Kolleginnen und Kollegen für eine durchschaubare Betriebsratsarbeit

Bayer AG Leverkusen Februar 2000

Inhaltsverzeichnis

 

IG BCE: Ohne Entgeltforderung in die Tarifrunde

Hubertus Schmoldt (Vorsitzender der IG BCE) ist dafür, daß seine Gewerkschaft ohne Entgeltforderung in die nächste Tarifrunde geht: »Das halte ich für eine intelligente Lösung.« Wenn dies Wirklichkeit wird, ist es sogar für unsere Gewerkschaft ein starkes Stück.

Obwohl der Tarifvertrag erst Ende Mai ausläuft, soll die Entgeltforderung am 15. Februar vom Hauptvorstand beschlossen werden. Keiner spricht darüber, daß am 8. Dezember Gespräche über einen ganzen Katalog von geplanten Strukturveränderungen begonnen haben. Der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) setzte für die Tarifrunde 2000 schon Mitte letzten Jahres folgende Schwerpunkte:

Die Arbeitgeber wollen Verschlechterungen für all diese Bereiche. Sie vertreten die Auffassung, daß die Eingruppierungen in der chemischen Industrie zu hoch sind. Bayer will die Vorarbeiterfunkion abschaffen, die Erschwerniszulagen wird in Frage gestellt. Im November 1999 legte die IG BCE ihre Eckpunkte fest:

Die IG BCE will bei der kommenden Tarifrunde zu folgenden Punkten Veränderungen verhandeln:

Im Zusammenhang mit dem »Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit« kommen in diesem Jahr dazu:

Der Themenkatalog von Arbeitgeber und Gewerkschaft ist fast identisch. Aufgrund der neuesten Presseberichte, ist zu befürchten, daß die IG BCE ohne Entgeltforderung in die Tarifrunde geht. Das würde darauf hinauslaufen, daß über alle möglichen Verschlechterungen verhandelt wird und unser Geld die Verhandlungsmasse bildet.

Mitglieder nichts mehr wert?

Die Vorbereitung der Tarifrunde 2000 ist eine Aneinanderreihung von innergewerk- schaftlichen Skandalen und Verstößen gegen jegliches Demokratieverständnis.

Schon im Frühjahr 1999 gab es die ersten Sondierungsgespräche zwischen Arbeitgebern und der IG BCE Spitze. Themen da- mals: Billigtarifvertrag und Strukturverän- derungen. Ohne eine Diskussion unter den Vertrauensleuten, geschweige unter den normalen Mitgliedern zu führen, setzte die Bundesentgelttarifkommission in einem Treffen am 24. November 1999 die Eckpunkte für die Tarifrunde 2000 fest.

Wer gedacht hatte, diese würden jetzt in der Mitgliedschaft diskutiert, sah sich getäuscht. Statt dessen begann die IG BCE am 8. Dezember 1999 die Verhandlungen mit den Arbeitgebern über die »Weiter- entwicklung des Bundesentgelttarifver- trages«. Am 20. und 21. Januar wurden die Verhandlungen weiter geführt. Die Mitglie- der konnten das im Januar im IG BCE Magazin nachlesen. Zum selben Zeitpunkt bekamen die Vertrauensleute erste »Teilinformationen« per Flugblatt.

Die Ankündigung, daß der Hauptvorstand Mitte Februar die Forderungen zur Tarifrunde verabschieden will, hört sich dabei an wie ein makaberer Scherz. Was soll denn da verabschiedet werden? Etwa, daß unsere Gewerkschaft mit einer Null-Prozent-Forderung in die Tarifrunde geht?

Das ganze Verfahren zeigt, daß die Mitglieder für die IG-BCE-Spitze nichts mehr zählen.

Wir protestieren gegen diese Vorgehensweise!

Der Vorstand zerstört mit seiner innergewerkschaftlichen Politik das Vertrauen der Mitglieder und letztendlich die IG BCE.

Wichtige Veränderungen am Entgelttarifvertrag müssen in der Mitgliedschaft ausführlich diskutiert werden.

»Billigtarif«

Unter dem Punkt »Lösungen für Fälle einer möglichen Tarifkonkurrenz« versteckt sich der berüchtigte »Dienstleistungstarif«, auch »Billigtarif« genannt. Von »Dienstleistungstarif« wird nicht mehr gesprochen. Man redet jetzt von »Servicefenster« oder »betrieblichen Tariflösungen« für die Dienstleistungsbereiche. In den Unterlagen der Tarifkommission heißt es dazu:

Die Gewerkschaftsführung geht davon aus, daß ein »Billigtarifvertrag« für Dienstleistungsbereiche kommt, ja sie fordert ihn selbst als betriebliche Tarifregelung - und das - ohne Rückkopplung mit der Basis!

