Anfragen und Reaktionen an Mag Wompel
Am Montag, den 26.1.98, haute die Nachricht rein wie eine Bombe. Im Info- Blatt der Opel-Personaldirektion Zaragoza an die Belegschaft heißt es: "General Motors hat eine strategische Entscheidung getroffen, daß die Bereiche der Fahrzeugfertigung vom Geschäftsbereich Chassis-Komponenten getrennt werden. Das bedeutet für Opel-Spanien, ... zusammen mit der Belegschaftsvertretung einen Weg zu suchen, den Bereich Chassis abzutrennen, ohne daß sich die Bedingungen für die Beschäftigten in dieser Halle verschlechtern ..."
Die Gewerkschaftsvertreter/Betriebsräte erklärten, es handele sich um eine europaweite GM-Entscheidung, die mit allen gewerkschaftlichen Mitteln, auch Streik, verhindert werden muß. Auch der GM-Euro-Betriebsrat müsse zusammengerufen werden.
In der "Chassis-Halle" in Zaragoza arbeiten 600 Kolleginnen und Kollegen (Produktion von Hinterachsen, Bremsscheiben u.a.), die alle (samt Meister) von der Fremdfirma (Delphi?) übernommen werden sollen. Laut Flugblatt der gewerkschaftlichen UGT-Mehrheitsfraktion sei dies ein Ergebnis der Template -Studie.
Seit Ende Januar gibt es in der spanischen Opel-Belegschaft eine Riesenunruhe:
Am 29.1. Marsch der Chassis-Belegschaft mit Pfeifkonzert durch die Fertig-und Endmontage.
Dienstag, 3.2.98 Protestversammlung der kompletten Frühschicht (ca.3.000 von 9.000 Beschäftigten) nach der Arbeitszeit vor der Verwaltung. Ähnliche Protestaktionen, Transparente, Aufkleber auch auf den anderen Schichten.
Immer lauter wird der Ruf nach Streik besonders im Chassis.
Am 10.2. neuer Verhandlungstermin zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat. Dieser verkündet dann, der Chassis-Verkauf sei bis Ende 1999 verschoben, Opel hätte also nachgegeben. Die Belegschaft aber reagiert äußerst skeptisch und fürchtet einen Beruhigungsversuch. Viele wiederholen die Forderung nach Streikaktionen und einer Beschäftigungsgarantie über das Jahr 2000 und den Corsa-Modellwechsel hinaus.
Wir bemühen uns um weitere Informationen aus Zaragoza. Über die Bedeutung dieser GM-Entscheidung für die anderen Werke in Europa muß die gesamte Bochumer Belegschaft informiert werden!
....daß über 2.000 Kolleginnen und Kollegen im Bremer Mercedes-Werk am Dienstag, 10.2.98, für eine Stunde die Arbeit niedergelegt haben, um gegen die mögliche Einbeziehung des Samstags in die Regelarbeitszeit zu protestieren?
...daß General Motors 600 Mio DM für eine 50%-Beteiligung am koreanischen Daewoo-Motors Konzern investieren will? Somit sichert sich GM nicht nur den Zugang zum Korea-Markt, sondern auch die Ausnutzung der Daewoo- Fabriken in Indien und in Osteuropa (Polen, Rumänien, Ukraine) Allerdings: der neue und kämpferische koreanische Gewerkschaftsverband KCTU hat diese Woche mit Streik gedroht, wenn die Regierung nicht das neue Gesetz zur Erleichterung von Entlassungen zurücknimmt. Die Arbeiterinnen und Arbeiter in Südkorea werden sich auch von GM nicht alles gefallen lassen...
Zwischen dem 19. und 21. Februar 1998: Abstimmung aller Gewerkschaftsmitglieder bei Opel/GM-Antwerpen über einen neuen "Standortvertrag"! Seit Anfang des Jahres sind die rund 7.000 belgischen Kolleginnen und Kollegen in heller Aufregung: "Verringerung der Belegschaft um 1.900! Einsparung von 100 Mio Dollar!" So die Forderung der GM-Bosse, verbunden mit der Angstmache: "Andernfalls ist das ganze Werk gefährdet!"
Die neue Erpressungsrunde war eingeleitet. In bekannter Weise lief das grausame Spiel ab: am 05.02.1998 verteilten die 3 im Opel-Werk Antwerpen vertretenen Gewerkschaften eine Vereinbarung zwecks Abstimmung unter allen Gewerkschaftsmitgliedern.
Gleichzeitig forderten die Gewerkschaftsvertreter zur Zustimmung auf, ausdrücklich mit dem Hinweis : "An anderen Opel-Standorten wurden noch viel schlimmere Schritte festgelegt! ... Es ist deutlich, daß unsere Verhandlungen unter sehr schwerem Druck durch den in der vorigen Woche in den deutschen Opel-Werken abgeschlossenen Standortvertrag II standen!"
