Auftaktkundgebung Ostermarsch 2000 in Stuttgart am 24.04.2000

Rede von Volker Mörbe: Bundeswehr im Krankenhaus

 

Kolleginnen und Kollegen, liebe Friedensfreunde.

 

Was hat die ötv zu sagen zu dem Thema: "Verantwortung für den Frieden - Bewegen für den Frieden" ?
Nun sie hat sehr Konkretes zu sagen.
Die Bundeswehr hat die Krankenhäuser und deren Beschäftigte ins Visier genommen.

Nachdem Deutschlands Politiker und Militärs nun auch weltweit Kriege führen wollen, hat man auf der Hardthöhe festgestellt, dass die Reservelazarettgruppen momentan nicht in der Lage sind mit vielen Schwerverletzten klarzukommen. Und ohne ausreichenden medizinischen Beistand lässt sich schlecht z. B. ein verlustreicher Bodenkrieg führen. Um an diesem Punkt die Kriegsvorbereitung abzusichern, will die Bundeswehr Schritt für Schritt die zivilen Krankenhäuser für sich arbeiten lassen.

Zwar wurden auf Kosten des Verteidigungsministeriums in der Vergangenheit zahlreiche Schwesternhelferinnen in 2-Wochen Kursen für den Krieg ausgebildet und auch das Grundgesetz bestimmt in Art. 12 A, dass Frauen vom 18. bis 65. Lebensjahr in militärischen Lazarettorganisationen im Kriegsfall herangezogen werden können. Aber für Einsätze im Frieden, wie die jetzt geplanten weltweiten Kriegseinsätze in der Sprache der Militärs heißen, braucht man Erfahrung im Sanitätsdienst.

Was ist jetzt aktuell passiert?

Noch während des ersten Kriegseinsatzes der Bundeswehr in Jugoslawien im April 1999 vereinbarte sie mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft eine zivil-militärische Zusammenarbeit und einen Mustervertrag. Der erste Schritt der Eingliederung der zivilen Krankenhäuser in die militärische Logistik.

In diesen Verträgen werden Krankenhäuser an Reservelazarettgruppen der Bundeswehr gebunden.

In den Krankenhäusern sollen Offiziere ihre Weiterbildung zum Facharzt abschließen und Soldaten, die eine Ausbildung als medizinisches Hilfspersonal haben, in Übung gehalten werden. Sie können dann live und in großer Anzahl Schwerverletzte in zivilen Krankenhäusern versorgen.

Medizinische Geräte der Bundeswehr sollen in den zivilen Krankenhäusern zum Einsatz kommen, dort gewartet und instandgehalten werden. Im Kriegsfall können dann die eingesetzten Offiziere, die Soldaten und die Geräte wieder abgezogen werden.

Die Krankenhausleitungen, durch reines betriebswirtschaftliches Denken blind für die tatsächlichen Vorgänge im Krankenhaus , sehen nur die kostenlosen zusätzlichen Köpfe und Hände. Aber Soldaten, die in 4-6 Wochen-Einsätzen in Übung gehalten werden müssen, sind für die Klinikbeschäftigten eine hohe Belastung. Offiziere, die die Facharztausbildung machen, können laut Vertrag binnen 6 Stunden oder schneller abgezogen werden. Dazu kommt, dass die Kooperationskrankenhäuser im Kriegsfall bis zu 1000 Kriegsverletzte zusätzlich zusammen mit der Reservelazarettgruppe versorgen müssen. Das bedeutet bei 56 Reservelazarettgruppen bundesweit, das man sich auf mehrere Zehntausend zusätzliche Kriegsverletzte einstellen will. Dabei soll die Pflege wohl auch der zivilen Patienten vor allem in den Kasernen der Reservelazarettgruppen stattfinden. Während Diagnostik und Therapie in den zivilen Kliniken durchgeführt werden. Im Verteidigungs- oder Bündnisfall sollen die zivilen Beschäftigten auch in Bundeswehreinrichtungen eingesetzt werden können und unterliegen den Weisungen der Bundeswehr. Die Zahl der im Sanitätsdienst eingesetzten Soldaten steigt dann von 26 auf 80 Tausend und der zivilen Mitarbeiter von 6 auf 20 Tausend. Schließlich ist auch noch die Kooperation der Krankenhausseelsorger mit den Militärpfarrern geregelt, Wohl für die Fälle, für die man dann keine Zeit mehr hat.

