Vorstandsabsicht

Leistung soll sich nicht mehr lohnen

Die Betriebsvereinbarung zu den übertariflichen Leistungen läuft aus. Diese werden mit 350 Millionen DM beziffert. Laut Bayer Aktuell (21.4.99) wird „davon … lediglich ein kleiner Teil, nämlich der Bonus ertragsabhängig ausgeschüttet“ … „das soll sich künftig ändern …“. Der Vorstand will sie nicht mehr in der bisherigen Form.

Die Betriebsvereinbarung regelt die Bayer-Eckwerte (E1 bis E8), aber auch die übertarifliche Bezahlung (ÜTZ: die „25-Mark-Sprünge“). Das ganze System ist Bayer zu starr.

Der Vorstand hat in den letzten Jahren den Etat für die übertariflichen Leistungen immer mehr gekürzt. Nun dient dies als Argument für Veränderungen: „Pro Mitarbeiter waren das durchschnittlich nur 27 Mark im Monat. Das ist zuwenig, um einen echten Leistungsanreiz zu bieten.“ (Bayer Aktuell).

Arbeitsdirektor Mohr fordert die Aufgabe des Besitzstandsdenkens, er will eine Systemveränderung bei allen Entgeltleistungen. Im Tarifbereich soll eine „erfolgsorientierte Bezahlung“ mehr Motivation bringen, analog dem System der leitenden Mitarbeiter. Eine Änderung im Bezahlungssystem bringe zwar für den Einen oder Anderen spürbare Einschnitte, Bayer werde aber über faire Übergangslösungen reden. Auf deutsch heißt das: Die Bayer- Eckwerte von E1 bis E8 soll es zukünftig nicht mehr geben. Der Übertarif soll noch mehr „nach Nase“ verteilt werden.

Es geht um viel Geld

Bislang entschied der Vorstand jeweils jährlich über den Etat für die übertarifliche Leistung, die dann in LZ-Stufen oder IEZ ausgezahlt wurde. Zukünftig soll der Vorstand jedes Jahr über den gesamten Topf befinden können. So stehen in den Endsätzen von E3 und E4 über 400 DM monatlich auf dem Spiel, in den Gruppen E5 bis E8 sind dies etwa 120 bis 150 DM monatlich, die bei einer Neuregelung nicht mehr garantiert werden.

Alle Besitzstände aus älteren Entlohnungsmodellen, die in feste LZ- Stufen umgewandelt wurden, sind zusätzlich in Frage gestellt. Dies ist allein aus dem Leistungssockel in E7 etwa 185 DM.

Verschärfend kommt hinzu, daß auch die tariflichen Entgeltgarantien vom Chemie- Arbeitgeberverband in Frage gestellt werden. Dies würde für die Gruppen E1 bis E8 einem Dammbruch gleichkommen. Von der möglichen Absenkung der Tarifgehälter für die „Servicebereiche“ im Einvernehmen zwischen IG BCE und den Arbeitgebern ganz zu schweigen.

Kürzungen übertariflicher Leistungen

Auf den Umfang der zu erwartenden Summen für eine neue übertarifliche Bezahlung angesprochen, machte Herr Mohr deutlich, daß auch diese reduziert werden sollen. „Im ersten Jahr gibt es zunächst nicht weniger“, das ist aber für die Zukunft nicht auszuschließen. Daß die Eckwerte und das bisherige Entgeltsystem eine Verläßlichkeit für das monatliche Einkommen der Beschäftigten darstellen, ist für Herrn Mohr kein Argument: „Verläßlichkeit darf kein Alibi für Gleichmacherei sein …“. Herr Kötter, Personalabteilung, meinte, der Übertarif in den unteren Entgeltgruppen ist nicht mehr wettbewerbsfähig.

Wie sollen die erneuten Verschlechterungen der Belegschaft verkauft werden?