Die wichtigsten Abstimmungspunkte und -ergebnisse:
Statt wie bisher 11 Schichten a 10 Stunden innerhalb von 3 Wochen standen 2 Modelle zur Abstimmung. Zum einen 5 mal 8 Stunden pro Woche in Früh/Spät- Wechselschicht und fester Nachtschicht. Zum andern ein kompliziertes Modell von 4 mal 9 Stunden wöchentlich. 93,5% der Belegschaft stimmte für das erste Modell. Die fürchterlichen 10- Stunden-Schichten sind damit als Regel-Arbeitszeit weg. Der Vorteil für Opel-GM: die belgische Belegschaft arbeitet jetzt im Durchschnitt mehr Stunden pro Woche. (38 statt 36,66). Laut offizieller Angabe soll mit diesem Modell ein Belegschaftsabbau um 1.706 Arbeiter/ innen und Angestellte erreicht werden, davon 640 in ein neues "Werk III" (dazu siehe unten).
Abstimmung über "Restrukturierung Opel-Antwerpen"
Flexibilisierung der Arbeitszeit saisongebunden und bei Produktionsverlusten- oder ausweitung
Lohnsenkung bis 20% im Falle von Neueinstellungen
640 Kolleginnen und Kollegen der Materialabteilung werden in ein neues, 100% GM gehörendes "Werk III" auf dem Gelände der Antwerpener Opel-Fabrik ausgelagert. Hier Neueingestellte sollen bis zu 25% weniger verdienen.
"friedlicher" Belegschaftsabbau durch Abfindungsprogramme: ab 55 Jahren sollen Mitarbeiter/innen ausscheiden (noch 79) bei bis zu 20% Einkommensverlust. Ab 52 Jahren Abfindung möglich (noch ca 1.100), mit ca einem Drittel Lohneinbuße, einschließlich Arbeitslosengeld. Finden sich nicht genug "Freiwillige", dann müssen entsprechend viele von den ca. 1.000 noch befristeten Kolleginnen und Kollegen gehen... Abstimmungsergebnis: 59,85% stimmten diesen Maßnahmen zu, unter großer Angst und Unsicherheit, wie uns belgische Kollegen berichteten. Die andere Alternative hieß eindeutig: wer nein sagt, ist für Streikvorbereitung. Für Streik stimmten 31,45%! (Zwei Drittel wären laut Info der Gewerkschaften dazu erforderlich gewesen).
Nun hat also auch die Belegschaft in Antwerpen ihren "standortsichernden" Vertrag.
Ähnlich wie hier in Deutschland hat man sich auch dort für das "kleinere Übel" entschieden. Allerdings haben über 31% der Belegschaft gegen die Vereinbarung und für Streik gestimmt - viele Menschen haben wohl erkannt, daß das Opel-Management die verschiedenen Belegschaften zum Spielball ihrer Interessen machen will. Nicht von ungefähr wurde der Zeitplan so gelegt, daß wir zunächst unsere Standortvereinbarung bekamen, um anschließend den Belgiern einen ähnlichen Vertrag - mit dem drohenden Zeigefinger in Richtung deutscher Produktivität - abzupressen.
Welche Rolle spielt eigentlich der Euro-Betriebsrat bei dieser Inszenierung? Theoretisch existieren doch alle Möglichkeiten, die Angriffe des Managements durch internationale Zusammenarbeit abzuwehren.
Gerade in den europäischen Autofabriken sind wir in großer Zahl gewerkschaftlich organisiert. Alle Gewerkschaften in den Opel/GM Werken haben die Gründung des Euro-Betriebsrats als wichtigen Schritt begrüßt. In der Praxis jedoch ziehen die Betriebsräte meistens die Grenzen falsch, nämlich zwischen den Belegschaften statt zwischen allen Beschäftigten einerseits und der Opel/GM Zentrale andererseits. Solche Betriebsräte versuchen dann argwöhnisch, "ihre" Belegschaft "konkurrenzfähiger" zu machen. Die Opel/GM-Aktionäre bleiben lachende Dritte...
So war z.B. den übrigen Euro-Betriebsratsmitgliedern völlig unbekannt, daß deutsche Betriebsräte 10 Monate lang mit dem Opel-Management über den Standortsicherungsvertrag verhandelten.
Die jetzigen Vertragsverhandlungen in den einzelnen Ländern zeigen aber, daß eine gewerkschaftliche Kooperation auf internationaler Ebene wichtiger denn je ist. Es erscheint geradezu grotesk, daß kleine Arbeitskreise (wie der unsrige) in akribischer Kleinarbeit Informationen zu Tage fördern müssen, wo doch ein offizielles Gremium wie der Euro-Betriebsrat diese Informationen mit minimalstem Aufwand beschaffen und in den Werken verteilen könnte.
Aber auch ein gut funktionierender Euro-Betriebsrat fällt nicht vom Himmel, sondern muß von den Belegschaften erstritten werden. Der Druck, eine alle Standorte einbeziehende Politik zu betreiben, muß in den einzelnen Werken so groß werden, daß sich kein Betriebsrat vor ihm verschließen kann. Schließlich brauchen wir einen starken international ausgerichteten Betriebsrat und keine Regieassistenten.