Weitere Entgeltgruppen

Die IG BCE strebt an, zwischen E5 und E6, E8 und E9, sowie oberhalb der jetzigen Entgeltgruppen neue Gruppen einzuführen. Ziel der IG BCE ist es, den Tarifvertrag für Gewerbliche nach oben zu öffnen. Dieses Ziel unterstützen wir. Es ist eine ständige Forderung in den Betrieben. Die Einführung zusätzlicher Gruppen halten wir dabei nicht für hilfreich. Auch wird nicht deutlich, mit welchem Entgelt diese neuen Gruppen ausgestattet werden sollen. Wir befürchten durch neue »Billiggruppen«, eine Einführung des »Billigtarifvertrages« durch die Hintertür. Neue Entgeltgruppen würden die Beschäftigten weiter aufspalten, dies zu verhindern und nicht noch zu fördern muß aber Ziel der gewerkschaftlichen Tarifpolitik sein. Berufsanfänger hätten einen längeren Weg vor sich - sie müßten mehr Gruppen durchlaufen, als bisher.

Neue Tätigkeitsbeispiele

Neue Technologien, Teamarbeit und Veränderungen werden in den jetzigen Tätigkeitsbeispielen nicht berücksichtigt. Keinesfalls dürfen die neuen Richtbeispiele die Bewertung der Entgeltgruppen herunter drücken. Neue Tätigkeitsbeispiele müssen absichern, daß erworbene Qualifikationen auch dann vergütet werden, wenn sie nicht ständig abverlangt werden. Höhergruppierungen dürfen nicht von der Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen abhängig gemacht werden, sondern müssen sich nach den abverlangten Anforderungen richten.

Angriff auf die Entgeltgarantie

Die Arbeitgebervertreter wollen die Entgelte in den Gruppen E1- E8 senken, angeblich sind sie nicht mehr wettbewerbsfähig. Es ist auch kein Geheimnis, daß sie die Entgeltgarantien in Frage stellen. Was schreibt nun die Tarifkommission dazu?

Diese Formulierung führt zumindest zu Stirnrunzeln. Sind die Entgeltgarantien kein Tarifentgelt? Warum will die Gewerkschaft neue »betriebliche Entlohnungssysteme« tariflich vereinbaren? Will die IG BCE jetzt auch die Nasenprämie im Tarifbereich? Beim Punkt »Veränderung der betrieblichen Entlohnungssysteme« geht es darum, daß ein Teil des Tarifentgeltes nur noch leistungsbezogen gezahlt werden soll. Dies wäre dann neben einer übertariflichen »Nasenprämie« auch noch eine tarifliche. Ein besonderer Herzenswunsch der Arbeitgeber, der zu weiterer Aufspaltung der Beschäftigten führt. Das Motto »jeder gegen jeden« darf nicht Einzug in die Tarifpolitik halten.

Unsere Vorstellungen von Tarifpolitik

Ein Tarifvertrag hat Schutzfunktion und sichert die kollektive Entgeltregelung für alle Beschäftigten in der chemischen Industrie ab. Bei der diesjährigen Tarifrunde muß der Schwerpunkt auf der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten liegen. Strukturveränderungen sollen nur verhandelt werden, wenn es Aussicht auf Verbesserungen gibt. Wenn das nicht der Fall ist, oder sogar die Gefahr besteht, daß »weitere Dämme brechen«, soll die Gewerkschaft eine »reine Entgeltrunde« führen. Bei der Entgeltforderungen haben wir folgende Vorstellungen:


An Kommentaren und Anregungen sind wir jederzeit intessiert. Die vollständigen Informationen über die Vorstellungen der IG  BCE zur nächsten Tarifrunde könnt ihr bei uns erhalten.

Unsere Vorstellungen

Im Zentrum von Strukturänderungen muß die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten stehen, deshalb:

  • Überführung der Entgeltgarantien in die gleiche Systematik wie bei E9 - E13 (Jahre in der Gruppe)
  • Gleichstellung bei Regeleingruppierung nach der Ausbildungsdauer
  • Bei 3,5 Jahren Ausbildung, Eingruppierung nach E7, Regelüberführung nach zwei Jahren in E8
  • Bei 3 Jahren Ausbildung, Eingruppierung nach E6, Regelüberführung nach zwei Jahren in E7
  • Bei 2 Jahren Ausbildung, Eingruppierung nach E5, Regelüberführung nach zwei Jahren in E6

Durch Veränderung der Richtbeispiele, muß die Durchlässigkeit aller Entgeltgruppen (un abhängig von der Ausbildung) ermöglicht werden.

