menschen zu Hause zu pflegen, Au-pairs aus Ungarn hüten die Kinder berufstätiger Eltern.

 

"Projekt Arbeitsteilung" - gescheitert

In mehr als vier Millionen Haushalten in Deutschland - fast ausschließlich in Westdeutschland (3) - sind Schätzungen zufolge etwa 2,4 Millionen Personen regelmäßig oder vorübergehend beschäftigt, 95% davon sind Frauen, ein Großteil von ihnen Migrantinnen. Aber nur 40.000 Hausarbeiterinnen sind bei der Sozialversicherung angemeldet. Während der Tariflohn bei acht Euro brutto liegt, verdienen Migrantinnen mit keinem oder ungesichertem Aufenthaltsstatus weitaus weniger. Stundenlöhne von zwei Euro sind keine Seltenheit für Frauen, die Vollzeit in einem Haushalt arbeiten. Der Verdienst für stundenweise Beschäftigung liegt in der Regel bei fünf Euro.

Die Autorinnen beleuchten dieses Dienstleistungssegment und stoßen dabei in Bereiche vor, für die sich die Wissenschaft bislang nicht sehr interessiert hat und zeichnen erste Umrisse dieser terra incognita: Zum Beispiel in welcher Situation befinden sich die domestic workers? Von diesen Fragen steht insbesondere letztere im Mittelpunkt der im Band versammelten Beiträge.

Frau Fischer etwa, Jahrgang 1942 aus der ehemaligen DDR: Bis zur Wende 1989 arbeitet sie in einer Fabrik, dann, mit 48 Jahren, wird sie arbeitslos. Sie beginnt in einem Westberliner Haushalt zu putzen, wird weiterempfohlen und arbeitet jetzt in fünf Haushalten. Eine Anfahrtszeit von eineinhalb Stunden nimmt sie in Kauf. Aus Angst, ihre Schwarzarbeit könne entdeckt werden, zieht sie in einen anderen Ort, wo sie niemand kennt. Sie knüpft keine nachbarschaftlichen Kontakte. Selbst Familienangehörige wissen nichts von ihrer Putztätigkeit. Ihre Arbeitsbedingungen hat sie nie ausgehandelt. Der Lohn hängt davon ab, was die ArbeitgeberInnen zu zahlen bereit sind. Sie ist jederzeit kündbar. Verpflichtende Arbeitgeberleistungen wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaubsgeld haben in diesem Segment des Arbeitsmarktes den Charakter von freiwilligen und großzügigen Gaben. Zwar gibt es Tarifverträge, aber kaum jemand weiß es. Nur rund 300 Hausarbeiterinnen sind gewerkschaftlich organisiert.

 

legal - illegal - scheißegal: ...

Manch eine Überstunde wird mit abgelegter Kleidung oder Pralinen abgegolten. Die Arbeit ist hart. Bis zu 15 Stunden am Tag, für einen Lohn zwischen fünf und 15 Euro. Ruhepausen oder leichtere Tätigkeiten, die sonst bei der Haushaltsarbeit üblich sind, können nicht dazwischen geschoben werden, weil den bezahlten Hausarbeiterinnen gerade die aufwendigsten Aufgaben übertragen werden.

Nicht nur wissenschaftlich ist das Thema bezahlte Hausarbeit kaum untersucht, es ist auch politisches Niemandsland. Obwohl gesetzliche Regelungen existieren, hält sich so gut wie niemand daran - weder die ArbeitgeberInnen, noch die ArbeitnehmerInnen. Offensichtlich stört es die wenigsten, dass sich diese Tätigkeit in einer Grauzone, jenseits der Legalität abspielt. Maria Rerrich, Mitherausgeberin des Bandes, geht sogar so weit zu sagen: "Die gegenwärtige Politik ist nicht nur dafür verantwortlich, dass die Arbeitskraft dieser Frauen verfügbar gehalten wird, sondern sie ist auch dafür verantwortlich, dass sie in einem bestimmten Zuschnitt - nämlich vorwiegend entweder als marginalisierte und/oder als illegale verfügbar gehalten wird." Dies sei weniger Resultat einer durchdachten Strategie, sondern einer billigenden Gleichgültigkeit.

Die meisten Autorinnen des Sammelbandes sehen politischen Handlungsbedarf, verweisen aber zu Recht auf die andere Seite der Medaille der Hausarbeit - die Lohnarbeit. Eine alte Erkenntnis feministischer Theorie ist es, dass Lohn- und Reproduktionsarbeiten eine Einheit bilden und beide wesentliche Momente derselben in sich widersprüchlichen gesellschaftlichen Verhältnisse sind. Folglich verlangt eine Veränderung ein Vorgehen auf beiden Ebenen.

