SAP- Einführung: Seit einigen Jahren verhandeln Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat über die Einführung von SAP.

Was hat der Betriebsrat erreicht?

SAP ist eine Standardsoftware, die aus einem Basismodul und verschiedenen Bausteinen besteht. Die einzelnen Bausteine sollen die verschieden Bedürfnisse der unterschiedlichen AnwenderInnen abdecken. Leider ist die IG- Chemie Fraktion des Betriebsrates den Weg des Arbeitgebers mitgegangen und war bereit, die eigentlich zusammenhängende Einführung von SAP mit seinen verschiedenen Programmteilen in verschiedenen Betriebsvereinbarungen zu regeln. Sie hat damit viele Rechte und Möglichkeiten aus der Hand gegeben. Obwohl SAP schon in einigen Bereichen eingeführt ist, wurde erst kürzlich der für alle Beschäftigten wichtige Teil eingeführt: SAP- HR. (HR ist die Abkürzung für Human Resources und bedeutet menschliche Materialien). Er ersetzt unter anderem die EDV der Personalabteilung.

An den vier wichtigsten Punkten, die man als Betriebsrat bei der Einführung von EDV beachten muß, werden wir prüfen, was die IG- Chemie- Fraktion in ihren Verhandlungen erreicht hat.

  1. Wie ist der Datenschutz für die Beschäftigten gesichert worden?
  2. Wie sieht die Arbeitsplatzsicherung aus ?
  3. Wurde die EDV und die Arbeitsorganisation anwenderInnengerecht gestaltet ?
  4. Wurde das Entgelt gesichert?

1. Der Datenschutz

„Zweck dieses Gesetzes ist es, den Einzelnen davor zu schützen, daß er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird.“ Dieses Zitat aus dem Bundesdatenschutzgesetz verdeutlicht, worum es beim Datenschutz gehen muß: Das Recht des Einzelnen, ihn vor wildem Sammeln und Verknüpfen von Daten zu schützen. Kaum ein Beschäftigter hat eine Idee, wieviel Daten die Bayer AG gesammelt hat und aktualisiert. Durch eine Verknüpfung beispielsweise der Rechnernutzungszeiten mit den Gleitzeitdaten ließe sich leicht errechnen, wann der oder die Beschäftigte noch „unproduktive“ Zeiten hat. Vor solcher Kontrolle soll der Betriebsrat schützen!

Für die Bayer AG hat er die Rahmen- Gesamtbetriebsvereinbarung für die Einführung von SAP abgeschlossen: „Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit ist eine laufende Überprüfung und Anpassung der bestehenden Geschäftsprozesse erforderlich. Hierzu ist eine optimale Unterstützung durch flexible Informations- und Kommunikationssysteme unabdingbar“. Dies ist die Einleitung der Betriebsvereinbarung, die der Betriebsrat unterschrieben hat. Kein Wort über Datenschutz oder Rechte der Belegschaft, statt dessen verpflichtet sich der Betriebsrat, eine ständige Rationalisierung mitzutragen, mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Auch das Bundesdatenschutzgesetz soll nicht uneingeschränkt gelten, die Bayer AG und der Gesamtbetriebsrat haben sich darauf geeinigt, es nur grundsätzlich gelten zu lassen. Wann und wo sie von den Grundsätzen abweichen wollen, ist noch offen.

Falls es notwendig würde, dürfen selbst sensible persönliche Daten, wie Religions- oder Parteizugehörigkeit mit Einverständnis des Betriebsrates gespeichert werden. Die im Bundesdatenschutzgesetz ausdrücklich gegebene Chance ein Verbot auszuhandeln, hat der Betriebsrat nicht genutzt! (Die Verpflichtung des Arbeitgebers die Kirchensteuer einzuziehen, bleibt dabei außen vor.)

Selbst die Verarbeitung von Personaldaten im Ausland hat der Betriebsrat zugelassen. Wie er den Datenschutz dort kontrollieren will, ist uns rätselhaft.

Die Verarbeitung von Daten kann noch halbwegs kontrolliert werden, wenn die Daten auf einem Großrechner gespeichert werden und die Informationen nur über Terminalbetrieb genutzt werden statt dessen hat unser Betriebsrat für die Personalabteilung die Nutzung von PCs zugelassen. Jede PersonalsachbearbeiterIn kann die Personaldaten auf ihren PC herunterladen und nach eigenem Dünken weiterverarbeiten. Alle Möglichkeiten der Auswertung der Personaldaten sind gegeben, ohne daß dieser Mißbrauch kontrolliert oder verhindert werden kann. Zwar ist es dem Betriebsrat zugestanden worden, die in SAP vorhandene Auswertemöglichkeit nicht zuzulassen, aber die auf jedem PC vorhanden Programme der OFFICE- Gruppe, wie z. B. EXCEL bieten sich für solche Operationen geradezu an. Sie haben außerdem Schwierigkeiten mit SAP den Vorteil komfortabler zu sein. Damit jede PersonalsachbearbeiterIn auch genug Daten hat, dürfen sie bis zu einem Jahr auf dem PC gespeichert bleiben. Durch diese Regelungen kann vom Schutz personenbezogener Daten keine Rede sein. Er ist bei der Bayer AG nicht vorhanden.