Die Verhandlungen dieser Verträge fanden unter großer Geheimhaltung statt. Weder erfuhren die Bundestagsabgeordneten von der geplanten Vereinnahmung des zivilen Gesundheitswesens noch Landtagsabgeordnete, Kreistagsabgeordnete oder Gemeinderatsmitglieder, selbst wenn städtische Kliniken, Kreiskrankenhäuser oder Unikliniken betroffen waren. Erst nach Abschluß der Verträge zwischen den Krankenhausleitungen und den Bundeswehreinrichtungen kamen diese Vertragsabschlüße an die Öffentlichkeit. Und es waren nicht die Beteiligten sondern die ÖTV-Betriebsgruppen, die die Öffentlichkeit und die Politiker informierten.

Die Militarisierung des Gesundheitswesens sollte hinter dem Rücken der Öffentlichkeit ablaufen. Dies hat die ötv und haben die örtlichen Friedensinitiativen erst einmal verhindert.

Von diesem ersten Schritt die zivilen Krankenhäuser kriegstauglicher zu machen sind in Baden Württemberg folgende Kliniken betroffen: die St. Josephsklinik Offenbach, das Caritaskrankenhaus Bad Mergentheim, die Oberschwabenklinik Ravensburg, die städtischen Krankenhäuser Sindelfingen und Heilbronn, die Kreiskrankenhäuser Sigmaringen, Tauberbischofsheim und Heidenheim und die Uniklinik Tübingen. Überall wurden bereits Kooperationsverträge verabschiedet.

Bundesweit gehen wir von ca. 60 derartigen Verträgen aus.

Inzwischen wird der nächste Schritt verhandelt, um, wie es die Bundeswehr ausdrückt einsatzoptimierte Strukturen zu schaffen. Die Reservelazarettgruppen, die direkt für die Krisenreaktionskräfte der Bundeswehr arbeiten und direkt in den Kriegsregionen eingesetzt werden, sollen aufgestockt werden. 900 Offiziere und Soldaten dieser Lazarettgruppen sollen in zivilen Krankenhäusern ihre Fertigkeiten für den Krieg lernen um dann von dort direkt in den Krieg zu ziehen. Die erste Klinik, die dazu in Verhandlungen steht ist das städtische Klinikum in Karlsruhe. In einem ersten Vertragsentwurf war sogar vorgesehen, dass städtische Beschäftigte des Klinikums nach Änderung ihrer Arbeitsverträge als Personalreserve für Bundeswehreinrichtungen herhalten müssen. Die von der ötv und der Karlsruher Friedensinitiative erzwungene öffentliche Diskussion hat zumindest bewirkt, dass nicht einseitig in die Arbeitsverträge eingegriffen wird. Allerdings ist bei der derzeitigen Arbeitslosigkeit der Ärzte und den meist befristeten Arbeitsverhältnissen "Freiwilligkeit" schnell herzustellen.

Durch die letzten Gesundheitsreformgesetze steht den Krankenhäusern das Wasser bis zum Halse. Die rein betriebswirtschaftliche Sicht der Krankenhausträger und Betriebsleitungen, hat dazu geführt, das jeder scheinbare Strohhalm Geld zu sparen genutzt wird. Die schrittweise Vereinnahmung der Krankenhäuser durch die Bundeswehr scheint dabei im beidseitigem Interesse zu liegen. Schon jammern die meisten Krankenhauschefs über die hohen Kosten der Ausbildungsplätze.

Es wird nur noch eine Frage der Zeit sein, dass die Bundeswehr sich auch in die Krankenpflegeschulen einkaufen wird. Derjenige, der sich dann verpflichtet mit den Krisenreaktionskräften als Pflegekraft mit in den Krieg zu ziehen wird dann leichter einen Ausbildungsplatz finden als Andere. Es droht die völlige Vereinnahmung durch die Bundeswehr.

