Das Internet macht die Welt sprichwörtlich zu einem globalen Dorf. Doch obwohl der Kapitalismus im Zeitalter der Netzwerkgesellschaft "die Welt zusammenbringt", bedeutet dies noch lange nicht, daß Kommunikation und darauffolgendes Handeln auch auf Arbeitnehmerebene stattfindet. Fast jeder kennt McDonalds, doch eine weltweite Organisation der Mc-Beschäftigten ist noch lange keine Realität.
Das liegt zum einen an der Struktur der weltweiten Kommunikation, zum anderen aber auch an tradierten Gewerkschaftsstrukturen. Das Internet ändert sich ständig. Informationsknoten im Netz erscheinen und verschwinden, und die Kommunikation zwischen den Knoten nimmt keinen vordefinierten Weg. Die Information muß nicht von irgendeiner Stelle freigegeben werden, bevor sie weitergegeben werden darf, und was mit ihr schließlich geschieht, hängt von den sendenden und empfangenen Knoten1 ab. Im Gegensatz dazu stehen die offiziellen Gewerkschaften und ihre Strukturen. In den offiziellen gewerkschaftlichen Strukturen ist die Ansicht verbreitet, daß eine Auseinandersetzung nur erfolgreich sein kann, wenn sie von oben "organisiert" wird. Welche Information wohin geht wird daher normalerweise im voraus und von oben definiert. Der Informationsfluß, wenn man diese Strukturen mit einem, in diesem Falle statischen, Netzwerk vergleichen möchte, verläuft hauptsächlich in eine Richtung. Diese Gewerkschaftsstrukturen sind im allgemeinen hierarchisch und widerspiegeln den Kapitalismus des 19. Jahrhunderts, zu dessen Bekämpfung sie aufgebaut wurden. Am Ende des 20. Jahrhunderts haben viele dieser Pyramiden ihre Basis verloren oder sind gerade dabei, sie zu verlieren. Zudem wird durch die Globalisierung von Einkauf, Produktion und Vertrieb durch die Arbeitgeber zunehmend unmöglich, unsere Stellung innerhalb der Grenzen eines Nationalstaates zu verbessern oder sogar zu verteidigen. Internationale Zusammenarbeit und Solidarität, aber auch neue Kommunikationsformen, sind unerläßlich geworden.
Computerkommunikation war und ist für die Arbeitgeber ein äußerst wichtiger Bestandteil des Globalisierungsprozesses. Heutzutage haben wir es zunehmend mit virtuellen Unternehmen zu tun, die in verschiedenen Teilen der Welt eine Basis haben. Diese virtuellen Unternehmen existieren für ein befristetes Projekt, werden anschließend zerlegt und wieder neu zusammengestellt. In einer Netzwerk-Gesellschaft müssen auch wir uns auch vernetzen. Wenn wir nicht unbeteiligte ZuschauerInnen bleiben oder gar Opfer werden wollen, müssen wir lernen, diese Arbeitsweise zu kopieren, d.h. uns selbst zu vernetzen, wenn auch etwas anders, als es die Bosse tun.
Wir können der Macht der multinationalen Konzerne nur gegenübertreten, wenn wir diese Technologie voll ausnutzen. Durch das Internet ist es für Gewerkschaftsaktivisten möglich, mit anderen zu kommunizieren, ohne jegliche Behinderung von Gewerkschaftsfunktionären. "Offizielle Kanäle" gehören damit potentiell der Vergangenheit an. Die neuen Kommunikationsformen und Arbeitsweisen sind nicht hierarchisch und stehen daher im Widerspruch zu den gegenwärtigen Arbeitsweisen der Gewerkschaften. Die gewerkschaftlichen Strukturen des 19. Jahrhunderts müssen also geändert werden, um dem geänderten, vernetzten Kapitalismus begegnen zu können. Doch es fällt den offiziellen Gewerkschaften schwer, ihre Mitglieder zu ermutigen, selbständig zu denken und zu handeln - und sich auf ihrer Ebene international zu vernetzen.
Wenn aber etwas aus der jüngsten Auseinandersetzung der australischen MUA, dem Liverpooler Dockers Streik oder den Vorbereitungen zu einem koreanischen Generalstreik zu lernen ist, dann, daß inoffizielle Basisaktivitäten ermutigt und nicht entmutigt werden müssen. Die Besitzer der "Columbus Canada", ein Schiff, das von Streikbrechern während des "Krieg an den australischen Häfen" geladen wurde lernten dies auf ihre Kosten. 16 Tage lang mußte das Schiff auf See bleiben, weil keiner in den USA bereit war, das Schiff zu entladen. Das Schiff mit samt seiner Ladung mußte zurückgeschickt werden. Der Firma entstanden Kosten in Höhe von 10 Mio. Dollar. Außerdem hatte sie zusagen müssen, von einer Anklage gegen die ILWU1 und die Mitglieder der Gemeindegruppen abzusehen, die vor dem Hafen Streikposten aufstellten.
Diese Erfolge, auch diejenigen bei den zwei Aktionstagen der Liverpooler Dockers, waren möglich, weil im LabourNet gewissermaßen als eine Spinne im weltweiten Netz die Informationen aus den einzelnen Ländern gesammelt, zur Verfügung gestellt und damit die Kommunikation der Gewerkschaftsaktivisten untereinander ermöglicht wurde.