Einer weiteren Aufspaltung der Belegschaft muß entgegengewirkt werden.

  • Keine weiteren Entgeltgruppen
  • Gleiche Höhergruppierungschancen
  • Keine leistungs- oder gewinnabhängigen Tarifbestandteile
  • Keine Verlagerung der Verhandlungen in die Betriebe!

Die Betriebsräte sind durch die Bindung an die gesetzliche Friedenspflicht in Ihren Möglichkeiten eingeschränkt. Es gilt die Regel »gemeinsam sind wir stark« und nicht jeder (Betrieb) für sich selbst.

Die Verschlechterungen der letzten Jahre müssen rückgängig gemacht werden. Die Absicherung von Arbeitsplätzen und Neueinstellungen von Langzeitarbeitslosen konnten damit nicht erreicht werden. Stattdessen wurden die Beschäftigten gespalten und unter Druck gesetzt, deshalb:

  • 13. Monatsgehalt wieder 100 Prozent
  • Wieder 100 Prozent für Neuanfänger
  • Abschaffung des Entgeltkorridors!

Wem nutzt die geforderte 2. und 3. Säule der Alterssicherung?

Überall ist heute die Rede davon, daß für ein gesichertes Auskommen im Alter eine 2. und 3. Säule der Alterssicherung notwendig ist. Gemeint ist betriebliche Alterssicherung und private Vorsorge. Das Problem ist nur, daß diejenigen mit niedrigen Rentenerwartungen den geringsten Spielraum für eine Zusatzversicherung haben.

Zwar spart fast jede zweite Frau für die private Vorsorge, aber wegen der niedrigen Verdienste können nur geringe Anwartschaften erworben werden. Wie sollen Teilzeitkräfte und andere GeringverdienerInnen oder Arbeitslose die langfristigen Beitragszahlungen sichern können? Der Versuchsballon bei der Bayer AG hat außerdem gezeigt, daß das Beitrags- Leistungsverhältnis für die Beschäftigten nicht sonderlich attraktiv ist; nur 8 Prozent Rücklauf waren eine Woche vor Zeichnungsschluss zu verzeichnen. Mit intensiver Werbung und einer Verlängerung der Zeichnungsfrist gelang es allerdings, die Beteiligung auf 16,4 Prozent zu steigern. Auch das Miesmachen der gesetzlichen Altersicherung und die Panikmache, daß ab 2000 die private Altersvorsorge versteuert werden sollte, wird einen Beitrag zu der deutlichen Rücklaufsteigerung geleistet haben. Mittlerweile ist die Besteuerung vom Tisch. Viele, die sich kurzfristig ohne große Prüfung zum Abschluss einer privaten Lebens- oder Rentenversicherung überreden ließen, bedauern dies mittlerweile und fühlen sich über den Tisch gezogen.

Die betriebliche Alterssicherung ist eine freiwillige soziale Leistung des Arbeitgebers, die es in vielen Betrieben gar nicht gibt. Da für die Zukunft prognostiziert wird, daß jeder bis zur Rente mehrmals den Arbeitgeber wechseln wird, kann von einer sicheren zusätzlichen Säule nicht gesprochen werden.

Der entscheidende Unterschied zur GKV ist, daß die Versicherten die Beitragslast weitgehend alleine tragen. Vor allem bei der privaten Lebensversicherung gehen die Beiträge 100 Prozent zu ihren Lasten. Auch bei den Betriebsrenten kann nicht (mehr) davon gesprochen werden, daß der Arbeitgeber sie überdurchschnittlich bezuschusst oder - wie früher bei der Bayer- Gesamtversorgung - es sogar eine vollständig betrieblich finanzierte Rente ist. Das Gerede von der 2. und 3. Säule der Alterssicherung schwächt die GKV, nutzt im Wesentlichen der Versicherungswirtschaft, entlastet die Arbeitgeber und bürdet die finanziellen Lasten der Vorsorge für das Alter immer stärker den Versicherten auf. Eine aktuelle Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, daß die von Bundesarbeitsminister Riester vorgeschlagene intensivere Eigenvorsorge unrealistisch ist. Vor allem Frauen bleiben auf die GKV angewiesen, nur 12 Prozent haben z. B. Anspruch auf Betriebsrente.

Wer profitiert von der Begrenzung der Rentenbeiträge?

