Schröders Bündnis für Arbeit - Wunderwaffe oder Erpressungsfalle? Kommentar des Gewerkschaftsforums Hannover

Wenn ArbeiterInnen, Angestellten und Erwerbslosen hierzulande mit dem sogenannten "Bündnis für Arbeit" weitere Einschnitte abverlangt und als unausweichlich verkauft werden sollen, wird gerne das holländische Poldermodell und das Musterland des Kapitalismus – die USA – mit ihren sogenannten Beschäftigungswundern als glorreiche Beispiele präsentiert. In der Tat sind Begriffe wie "Lean production", "outsourcing", "deregulation" und "shareholder value" nicht zufällig in den USA geprägt worden. Und so wie die NAFTA die Produktionsverlagerungen in die Dumpinglöhne zahlenden Schwitzbuden der "maquiladora"-Industrie im Norden Mexikos massiv ausgeweitet hat, zeigen auch hierzulande die "Marktliberalisierungen" des EU-Binnenmarktes, der sogenannte Stabilitätspakt und die durch den Euro zementierten Wechselkurse ihre nachhaltigen Auswirkungen auf das – wie Schröder betont – nur im strikten "Konsens" mit den Unternehmern auszuhandelnde Bündnis für Arbeit.

Dem Krieg nach außen folgt die Kriegserklärung nach innen. Gerhard Schröder hat nach der verlorenen Europawahl erklärt, er wolle die "gute" Außenpolitik in der Innenpolitik fortsetzen. Was damit gemeint ist, läßt sich an dem Diskussionsstand des sogenannten "Bündnis für Arbeit" und dem "30-Milliarden-Sparpaket" abschätzen. Neben tariflichen Nullrunden, Niedriglohnsektoren und Flexibilität ohne Ende wird es ein Einfrieren der Renten, massive Kürzungen bei den Bundeszuschüssen zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung von Arbeitslosen, BSHG-Kürzungen, Umstellung der Staatsdarlehen beim Bafög auf Bankdarlehen, Einstieg in die Privatisierung der Altersvorsorge geben. Auch die Gesundheitsversorgung wird weiter zusammengekürzt. Gleichzeitig werden die Steuersätze im Sinne der "Schröderschen" Wettbewerbsfähigkeit für die Großkonzerne gesenkt.

Auch innenpolitisch beginnt also die "rot-grüne" Regierung dort, wo die Regierung Kohl aufgehört hat: Umverteilung von unten nach oben! Durchsetzen läßt sich diese Politik nur, wenn Widerstand dagegen von vorne-herein verhindert wird. Deshalb predigen Schröder und sein Vorbild Blair eine Gesellschaft, in der jeder mit jedem konkurriert, statt soziale Sicherungen in Anspruch zu nehmen. Blair braucht sich zur Zeit um gewerkschaftlichen Widerstand keine besonderen Sorgen zu machen. Der wurde bereits unter Mrs. Thatcher gebrochen. Die DGB-Gewerkschaften, denen Schröder zum Teil seinen Wahlsieg verdankt, werden sich entscheiden müssen, ob sie eine Politik der Umverteilung, des Lohnraubs und des Sozialabbaus mittragen und sich damit selbst aufgeben wollen oder ob sie den Widerstand organisieren. Unzumutbare betriebliche Bündnisse gibt es zuhauf. Der gewerkschaftliche Widerstand ist nicht nur auf das "Bündnis für Arbeit" zu beschränken, sondern muß auch auf den "rot-grünen" Modernisierungsprozeß ausgeweitet werden. Auf jeden Fall werden wir gut beraten sein, wenn wir nicht auf ihn warten.

Erschienen in: express 8/99