Fritz Stahl
Mannheim
14.2.2000

An Kollegen Klaus Volkert
Vors. des GBR VW

 

Lieber Kollege Volkertl

 

Als IG Metaller, wohl Rentner, erlaube ich mir diese Anrede.

Am letzten Freitag las ich im überregionalen Blätterwald über den Abschluß einer Vereinbarung zur Übernahme von Hunderten von Befristeten. Das ist sicherlich eine gute Sache. Glückwunsch!

Leider liest man in derselben Presse nichts über die seit Wochen andauernde Auseinandersetzung bei VW Uitenhage SA, nichts über Streik und Aussperrung, nichts über Massenentlassungen (1 300 plus 150 Suspensionen), nichts über die Hintergründe und die fundamentalen Spannungen innerhalb der Metallgewerkschaft NUMSA, nichts über die Position des GBR und die des Weltbetriebsrates.

Im letzten September hatte ich Gelegenheit, im Rahmen einer Reise (organisiert vom Internationalen Solidaritätskreis des DGB Heidelberg) durch Südafrika auch das VW Werk in Uitenhage zu besichtigen. An diesem Tag ist uns die tiefe Spannung zwischen Shop Stewards und der NUMSA vor Ort deutlich geworden. Jetzt ist diese Spannung vollends zum Ausbruch gekommen mit all den Folgen, die Dir sicher in allen Einzelheiten bekannt sind.

Nach all dem, was ich weiß, ist dieser Ausbruch nicht einfach dadurch zu erklären, daß da ein paar Wirrköpfe einen unverantwortlichen Streik vom Zaun gebrochen hätten. Die 13 noch im Amt befindlichen Shop Stewards hatten (und haben vermutlich noch) einen sehr starken Rückhalt in der Belegschaft und stellten über Jahre doch berechtigte Forderungen, wenn das auch den offiziellen Leitern der örtlichen und überörtlichen NUMSA - Führung nicht passte. Diese hat sich im Spagat zwischen Regierungsbeteiligung und Interessenvertretung eher auf die Seite des Unternehmens hinbewegt und dann entsprechend autoritär die Probleme mit den Unzufriedenen gelöst. Aber so kann Gewerkschaft nicht funktionieren.

Unlängst gab es eine recht interessante Sendung über die Errichtung eines Weltbetriebsrates bei VW, dessen Vorsitzender Du auch bist. Im Namen der Geächteten und Entlassenen möchte ich Dich inständig bitten bzw. Dich auffordern, alles zu tun, daß die Entlassenen alle wieder eingestellt werden. Sicherlich wird es nicht so ganz einfach sein, mal so auf die Schnelle eine Sitzung des Weltbetriebsrates in Uitenhage zu organisieren (es wäre möglicherweise das Beste). Aber Ihr solltet dabei mithelfen, daß ein brauchbarer Vermittler gefunden wird, der dort für eine akzeptable Lösung sorgen könnte. Und es ist äußerst wichtig, die hiesige Konzernleitung zu Verhandlungen zu bewegen. Es sieht so aus, daß mögliche Verhandlungen über die Wiedereinstellungen der Entlassenen von der Konzernzentrale blockiert werden.

Ich wünsche Dir / Euch Kraft für eine mutige Entscheidung zugunsten derer, die draußen sind.

Mit kollegialen Grüßen

(Fritz Stahl)

 


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