"Ruhrkohle hatte im Rechtsstreit mit Zwangsarbeitern Erfolg!" so überschrieb ein Artikel der Westfälischen Rundschau die Abweisung einer Klage. Ehemalige Zwangsarbeiter aus Polen, Russland und der Ukraine verklagen zur Zeit vor den Arbeitsgerichten in Dortmund, Essen und Herten die RAG auf Entschädigung. Darunter auch ein 74 Jahre alter polnischer Kumpel, der von 1943 bis 45 fast 2 Jahre auf der Zeche Ewald als Schlepper zwangsverpflichtet wurde. Er verlangte exakt 33 272,33 DM Entschädigung. Doch die RAG-Anwälte verneinten die "sachliche Zuständigkeit des Gerichtes". So wurde der Fall nun an das Landgericht verwiesen. Auch sei die RAG nach Stellungnahme ihrer Anwälte nicht die "richtige Beklagte" - Forderungen müßten vielmehr an den Staat gerichtet werden. Mit diesen rechtlichen Tricks feiert also die RAG "ihren Erfolg". Das ist ein Skandal! Ersteinmal ist der Ruhrbergbau nie verstaatlicht worden und damit ist die Ruhrkohle AG 1969 bei ihrer Gründung Rechtsnachfolgerin der alten Bergwerksgesellschaften und steht damit in der Verantwortung. Außerdem ist das Verhalten der RAG-Anwälte eine Verhöhnung der Schicksale der Zwangsarbeiter im Bergbau.
Die Koalitionsvereinbarung von Rot-Grün sieht zwar vor, eine "Ergänzung des geltenden Rechts zur Verbesserung der rentenrechtlichen Stellung von Zwangsarbeitern" in die Wege zu leiten, doch es ist nun Eile angesagt. Denn einerseits leben viele dieser ehemaligen Zwangsarbeiter am Rande des Existenzminimums, andererseits sind viele schon so alt und drohen somit ohne Wiedergutmachung zu sterben. Mit Letzteren kalkulieren die Vertreter aus Politik und Wirtschaft abgebrühterweise bei den aktuellen Verhandlungen.
Die RAG kann und darf sich ihrer Verantwortung nicht entziehen ! Auch wenn die Betriebsräte aufgrund der erneuten Stillegungsbeschlüsse zur Zeit andere Sorgen haben, aber auch sie müssen auf den RAG-Vorstand Druck ausüben und sich selbst an ihrer Haltung zur Entschädigungsfrage messen lassen!
Durch Augenzeugenberichte und Durchstöberung von Archiven kommen immer mehr Fakten (leider erst jetzt) über die Zwangsarbeit im Bergbau - aber auch etwas über den Widerstand während der Nazizeit - ans Tageslicht.
Im Dezember 1943 arbeiteten in den 50 Gesellschaften des Ruhrbergbaus
399 000 Menschen, rund 150 000 davon waren Zwangsarbeiter aus dem Osten. Sie wurden besonders in der zweiten Kriegshälfte "angefordert".
In Herten gab es zwischen 1940 und 1945 rund 4 600 Zwangsarbeiter, davon waren 3 450 auf der Zeche Ewald beschäftigt, 1 146 mußten auf Schlägel & Eisen arbeiten.
Die Zwangsarbeiter lebten häufig in Baracken außerhalb des Zechengeländes und wurden immer in Soldatenbegleitung zur Arbeit getrieben. "Sie durften sich nicht frei bewegen und hatten keinen Kontakt zur Bevölkerung" so ein Zeitzeuge. "In ihren miesen Unterkünften kriegten sie Wassersuppe, Kappes, Kohl und Runkeln zu Essen und ihr Leben bestand aus Arbeit bis zum Umfallen, wenig Essen und Durchfall." - "Manche haben versucht zu Anfang über Holzleitern im Fahrtenschacht abzuhauen", aber dann wurden die Schächte oben dicht verschlossen. Funde von Lagergeldscheinen, die nur innerhalb der Lager gültig waren, wiesen auch auf Zwangsarbeiter auf den Zechen General Blumenthal und König Ludwig in Recklinghausen hin.
Der allgemeinen menschenunwürdigen Behandlung setzten, wenn auch wenige Kumpel, Solidarität und Widerstand entgegen. Das waren meist im Untergrund arbeitende Sozialdemokraten und Kommunisten. So wurden den Gefangenen heimlich Salz, was diese dringend zum Überleben benötigten, zugesteckt. Einer weigerte sich, russische Zwangsarbeiter im Winter nackt über das Zechengelände zu jagen. Gegen einfache Bastelarbeiten und Seife wurde Brot, Kartoffeln und Gemüse getauscht. Aber es wurde auch aktive Sabotage betrieben. So wurden Steinbrocken zwischen den Gleisen untertage gelegt, so daß die Kohlenwagen entgleisten. Bei der Montage von Waggon-Achsen wurde Sand eingestreut.
Aber häufig konnte nicht verhindert werden, daß Aufsichtspersonen mit Gummiriemen auf die abgemagerten Zwangsarbeiter einschlugen, weil sie ihre Leistung nicht erbracht hatten. "Das schlimmste war, es gab auch Kumpels, die zugeschlagen haben, sogenannte Kumpels", sagte ein Zeitzeuge.