Die Begrenzung der Rentenbeiträge bei gleichzeitiger Etablierung privater Altersvorsorge nutzt nur den Arbeitgebern. Bei den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung sind sie mit 50 Prozent dabei, bei der privaten Vorsorge zahlt der Versicherte alleine. Um den gleichen Versicherungsanspruch zu erwerben, muß er das zwei- dreifache bezahlen. Der Solidargedanke geht völlig den Bach ‘runter, denn eine private Lebensversicherung will schließlich Gewinn machen. Nur die Arbeitgeber profitieren von diesem Konzept, ihre Lohnnebenkosten werden reduziert. Die staatlichen Beiträge zur GKV können nicht angemessen geleistet werden, da die Unternehmer von Steuern entlastet werden müssen. Die Dummen sind die Rentnerinnen und Rentner, vor allem die zukünftigen, die sich entweder auf spätere und schlechtere, ihren Lebensstandard nicht mehr abdeckende Renten einstellen müssen oder persönlich (soweit sie es sich leisten können) sehr tief für eine private Zusatzversicherung in Tasche greifen müssen

Nicht Leistungen kürzen, Einnahmen erhöhen!

Aus unserer Sicht kann es nicht darum gehen, Leistungen zu kürzen, das Rentenalter bei 65 (oder sogar noch höher) fest zu schreiben und die angemessene Berücksichtigung von Erziehungszeiten weiter zu verzögern. Es muß darum gehen die Einnahmen der GKV zu erhöhen. Auch die Beitragsbemessungsgrenze kann kein Tabu sein. Kurzfristig würde ein erhöhter staatlicher Zuschuss zur Finanzierung der Fremdleistungen für Entlastung sorgen. Auf die Schonung von Gewinnen und Vermögenserträgen muß dann allerdings verzichtet werden. Darüber hinaus muß die Zahl der Beitragszahlenden erhöht werden. Wenn in der Schweiz z. B. jeder und jede Erwerbstätige in die GKV einzahlt, ist nicht einsichtig, warum bei uns so viele verschont werden. Das Wichtigste ist aber die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch aktive Arbeitsmarktpolitik und vor allem Arbeitsumverteilung durch Arbeitszeitverkürzung.

Finanzierung auf mehr Schultern verteilen!

Wir sind überzeugt, daß auch für die Zukunft die GKV und der Lebensstandard im Alter gesichert sind, wenn es gelingt, die Finanzierung auf viele Schultern zu verteilen. Nicht immer mehr Menschen verunsichern und in die privaten Versicherungen abdrängen sondern alle zu Beitragszahlenden (und natürlich Ansprüche Erwerbenden) machen; das muß die Devise sein. Wir wollen keine zunehmende Privatisierung der Alterssicherung und damit Entlassung der Arbeitgeber aus ihrer Verantwortung der hälftigen Finanzierung, sondern wir wollen eine Wiederbelebung und Stärkung des Solidargedankens. Uns wundert schon sehr, daß mittlerweile auch die Gewerkschaften intensiv Reklame für private Altersversicherung machen.

Wertschöpfungsabgabe einführen

Seit Maschinen in immer stärkeren Maße Menschen von den Arbeitsplätzen verdrängen, gibt es die Forderung nach einer Wertschöpfungsabgabe zur ergänzenden Finanzierung der Sozialversicherung. Kapitalintensive und i. d. R. finanzstarke Unternehmen sollen für den Abbau von Beschäftigung nicht auch noch dadurch belohnt werden, daß sie immer weniger in die Sozialversicherungen einbezahlen müssen. Wer durch Einsatz von Computern statt Menschen immer höhere Gewinne erwirtschaftet, soll weiter Sozialversicherungsbeiträge in Form einer Wertschöpfungsabgabe leisten. So kann nicht nur die Finanzierung der GKV gesichert werden, so können auch die Beitragssätze insgesamt gesenkt und damit arbeitsintensive Betriebe entlastet werden. Die Wertschöpfungsabgabe muß Bestandteil der Rentenreform werden. Berechnungsmodelle müssen dringend entwickelt werden.

Wie sehen Renten heute aus?

