letzte Änderung am 5. März 2004

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Call-Center – Gewerkschaftsfreie Zone? Wie Unternehmer versuchen Gewerkschafter zu unterdrücken.

Ein Beispiel: Profil24 in Berlin, Dienstleister von Europcar Autovermietung

 

Arbeitsbedingungen:

Wir sind in Acht-Stunden-Schichten ohne geregelte Pausen eingeteilt. Zwar dürfen wir am Platz essen. Das ist jedoch nur möglich, wenn gerade keine Anrufe reinkommen. An vielen Tagen gibt es dadurch gar keine Pausen.
Die Geschäftsleitung hält es für selbstverständlich, dass wir bis 24 Uhr ohne Zuschläge arbeiten, genauso an Wochenenden und Feiertagen. Wegen des niedrigen Bruttostundenlohns von 7 Euro müssen die meisten Kollegen ständig Extraschichten machen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Immer wieder wurde uns eine Lohnerhöhung versprochen. Aber auch nach dem erfolgreichsten Monat des Unternehmens gab es für jeden nur ein T-Shirt mit Firmenschriftzug. Außerdem wurde einmal neuen Kollegen nach bestandener Probezeit mehr Lohn versprochen, woran sich dann später aber niemand mehr erinnern konnte.

Bei der Arbeit sind wir vom diensthabenden Teamleiter abhängig. Besonders schlimm ist das für neue Kollegen in der Einarbeitung, wo das freundliche "Du" schnell vergessen ist. Um die Einarbeitungszeit möglichst kurz zu halten, werden die Angestellten enorm unter Druck gesetzt. Viele werden durch ständiges Hineinreden und Anschreien so stark verunsichert, dass ihr Selbstvertrauen ins bodenlose sinkt.

Um die Expansionspläne des Unternehmens zu finanzieren wurden die Arbeitsbedingungen im letzten Jahr weiter verschlechtert.
So wurde die Nachbearbeitungszeit auf 10% der Arbeitszeit festgelegt und überwacht. Diese Zeit benötigt jeder Mitarbeiter, um die vom Kunden gewünschten Leistungen nach dem Telefonat zu bearbeiten. Somit mussten wir sofort mehrere Aufträge auf einmal bearbeiten. Die Folge war, dass einige Kollegen so verunsichert waren, dass sie zur Toilette hetzten, um keinen Anruf zu verpassen. Am nächsten Tag kam die Statistik und die Kollegen konnten alle einsehen, wer die Anforderungen nicht erfüllte.
Zudem wurden von einem Tag auf den anderen keine Überstunden mehr gewährt, um mit weniger Kosten die gleiche Arbeit zu leisten.

Im Sommer werden immer einige studentische Mitarbeiter eingestellt, um das erhöhte Arbeitsaufkommen zu bewältigen. Um die Angestellten im Herbst wieder loszuwerden, werden sie alle kurz vor Ende der Probezeit gekündigt.
Weiterhin versucht die Geschäftsleitung regelmäßig, uns mit der angeblich schlechten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens zu verunsichern. Jedoch haben wir nie Zahlen erhalten, mit denen wir diese Behauptungen hätten nachvollziehen können.


Warum Betriebsrat und wie?

Da die ziemlich miesen Arbeitsbedingungen in kurzer Zeit noch mal übertroffen wurden und dazu der niedrige Lohn aufs Gemüt schlug, mussten wir reagieren. Da im Vorfeld schon Kontakt mit der IG Metall bestand, begannen wir die Beziehungen und Beratungen mit dem zuständigen Sekretär auszubauen. Es folgten einige Treffen, bei denen die Planungen, eine gesetzliche Arbeitnehmervertretung zu schaffen sich immer mehr konkretisierten. Vor allem die studentischen Mitarbeiter wirkten dabei aktiv mit. Mag bei einigen des öfteren der Eindruck oder die Verwunderung entstehen, was Studenten bei solch einer Angelegenheit zu suchen haben, muss das korrigiert werden, da gerade Studenten immer mehr in die abhängig Beschäftigten Rolle gezwungen werden und daraus ein Interesse an ihrer Lage und ein Bewusstsein entwickeln, welches ihnen eine nicht zu unterschätzende Rolle beim Kampf um Verbesserungen zu kommen lässt.

Nachdem Einige mit Hilfe der IG Metall alles vorbereitet hatten, wurde die Einladung offiziell in den Räumen angebracht und der Geschäftsleitung übergeben.