So kritisierte kürzlich Generaloberststabsarzt Dr. Demmer der Inspekteur des Sanitätswesens der Bundeswehr in Karlsruhe, dass man sich nicht länger den Luxus leisten sollte, ein ziviles und ein militärisches Gesundheitswesen nebeneinander zu betreiben. Das Aufgehen des Sanitätswesens der Bundeswehr im zivilen Gesundheitswesen würde zur Zivilisierung des Militärs führen. Und außerdem wolle man ja nur Verletzten helfen.

In einer Entschließung des Vorstands der ötv Baden-Württemberg heißt es: Für die ötv Baden Württemberg ist die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsleistungen der einzige Maßstab für die Arbeit und die Aufgaben der Krankenhäuser. Eine ständige Einbeziehung von Zivilpersonen in die Aufgaben des Sanitätsdienstes der Bundeswehr lehnt die ötv ab.

Die Beschäftigten im Gesundheitswesen wollen nicht Teil der Militärlogistik sein, sondern ihre Aufgaben für die Bevölkerung wahrnehmen. Die ötv Baden-Württemberg wird durch geeignete Maßnahmen Kooperationen zwischen der Bundeswehr und Zivilkrankenhäusern zu verhindern suchen. Von der Abordnungsverpflichtung betroffenen Mitgliedern wird Rechtsschutz gewährt. Zitat Ende.

Wie Hilfe im Krieg aussieht, hat man letztes Jahr gesehen, als in Jugoslawien durch Beschuss von Chemiewerken große Teile der Lebensmittel vergiftet wurden. Und von den ca. 50 zerstörten Krankenhäusern wurde bisher auch noch keines wieder aufgebaut. Und sowohl der Golfkrieg als auch der letzte Krieg in Jugoslawien haben eindrücklich bestätigt:

Die Wahrheit im Krieg bleibt das Geschäftsgeheimnis der Militärs. Wir können und dürfen keiner Aussage vertrauen, die uns davon überzeugen soll, dass es richtig ist Menschen anderer Länder zu töten oder dies vorzubereiten.

Gerade in unseren Krankenhäusern arbeiten sehr viele Ärzte und Krankenpfleger, die den Kriegsdienst verweigert haben. Wir Krankenhausbeschäftigten müssen selbst darüber entscheiden können, ob wir für militärische Zwecke und in letzter Konsequenz für die Kriegsvorbereitung tätig werden. Wir wollen nicht dazu beitragen, dass im nächsten Krieg oder wie das jetzt wohl heißt im nächsten humanitären Einsatz ein Bodenkrieg stattfindet. Deshalb stattfindet, weil die Verantwortlichen davon ausgehen, dass die Heimatfront steht, die Kriegsverletzten ja in den zivilen Krankenhäusern versorgt werden.

Wir, die wir eigentlich pflegen, helfen, heilen wollen, würden so verantwortlich für die Entstehung von Verletzten und Toten in unvorstellbarem Ausmaß. Die zynische Perversion des Helfergedankens.

Deshalb kommt den Krankenhausbeschäftigten, jedem und jeder Einzelnen, eine besondere Verantwortung zu. Wir entscheiden mit, ob und wie Kriege geführt werden können oder ob Konflikte friedlich gelöst werden müssen. Und darin liegt auch unsere große Chance. Wenn wir uns verweigern zwingen wir die Politiker sich über friedliche Lösungen Gedanken zu machen. Deshalb fordere ich Euch auf : Macht es öffentlich wenn ihr mitbekommt, das Betriebe, das Beschäftigte Bestandteil der militärischen Logistik werden sollen um Kriege führbar zu machen. Die zunehmende Militarisierung des zivilen Lebens zwingt jeden von uns Stellung zu beziehen. Denn immer mehr, die sich nicht wehren werden für die Kriegsvorbereitung eingespannt.

Der Schweizer Lyriker Max Rychner hat einmal gesagt: Krieg bedeutet, dass der Mut zu sterben über den Mut Nein zu sagen gesiegt hat. Deshalb macht öffentlich wo wir Nein sagen müssen um Kriege zu verhindern.

 


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