Die Rentenformel geht heute davon aus, daß der sogenannte Standardrentner nach 45 Versicherungsjahren eine Rentenniveau von rund 70 Prozent des durchschnittlichen Lebenseinkommens erreicht. Schon nach Plänen der alten Bundesregierung sollte gemäß den Vorschlägen einer Rentenkommission dieses Rentenniveau auf 64 Prozent gesenkt werden. Doch Hand aufs Herz, wer ist bzw. wird in Zukunft noch ein Standardrentner mit 45 Vollzeitversicherungsjahren sein? 1995 erreichten 40 Prozent der Rentner diese Hürde nicht. Schlimmer als Männer trifft es Frauen, 95 Prozent der Arbeiterinnen und 76 Prozent der weiblichen Angestellten bleiben z. T. weit unter den 45 geforderten Jahren. Die Folge sind niedrige Renten. Die eigene Versichertenrente lag nach Zahlen von 1992 bei knapp der Hälfte und die Hinterbliebenenrente immerhin bei 15 Prozent aller Frauen unter 600 DM. Nur 12 Prozent der Versicherten- und 20 Prozent der Hinterbliebenenrenten von Frauen lagen dagegen über 1400 DM. Die Streuung ist erheblich und die durchschnittliche Versichertenrente von 1859 bei Männern und 753 DM bei Frauen und die durchschnittliche Witwenrente von 1038 DM sagt über den tatsächlichen Lebensstandard im Alter wenig aus. Nur soviel ist deutlich eine Senkung des Niveaus um 6 Prozentpunkte ist schon für den Durchschnittsrentner und noch viel mehr für die Durchschnittsrentnerin nicht tragbar.

Verlängerung der Lebensarbeitszeit gleich Verkürzung der Lebenszeit

Rente ab 65 und später die flexible Altersgrenze von 63 bis 65, das gab es ja noch vor kurzem. Auch die Zeit, ohne immer frühere Frühpensionierungen sind noch in der Erinnerung. Uns hat sich aus dieser Zeit vor allem ein Spruch eingeprägt: »Nur jeder dritte Arbeitnehmer erreicht das normale Rentenalter. Ein Drittel stirbt vorher und das andere Drittel wird aus gesundheitlichen Gründen erwerbsunfähig.« Abgesehen von dem mit zunehmender Arbeitslosigkeit wichtigen Solidargedanken (Ältere gehen in Rente, damit Jüngere einen Arbeitsplatz bekommen) war und ist die Herabsetzung des Rentenalters unter diesen Gesichtspunkten ein ganz wichtiger Humanisierungsschritt. Oder sollte hinter dem Festhalten an der Rente ab 65 (oder sogar noch später) die makabere Hoffnung stehen, daß sich die Finanzierungsprobleme der Rentenversicherung dadurch von ganz allein lösen?

Grundrente oder Mindestsicherung?

Vorsicht vor der Begriffsverwirrung! Bei den Vorschlägen zur Rentenreform gilt es genau hinzusehen. In vielen Konzepten wird die Forderung nach Einführung einer einheitlichen Grundrente so verstanden, daß die darüber hinaus gehende Alterssicherung privat oder betrieblich zu finanzieren ist. Bei der Mindest- oder auch Grundsicherung geht es dagegen darum, jedem einen existenzsichernden Mindestbetrag zu garantieren, wobei auch weiterhin höhere Renten aufgrund erworbener Ansprüche gewährleistet sein sollen. Diese Konzepte wollen vor allem den von Altersarmut betroffenen Niedrigstrentnern und v. a. Rentnerinnen den Gang zum Sozialamt ersparen und ein Leben im Alter in Würde sichern.

 

Wichtig: Datenschutz

Keiner von uns weiß, in wieviel Datenbanken seine persönlichen Daten gespeichert sind. Wir haben uns an Scheckkarten und Krankenkassenkarten gewöhnt. Wenn wir mit der Scheckkarte einkaufen gehen, hinterlassen wir eine Datenspur: die Nummer der Scheckkarte, den Namen, die Höhe der Einkaufssumme und welches Produkt wir gekauft haben. Die Schufa und die Bank haben Daten, wie hoch wir verschuldet sind.

Die meisten unserer Daten verwaltet der Arbeitgeber. Er hat Informationen, wieviel Kinder wir haben, ob wir geschieden oder verheiratet sind, ob wir Kirchensteuer zahlen, bei welcher Krankenkasse wir versichert sind.

Die Bayer  AG hat über uns noch weitere Daten: ob wir ein PenkaDarlehen haben, oder die Höhe der Miete bei einer Werkswohnung. Bayer verfügt über unsere Lohndaten und gegebenenfalls Pfändungsdaten, unsere Leistungsbeurteilungen, weiß welche Ausund Weiterbildung wir haben, kennt unseren Arbeitsalltag am PC. Wenn es vereinbart wäre, könnte Bayer feststellen, wieviel eMails wir verschicken oder wie lange wir mit welchem Programm arbeiten. Und wenn wir im Bayer- Kaufhaus mit Ausweis bezahlen, läuft dies über unser Entgeltkonto.