Ganze 3 Tage später erhielten alle 17 studentischen Mitarbeiter ihre nicht ganz fristgemäße Kündigung mit 13 sofortigen Freistellungen. Sofort machte sich die Geschäftsleitung (GL) daran, diejenigen ausfindig zu machen, die hinter der Betriebsratswahl standen. Dabei erwies sich die Taktik der GL, vorerst alle Studenten zu kündigen, als nicht ganz so unvorteilhaft. Da der aktive Teil aus Studenten bestand, erreichte die GL so eine aktive Spaltung der Belegschaft. In den folgenden Tagen wurden viele Einzelgespräche angeordnet und so wurde bald der Kreis der Verantwortlichen für die Betriebsratswahl von der GL ermittelt.

Es kam 2 Tage vor der 1. Betriebsversammlung und 3 Tage nach den Kündigungen zu einem Gespräch der 3 Einladenden, einer Vermittlerin und dem Geschäftsführer, um über die Ereignisse zu diskutieren. Alle Anwesenden, außer der GF und einer der Einladenden, waren bereits gekündigt und freigestellt. Mit guter Vorbereitung trugen wir 5 Punkte vor, die aus unserer Sicht einen Betriebsrat, als gesetzliche Vertretung, unbedingt für nötig machen.

Die GL lies sich auf keine unserer Forderungen ein und verdrehte die Punkte im Nachhinein gegenüber des Arbeitsgerichtes.
Die anschließende Betriebsversammlung wurde zur Farce, weil das von der GL organisierte Personal durch massives Stören eine demokratische Wahl unmöglich machte.
Noch während der Versammlung gingen ca. 18 KollegInnen, darunter fast alle Freigestellten, und der Gewerkschaftssekretär aus Protest.

Nach der Versammlung spielte sich alles Weitere bis heute auf der gerichtlichen Ebene ab. Ein Kollege hat per einstweiliger Verfügung die Aufhebung seiner 1. Kündigung erwirken können, weil ja durch die Einladung Kündigungsschutz besteht. Eine ebenfalls entlassende Kollegin mit besonderen Kündigungsschutz konnte, nachdem sie vor Gericht enorm von der GL unter Druck gesetzt wurde, eine angemessene Entschädigung erreichen.

Auf die einstweilige Wiedereinstellung wurde von Seiten der GL mit einer fristlosen Kündigung geantwortet. Begründung diesmal war, dass der Kollege angeblich nur eine hohe Abfindung im Auge habe und von Anfang an der Firma finanziellen Schaden zufügen wollte.
So wurde er von der GL zum „Abzocker“ erklärt und das passte ja, um ihn bei allen ordentlich zu diskreditieren. Nun viel es nicht mehr schwer die Schuldigen am ausbleibenden Weihnachtsgeld zu finden.

Am 20.04.2004 findet vor dem Arbeitsgericht Berlin die Verhandlung der entlassenden Gewerkschafter statt.

Zudem gab es eine weitere fristlose Kündigung gegen den besagten Kollegen, da ein von Europcar im Internet gefundener Artikel im „Linksruck“ Nr.168 die GL dazu veranlasste, ihn vorsorglich noch mal zu kündigen, da unter dem Druck von Europcar der saubere Schein gewahrt bleiben musste.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Es ist nicht zu verübeln, dass einige Kollegen nicht mehr an einer Wiedereinstellung interessiert sind, weil es entweder schon lange her ist und der finanzielle Druck zu einer anderen Beschäftigung geführt hat, oder sie sich nicht mehr auf ein verändertes Arbeitsklima einlassen wollen. Der Großteil jedoch ist weiterhin bereit, wieder in den Betrieb zu gehen und das weiter zu führen, was Mitte Oktober 2003 eingeleitet wurde.

Über die Aussicht auf Erfolg zu spekulieren ist dabei nicht wesentlich. Zum einen geht es vor Gericht darum, die Unwirksamkeit der Kündigungen zu beweisen und zum anderen gegen die GL, die es auf einfache Art und Weise geschafft hat, eine in ihren Augen unliebsame Arbeitnehmervertretung zu verhindern.

Ein entlassender Metaller bei Profil24 (Name der Redaktion des LabourNet Germany bekannt)

LabourNet Germany ruft auf zu Protesten an die Firma Profil24 Dienstleistungen, Messedamm 8 in 14057 Berlin, auf:

e-mail:kontakt@profil24.de
fax: 030-303202116

Am 20.04.2004 ab 09:00 Uhr findet vor dem Arbeitsgericht Berlin die Verhandlung der entlassenden Gewerkschafter statt (Arbeitsgericht Berlin, Magdeburger Platz 1 in Berlin. U-Bahn Kurfürstenstrasse.)

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