Das Rezept zeichnet sich langsam ab:

  1. Den Beschäftigten wird ein neues Aktienangebot in Aussicht gestellt. Aber nur, wenn die Betriebsräte bei der Neuregelung der übertariflichen Leistungen mit sich reden lassen. Wo die von Bayer dafür veranschlagten 30 Millionen abgezogen oder verrechnet werden, wurde nicht gesagt.
  2. Der Unmut über das jetzige Beurteilungsverfahren wird aufgegriffen und „mehr Gerechtigkeit“ versprochen.
  3. Eine Verlängerung der Standortvereinbarung, mit der schwammigen Zusage: Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen, „sozialverträglichen“ Personalabbau und Ausgliederungen, soll die Entgeltkürzungen rechtfertigen.

Und was sagt die Betriebsratsmehrheit?

„Wir müssen uns dem Thema stellen, die Betriebsräte können es nicht verhindern …“. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Erhard Gipperich äußerte sich in der Rheinischen Post:

„Wir fordern Gespräche über eine Verlängerung der Standortsicherungsvereinbarung bis zum Jahr 2005/ 06. Und ich bin sicher, daß wir diese Verlängerung nicht umsonst bekommen werden. Am 31. Dezember 99 läuft die Betriebsvereinbarung zur übertariflichen Bezahlung aus und da muß der Gesamtbetriebsrat verhandeln … Ich denke, daß wir das zu einem Paket schnüren können …“

Mobilisierung und Widerstand

Die Pläne der Firmenleitung sind eine Ungeheuerlichkeit. Mit der Neugestaltung des Übertarifs sollen wir gegeneinander aufgehetzt werden. Besonders betroffen werden die Beschäftigten in den Gruppen E1- E8. Wenn die Pläne der Firma durchkommen, sind erhebliche Teile ihres Entgelts nicht mehr sicher. Viele IG CPK- Betriebsratskollegen sagen: „das können wir nicht verhindern“. Doch wir dürfen nicht verharren und auf das Unheil warten, sondern müssen handeln. Der Unternehmer muß Gegenwind spüren. Die Unruhe in den Betrieben muß auch in den Vorstandsetagen spürbar werden. Wer der Belegschaft so dreist in die Geldbörse greifen will, muß mit Konsequenzen rechnen. Die KollegInnen haben die Gewinne der Bayer AG erarbeitet. Mit weiteren Zugeständnissen schaffen wir keine Arbeitsplätze, sondern steigern lediglich die Gewinne des Unternehmens.

Kommentar

Unser Geld

Es geht um fast 400 Millionen Mark an jährlichen übertariflichen Zahlungen, die das Unternehmen in die eigene Tasche stecken möchte. Für uns Arbeitnehmer bedeutet der Raubzug der Bayer AG schon wieder Einschnitte in unser Leben. Die Tariferhöhungen der letzten Jahre lösen sich in „Nichts“ auf. In einigen Jahren sollen wir wieder in Käfigen gehalten werden. Bei überdurchschnittlichen Leistungen dürfen wir dann als Belohnung am Samstag abend die Lottoshow im Fernsehen anschauen. Der „Mitarbeiter des Monats“ ißt dazu die im feierlichen Rahmen überreichte Tüte Kartoffelchips.

Noch heißt dieses Horror- Szenario Science- fiction. Es liegt an uns, ob diese Schreckensbilder wahr werden. Für Bayer ist laut Mohr die jetzige Betriebsvereinbarung unbrauchbar und nicht mehr akzeptabel. Ziel ist, mehr „Motivation“. Es soll Einschnitte mit fairen Übergangslösungen geben. Entgeltleistungen sollen flexibel sein, das ist modern. Im ersten Jahr bekommt keiner weniger, später werden wir beim Übertarif mit dem Unternehmenserfolg „atmen“. Diese Aussagen von Mohr sind erschrekkend genug. Allein bei den Firmeneckwerten können wir schon viel Geld verlieren. Dazu kommen noch die verschiedenen Besitzstände, die auch zur Disposition stehen. Ob das jetzt der „Besitzstand Leistungssockel“ ist oder ein anderer, der weg soll. Zyniker behaupten schon: wenn uns nur noch der nackte Tarif bleibt, werden die monatlichen Abrechnungen wieder übersichtlich und nach vollziehbar sein.

Dies darf alles nicht geschehen, auch wenn der Betriebsrat immer öfter dazu neigt, unpopuläre Lösungen anzustreben.

 


Kommt zur Belegschaftsversammlung!
Donnerstag, 20. Mai
14.00 Uhr, Bayer Kasino