Bayer könnte über unsere Lebensgewohnheiten ein Persönlichkeitsprofil erstellen. Zum Beispiel über Arbeitsbeginn und Arbeitsende am Montag oder Freitag, wann und was wir essen und wieviel Geld wir dafür ausgeben, unsere Arbeitsleistungen an den einzelnen Tagen, unsere Krankheitstage.

Mehr Datenschutz nötig

Datenschutz nimmt in unsere Gesellschaft einen Platz in der zweiten Reihe ein. Wo Daten gehortet werden entstehen Begehrlichkeiten, diese Daten zu mißbrauchen. Daten müssen geschützt werden, ob personenbezogene Daten der MitarbeiterInnen oder Geschäfts- und Wirtschaftsdaten der Bayer  AG. Der Arbeitgeber ist auf der Grundlage des Bundesdatenschutzgesetzes verpflichtet, unsere personenbezogenen Daten zu schützen.

Was sind personenbezogene Daten?

Adresse, Berufs-, Branchen oder Geschäftsbezeichnungen sind personenbezogene Daten. Sie gehören aber nicht zu den beson ders zu schützenden Daten. Adressen sind zum Beispiel im Telefonverzeichnis zu finden. Besonders zu schützende personenbezogene Daten sind unter anderem :

Erhebung und Verarbeitung von Daten

Im Betrieb regeln Arbeitgeber und Betriebsrat über Betriebsvereinbarungen, welche Daten erhoben und wie sie verarbeitet werden sollen. Zum Beispiel müssen Mitarbeiterfragebögen mit dem Betriebsrat vereinbart werden. Ebenso muß vereinbart werden, wer in einem Betrieb auf welche Personaldaten Zugriff hat. Um einem Mißbrauch durch den Arbeitgeber oder durch Hacker vorzubeugen, müssen Programme, Dateien über Zugriffsberechtigungen und Paßwörter gesichert sein. Um zum Beispiel bei der Personalbearbeitung unerlaubte Auswertungen zu verhindern, müssen Diskettenlaufwerke und andere Zugriffsmöglichkeiten gesperrt werden.

Folgende Regeln müssen bei der Datenerhebung und Datenverarbeitung im Betrieb beachtet werden:

  1. Daten müssen auf rechtmäßige Weise erhoben und verarbeitet werden.
  2. Sie müssen für den Zweck, für den sie erhoben werden, auch weiterverarbeitet werden.
  3. Sie dürfen nicht durch falsche Angaben erschlichen werden, der Betroffene darf nicht über den Zweck der Datenverarbeitung getäuscht werden.
  4. Die betroffene Person, muß die Einwilligung zur Verarbeitung der Daten geben.
  5. Daten aus denen ethnische Herkunft, politische Meinung, religiöse oder philosophische Überzeugung oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, Daten über Sexualleben und Gesundheit dürfen vom Arbeitgeber nicht gespeichert werden.

Datentransparenz

Die MitarbeiterInnen haben ein Recht auf Datentransparenz und können laut Bundesdatenschutzgesetz vom Arbeitgeber verlangen:

 

Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität gleich sichere Arbeitsplätze?

Das Chemieunternehmen Bayer will die Consumer Care Produktion im Werk Elkhart, Indiana (USA) schließen. Consumer Care Produkte sind z. B. Alka Seltzer oder Aspirin, die nicht verschreibungspflichtig sind. Die Produktion wird nach Pennsylvania, Mexico und Bitterfeld, Deutschland verlagert. Dort stehen hochmoderne Anlagen, die nicht ausgelastet sind.

Die geplante Schließung ist Ergebnis eines Konsolisierungsprozesses des Konzerns, der weltweit auch in anderen Sparten Produktionsstandorte stillegt. Ermittelt werden die Opfer durch das sogenannte Benchmarking, vergleichende Untersuchungen von Standorten. Benchmarking ist schon eine klassische Methode zur Ermittlung von Optimierungspotential und Synergien im Rahmen der weltweiten Umstrukturierungsmaßnahmen.

Wie in anderen Fällen, wurde auch in Elkhart noch bis zum letzten Moment durch Produktivitätssteigerung, Wettbewerbe und kontinuierliche Verbesserungsprozesse rausgeholt, was rauszuholen war. Und die Zahlen sahen gut aus: Umsatz- und Produktivitätssteigerung wurden in der Werkszeitung hervorgehoben und gelobt. Doch den Mitarbeitern nützte ihr Einsatz und Stolz auf »ihre« Produkte nichts.