2. Die Arbeitsplatzsicherung

Viele hatten die Hoffnung, daß der schlechte Datenschutz in der Gesamtbetriebsvereinbarung der Preis für einen guten Rationalisierungsschutz ist. Aber die Vereinbarung geht nicht über die Gesamtbetriebsvereinbarungen zur Nachteilsmilderung und Standortsicherung hinaus. In ihnen wird geregelt, daß bei Wegfall des Arbeitsplatzes zuerst nach einem gleichwertigen neuen Arbeitsplatz gesucht wird. Ist dies auch überwerklich erfolglos, muß man oder frau einen schlechter bezahlten Arbeitsplatz annehmen oder kann betriebsbedingt gekündigt werden.

Wieviel Arbeitsplätze betroffen sein werden, ist unklar. In einigen Bereichen zeichnet sich eine sehr starke Rationalisierung ab, z. B. im Rechnungswesen. Die Situation wird kritischer, da bei der Einführung von SAP immer ein Reengineering durchgeführt wird. Reengineering bedeutet Kosten sparen, zum Beispiel indem Bayer möglichst viele Arbeitsplätze abbaut, und Arbeitsverdichtung. In der Rahmen- Gesamtbetriebsvereinbarung für SAP heißt das: „Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit ist eine laufende Überprüfung und Anpassung der bestehenden Geschäftsprozesse erforderlich“.

Bis zum Abschluß der SAP- Einführung haben die Beschäftigten, die SAP einführen oder andere Aufgaben in der EDV haben, sehr viel zu tun. Danach will die Bayer AG Arbeitsplätze einsparen und damit viel Geld.

Unseren Vorschlag, daß der Betriebsrat die Einführung von SAP als Betriebsänderung betrachtet und damit umfangreiche Rechte durch das Betriebsverfassungsgesetz erhält, wurde von der IGChemie- Fraktion nicht aufgegriffen. Bei einer Betriebsänderung hätten wir gemeinsam die Rechte der Beschäftigten besser vertreten und einen wirksamen Kündigungsschutz vereinbaren können.

3. EDV- Gestaltung für die Menschen?

Bis auf den letzten Punkt, der schon in der EG- Bildschirmrichtlinie enthalten ist, sind all diese Punkte Verhandlungserfolge der IG Chemie. Aber es sind Versprechen, die eingelöst werden müssen. Wir können alle erst im Lauf der SAP- Einführung feststellen, was diese Versprechen wert sind. Bei der Einführung von SAP in der Personalabteilung scheint das Einhalten nicht geklappt zu haben.

Auf der anderen Seite hat der Betriebsrat die Nutzung des von SAP angebotenen Qualifikationsmanagements zugelassen. Dadurch darf die Personalabteilung Profilvergleiche herstellen. Wir sehen keinen Unterschied zwischen Profilvergleichen und Persönlichkeitsprofilen, die die IG- Chemie ablehnt. Mit beiden Methoden wird versucht, die Auswahl von BewerberInnen durch die EDV zu rationalisieren. Welche Qualität eine Personalpla nung hat, in denen der „große Bruder“ das Sagen hat, läßt sich bei George Orwell in seinem Roman „1984“ nachlesen.

Über all diesen Regelungen steht die Verpflichtung zur Effizienz. Nicht Qualität steht bei der Personalbetreuung im Vordergrund, sondern die schnelle Abwicklung von Vorgängen. Wir befürchten, das all das auf der Strecke bleibt, was nicht jeden Tag vorkommt – Besonderheiten, Einzelfallösungen oder Besitzstände – und raten allen KollegInnen sich mit den auftretenden Problemen an unsere Betriebsräte zu wenden.

4. Die Entgeltsicherung

Teile des Entgeltes und der größte Teil der Arbeitszeitsystematik der Bayer AG wurde an SAP angepaßt. Deutlichstes Zeichen ist die Einführung eines Arbeitszeitkontos für alle MitarbeiterInnen. Aber viele Dinge werden (noch?) nicht richtig berechnet, andere sollen oder werden durch Einmalzahlungen abgefunden. Die Kritik ist groß. Auch das Versprechen, daß die Entgeltabrechnungen schneller kommen und übersichtlicher werden, ist nicht eingehalten worden. Die Situation ist eher noch schlechter geworden. Am meisten leiden zur Zeit die HR- Beauftragten (vor SAP hießen sie Gleitzeitsachbearbeiter), sie müssen sich mit hohem Zeitaufwand in ein neues System einarbeiten, das schlecht funktioniert.

Zusammenfassung

In allen wichtigen Punkten hat es die IG- Chemie nicht geschafft, die Rechte und Interessen der Beschäftigten zu wahren. Datenschutz existiert nur noch als Begriff, nicht mehr als kontrollierbare Größe. Rationalisierungsschutz gibt es nicht, die persönliche Situation der Betroffenen ist schlechter geworden. Nach all dem bleibt nur noch eines: Wir gratulieren der Bayer AG zum Abschluß dieser Betriebsvereinbarung, die ihren Interessen und ihren Möglichkeiten, den Profit zu maximieren, optimal dient.