 

... Dienstleistung Hausarbeit

Umso unverständlicher und fragwürdiger mutet das Unterfangen mehrerer Beiträge an, Konzepte zur Regulierung zu entwerfen, die eben nur das Feld der bezahlten Hausarbeit im Blick haben. In dem Kapitel "Politische Perspektiven zur ,Normalisierung der Hausarbeit`" spricht beispielsweise Claudia Weinkopf über Dienstleistungspools und -gutscheine, die zahlreiche Arbeitsplätze schaffen könnten, "von denen alle profitieren". Die Pools sind Mitte der Neunziger Jahre entstanden, meist mit öffentlicher Förderung. Hier sind die Hausarbeiterinnen sozialversicherungspflichtig bei einem Unternehmen beschäftigt, das ihnen tarifliche Entlohnung, Lohnfortzahlung bei Krankheit, Urlaubs- sowie Weihnachtsgeld garantiert und sich um die Meldung bei den Sozialversicherungen kümmert.

Zudem hält Weinkopf eine breite Kampagne gegen Schwarzarbeit für erforderlich. Aber die Rechnung wird hier aus der Sicht staatlicher Interessen - ohne feministische und antirassistische Standards - gemacht, denn die Regulierung führt einerseits zu einer Verfestigung der geschlechtlichen Arbeitsteilung und schließt gleichzeitig Migrantinnen ohne Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung aus.

Renate Heubach weist in ihrem Beitrag darauf hin, dass vielmehr die Legalisierung von Papierlosen und die Gewährung von Rechten für alle MigrantInnen forciert werden sollten - dann hätten auch sie bessere Karten, Arbeitnehmerrechte in den Privathaushalten durchzusetzen: Unterstützung statt Kontrollen - Beratungsstellen, Gewerkschaften und Selbstorganisationen von Hausarbeiterinnen wie das europäische Respect-Netzwerk könnten dazu beitragen, die rechtliche und gesellschaftliche Position von Papierlosen publik zu machen und zu stärken.

Die Vielfalt der Arbeitsverhältnisse und der Lebensformen von Hausarbeiterinnen erschwert es, gemeinsame Interessen und politische Forderungen zu artikulieren. Aber die Selbstorganisation könnte ein erster Schritt sein, um die ethische und paternalistische Dimension aus der Debatte über Lebensbedingungen von Hausarbeiterinnen zurückzuschieben. Sie kann deutlich machen, dass nicht großzügige Gesten angezeigt sind, sondern dass es um gewerkschaftliche und geschlechterpolitische Aspekte geht und auch darum, dass rund einer Million Menschen ohne Papiere sowie zahlreichen MigrantInnen elementare Rechte verweigert werden.

Mittlerweile schaltet die Minijob-Zentrale der Bundesknappschaft Anzeigen in Zeitschriften: Ein Pappkarton ist über das Gesicht einer Frau gestülpt, die in hellgrüner Schürze Teller abspült. "Sie brauchen ihre Haushaltshilfe nicht zu verstecken", so der Slogan. Auch hier wird suggeriert, eine Unfallversicherung sei eine freiwillige, nette Geste der ArbeitgeberInnen: "Ganz einfach anmelden sie hat es verdient!" Dabei gibt es schon längst die Verpflichtung, HausarbeiterInnen gegen Unfälle zu versichern - auch wenn diese keine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung haben. In Berlin sind einige Frauen bereits vor das Arbeitsgericht gezogen, weil ihnen der Lohn nicht ausgezahlt oder ihnen bei Unfällen die Hilfe verweigert wurde. Das Gericht gab ihnen Recht - auch wenn die Klägerinnen keine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung vorweisen konnten.

 

"Einfach anmelden - sie hat's verdient!"

Das Respect-Netzwerk und die Mujeres sin rostro ("Frauen ohne Gesicht"), eine Berliner Gruppe von papierlosen Frauen aus Lateinamerika, fordern zudem ein allgemeines Recht auf einen gesicherten Aufenthaltsstatus und Bewegungsfreiheit, ohne Koppelung an einen bestimmten Arbeitsplatz (4). Beide Initiativen setzen sich für Mindeststandards für papierlose ArbeitnehmerInnen ein: Zum Beispiel Tariflohn von acht Euro, Schutz vor sexistischer und rassistischer Diskriminierung, Zugang zu medizinischer Versorgung, Kindergärten, Schulen und Universitäten. Außerdem sollen ausländische Berufs- und Universitätsabschlüsse anerkannt und das Vorrangrecht von Deutschen gegenüber EU- und Nicht-EU-BürgerInnen auf dem Arbeitsmarkt abgeschafft werden.

Anke Schwarzer

Anmerkungen:

1) Jan Künzler: Familiale Arbeitsteilung. Die Beteiligung von Männern an der Hausarbeit. Kleine Verlag, Bielefeld, 1994

2) Claudia Gather, Birgit Geissler, Maria S. Rerrich (Hrsg.):Weltmarkt Privathaushalt. Bezahlte Hausarbeit im globalen Wandel. Westfälisches Dampfboot, Münster, 2002

3) Isolde Ludwig, Vanessa Schlevogt: Bessere Zeiten für erwerbstätige Mütter? in: WSI-Mitteilungen 3/2002

4) ASW - Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt (Hrsg.): Das bisschen Haushalt.... Bezahlte Hausarbeit in Brasilien und Deutschland. Berlin, 2003

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