Das Werk Elkhart besteht seit 1935 und war Hauptsitz der Firma Miles Inc., die 1883 dort gegründet wurde. Bayer kaufte Miles 1979 auf, um die Präsenz in den Vereinigten Staaten zu stärken. Der Name Bayer durfte nach dem 1. Weltkrieg in Nordamerika nicht mehr benutzt werden, da Aspirin und der Name Bayer von einer amerikanischen Firma erworben worden waren. 1994 ergab sich dann die Möglichkeit, den Namen mit einem Teil des Geschäftes für 1 Mrd. Dollar zurückzukaufen. Nach der Übernahme durch Bayer wurde bereits ein Werk in Mississippi geschlossen. Wie Elberfeld für Bayer ist Elkhart die Wiege von Miles. Es gibt nicht wenige Mitarbeiter, die vor der Bayerübernahme in Elkhart gearbeitet haben. Sie fühlen sich nun von der deutschen Firma besonders verraten.

Das Unternehmen, das in Elkhart vor kurzem noch ein neues Computersystem (SAP) und eine neue Telefonanlage für mehr als 4 Mio. Dollar eingeführt hat, stellt 550 Arbeitsplätze zur Disposition. Es hat mitgeteilt, vor Ablauf des Jahres 2000 keine personellen Maßnahmen vorzunehmen. Die »Abgänge« sollen dann durch Frühruhestand, Versetzungen und Entlassungen realisiert werden. Wie gut der Sozialplan ausfallen wird, hängt wie immer auch von der Stärke der Gewerkschaft ab. Die United Steelworkers of America Local 12273, die 320 von den betroffenen 550 Arbeitnehmern vertritt, organisiert walks und eine Demonstration gegen die Schließung. Ihre Forderungen sind:

Die Gewerkschaft will versuchen, eine Studie über die Auswirkungen der Stillegung erstellen zu lassen. Für die Kommune werden die Folgen verheerend sein.

Trudy Manderfeld, Vorsitzende der zuständigen Gewerkschaft in Elkhart an Kolleginnen und Kollegen hier in Deutschland:

»Ich weiß, daß das Problem in Elkhart unsere Angelegenheit ist. Aber wenn wir Arbeitnehmer nicht anfangen, über die Weltmeere hinweg Solidarität aufzubauen, kann das, was bei uns passiert, auch Euch geschehen.

Ich werde Bayer vielleicht nicht davon abhalten können, unsere Belegschaft fallen zu lassen, aber wir können zusammenarbeiten, damit es nicht auch bei Euch passiert. Da wir uns in einer globalen Wirtschaft bewegen, müssen wir uns auch als Arbeiterbewegung global organisieren. Wir müssen dafür sorgen, daß Unternehmen, die weltweit agieren überall die gleichen Standards haben. Dies würde ausschließen, daß Firmenentscheidungen aufgrund von niedrigeren Löhnen (mehr Gewinn) in bestimmten Regionen getroffen, oder Gewerkschaften ausgeschaltet werden. Bayer hat in den USA 52 Werke und nur sechs davon sind gewerkschaftlich organisiert. Ich möchte gerne nach Deutschland kommen, und mit Euch über ein möglichst gewerkschaftsübergreifendes Solidaritätskomitee für die Sicherung der Interessen der Arbeitnehmer sprechen. Dabei müssen wir auch die 3. Welt- Länder einbeziehen und sie nicht von »unseren« Unternehmen ausbeuten lassen. Das können wir nur gemeinsam erreichen.«

Übersetzte Mitteilung

Störungsfrei ins neue Millennium

Der Dank an die Beschäftigten: ein Fetzen Papier

Am 3. Januar stellte Bayer aktuell fest, daß der Konzern den Jahrtausendübergang ohne Probleme bewältigt hat.

»Fast 200 Millionen Euro wurden im Rahmen dieses Mammutprojekts in neue Geräte und umfassende Tests investiert«, heißt es weiter. Der Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dieses Ergebnis durch ihren Einsatz möglich gemacht haben, war dem Vorstand ein Dankschreiben von Dr. Schneider im Umfang von 16,5 Zeilen wert. Auch diejenigen, denen für den gelungenen Jahreswechsel Sylvester und/ oder Neujahr Extra- Einsätze abverlangt wurden, mußten sich mit diesen Dankesworten zufrieden geben. Für die Technik werden Millionen investiert, die man- power darf aber keinen Pfennig mehr kosten, als üblich.

 

Besitzstand Leistungssockel

Der Tag der Wahrheit kam zwei Tage vor Weihnachten. Über 18  000 Kolleginnen und Kollegen in den Bayer- Werken wurde schriftlich mitgeteilt, wie hoch der Abfindungsbetrag für den Besitzstand Leistungssockel ist.

Bei ca. 14  000 Kolleginnen und Kollegen war alles klar: 60 mal den derzeitigen Besitzstand Leistungssockel ergab die Abfindungssumme, davon die entsprechende Abzinsung abziehen und der Bruttobetrag blieb übrig.

Doch bei 4  000 anderen Beschäftigten sah die Sache anders aus. Sie wurden in den letzten Jahren umgruppiert, und haben noch Angesichts dieser Knauserigkeit von oben, griffen in manchen Betrieben Betriebsleiter, denen das Betriebsklima etwas wert ist, in die Tasche und orderten selbst Verpflegung. Sie waren allerdings die Ausnahme. Menschlich eingestellte Vorgesetzte sind anscheinend eine aussterbende Rasse, je mehr Technik, desto weniger Mensch. Im Rechenzentrum, wo etliche Kollegen den ganzen Neujahrstag damit beschäftigt waren, die Computer wieder zum Laufen zu bringen, gab es nichts. Dabei hatten etliche noch an das Gute im Chef geglaubt und mit einem Bufet, mindestens aber mit einigen Platten gutbelegter Schnittchen und leckeren Brötchen gerechnet. Nun, sie hatten sich verrechnet und mußten nach getaner Arbeit am späten Neujahrsnachmittag mit knurrendem Magen nach Hause gehen.

Stufensprünge in der Entgeltgarantie ihrer Entgeltgruppe vor sich. Diese Stufensprünge werden gegengerechnet und von der Abfindung abgezogen. Dies ist besonders tückisch, da die Sprünge in der Entgeltgarantie auf der Lohnabrechnung nicht auftauchen, und wer den genauen Monat sowie das Jahr seiner Umgruppierung nicht weiß, kann den Abfindungsbetrag nicht nachvollziehbar errechnen.

Wer Schwierigkeiten bei der Berechnung hat, sollte in jedem Fall die Personalabteilung oder den Betriebrat aufsuchen. Bisher gab es schon etliche Fälle, bei denen eindeutig falsch gerechnet wurde. Auch wenn unter dem Brief Bayer AG steht, muß der Inhalt noch lange nicht richtig sein.

Bei dieser Geschichte gibt es große und kleine Verlierer. Wer seinen Besitzstand/ Leistungssockel über die ganzen 60 Monate (ca. 4,6 Jahre wegen Jahresprämie) erhält und wenn der darüber hinaus noch recht hoch ist, z. B. 185 DM Abfindung, 11 100 DM, 6prozentig abgezinst, gleich 9400 DM, ist er der große Verlierer. Auf Dauer wird dieser Mensch monatlich auf 185 DM verzichten müssen, d. h. wenn er noch 30 Jahre arbeiten müßte, beliefe sich die Summe auf fast 72  000 DM.

Auch wenn es im ersten Moment nicht so aussieht, haben die Kolleginnen und Kollegen etwas mehr Glück, deren Abfindung wesentlich geringer ausgefallen ist, z. B. Gesamtabfindungsbetrag 88 DM, denn dann beträgt der Gesamtverlust nur 88 DM. Im Moment gibt es große und kleine Verlierer, aber im Frühjahr 2001 kommt das böse Erwachen, wenn zum ersten Mal nach dem neuen System die VEK- T vergeben wird. Dann zeigt sich, was die neue Vereinbarung in Mark und Pfennig wert ist.

Unsere Betriebsräte:

* Ersatzmitglieder
  Bereich Gebäude Telefon
M.- Erkan Bayraktar Kraftwerk Nord G 15 72224
Heike Bär* WD/ UWS W 15 21505
Frank Behrendt* ZT- TE E 41 23669
Joseph Daiminger Betriebsrat G 7 25878
Kasim Deve* LS- F/ TL Q 1 28580
Wolfgang Fleu* LS- P/ LDI U 24 57623
Marianne Hürten Betriebsrat 4815 21588
Herbert Janke Betriebsrat 4815 23638
Rainer Länder Betriebsrat 4815 22480
Werner Opitz CH- F P1 25289
Michael Prenzlow CH- IT P 21 53518
Peter Pütz Betriebsrat F 44 23969
Nikolaus Roth Betriebsrat W 4 25902
Elke Schmidt ZF- DAL O 13 25912

V. i. S. d. P.: Anneliese Milton * Lessingstraße 36- 38 * 50825 Köln * Telefon 0221/ 5594782
http:// www.soliserv.de
eMail: Durchschaubare@Link-Lev.de
Diskussionsforum:
/CL_REGIO/ RHEINLAND/ DURCHSCHAUBARE (in der Link- Lev und jeder guten Mailbox)

 

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