LabourNet begann als eine Site3, die den Streik der Liverpooler Dockers unterstützte. Sie begann mit einem Zweimann-Unterfangen und berichtete auch nach dem Streik weiterhin über viele Aktivitäten der ArbeiterInnenbewegung. Mittlerweile sind vier neue LabourNets gegründet worden, in Korea, in Kanada, eines in der spanisch sprachigen Welt und eines hier in Deutschland. Ein neues LabourNet wird in den Niederlanden erwartet. Immer noch wird diese gewerkschaftliche Arbeit von denjenigen, die sie leisten, finanziert. In Hinterzimmern und in Wohnzimmerecken, von Leuten, die öfter erwerbslos als in Arbeit sind, wird Kommunikation für die ArbeiterInnenbewegung initiiert und manchmal koordiniert, es werden Webseiten entworfen, geschrieben und veröffentlicht. Vergeblich wird man nach einer parteipolitischen Linie unter uns suchen. Manche von uns haben einen journalistischen Hintergrund, doch in der Mehrzahl haben wir unsere Erkenntnisse über HTML4 und das "World Wide Web" über praktische Erfahrung erworben. Unser gemeinsames Ziel ist es, das größtmögliche internationale Netzwerk für die ArbeiterInnenbewegung zu schaffen.
Wir möchten mit anderen Kommunikationsnetzwerken der ArbeiterInnenbewegung, sowohl innerhalb als auch außerhalb des APC5 zusammenarbeiten, um dieses Ziel zu erreichen. LabourNet kooperiert z.B. eng mit der APC-Schwesterorganisation, LaborNet, um eine internationale Kommunikation zwischen ArbeiterInnen zu fördern. Zusammen können wir eine Alternative zu den vom Kapital kontrollierten Medien und seinen Staatsorganisationen aufbauen, und daran arbeiten, deren einseitige Ausrichtung und Verdrehungen zu kontern. Deswegen unterstützen wir auch die Kampagne gegen ENFOPOL6, ein Vorhaben der EU, eine Totalüberwachung des Internet einzuführen.
LabourNet arbeitet auf Basisebene, d.h., es erfolgt eine Koordination zwischen den Beteiligten, meist über e-mail, jedoch nicht in dem Sinne, daß Streiks koordiniert würden, sondern eben der Informationsaustausch über die Website. Das sind in der Regel Informationen, die nur sehr schwer in den Medien zu finden sind der "Krieg in den australischen Häfen" oder der koreanische Generalstreik sind zwei Beispiele.
Jedoch muß diese Information auch gelesen werden. Sie wandert nicht automatisch auf den Schreibtisch von Aktivisten aus der ArbeiterInnenbewegung. Diese müssen sie abholen, oder, um dies etwas anders auszudrücken, sie müssen ein Interesse daran haben und bereit sein, diese Informationen zu suchen und weiterzuverbreiten. Kommunikation setzt nicht nur voraus, daß Sender und Empfänger miteinander kommunizieren wollen sie müssen es auch können: technisch wie inhaltlich. Obwohl Englisch als internationale Verständigungssprache gilt, kann nicht jeder diese Sprache sprechen und vor allem schreiben. Was man von Angesicht zu Angesicht noch hinbiegen kann, ist viel schwieriger, wenn man es schreiben muß. Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, daß sich nicht alles so einfach übersetzen läßt. Andere Länder, andere Sitten. Wie erklärt man z.B. einem Amerikaner in einfachen Worten, was ein Betriebsrat ist? Auch innerhalb Europa sehen Funktionsweise, Kompetenzen und Rechte zum Teil ganz anders aus. Jedes Land hat zudem eine andere Kultur. Der Kapitalismus hat sich zwar fast überall durchgesetzt. Es wäre dennoch falsch anzunehmen, daß damit auch weltweit eine ArbeiterInnenkultur verbunden ist. Schließlich ist es nicht immer selbstverständlich, "gemeinsame Interessen" überhaupt zu erkennen.
Denn der nächste Punkt ist, was die Aktivisten mit der Information machen. Nehmen wir als Beispiel den australischen "Krieg in den Häfen". Wir begannen eine Kampagne für die dortigen Werftarbeiter, in der wir zunächst Informationen über die Geschehnisse in Australien veröffentlichten und, als diese bekannt wurden, darüber, was die Werftarbeiter an Unterstützung, vorrangig aus den USA, bekamen und brauchten. Diese Information können weiterverbreitet werden, zum Beispiel in die "Newsgroups" oder privat. Der entscheidene Punkt war und ist jedoch, daß diese Informationen es kämpfenden Gewerkschaftern ermöglichen, Kontakt miteinander aufzunehmen. Was sie dann tun, ist ihre Sache. Unser Interesse ist dann, die daraus enstehenden Aktivitäten als Beispiel und Ermunterung für andere bekanntzumachen.
Um die Kommunikation zu verbessern, muß die Struktur des LabourNet erweitert werden. Neben der internationalen Seite (http://www.labournet.org/) gibt es daher immer mehr nationale Seiten. Sie alle sind über diese Hauptadresse erreichbar. Die deutschsprachige Site ist unter einer direkten Adresse zu finden: http://www.germany.labournet.org/
Gegenwärtig wird LabourNet Germany von uns beiden nach Feierabend und am Wochenende gemacht und von uns privat finanziert. Wir verstehen uns als virtueller Treffpunkt der Gewerkschafts- und Betriebslinken. Informationen über aktuelle Arbeitskämpfe sind hier ebenso zu finden wie immer mehr oppositionelle Betriebszeitungen sowie Diskussionsbeiträge. International wichtige Informationen bemühen wir uns zu übersetzen zumindest in Kurzfassung. Unser Ziel ist die Stärkung gewerkschaftlicher Bewegung, aber auch Demokratisierung durch die Verwendung von Computertechnologie.
In erster Linie machen wir Belange und Auseinandersetzungen der Bewegung bekannt, die sonst wenig oder kein Gehör in den Medien finden. In dieser Hinsicht könnte unsere Arbeit als Solidaritätsarbeit und Informationsarbeit verstanden werden. Dennoch ist das nicht alles. Unsere Veröffentlichungen sollten die Lesenden dazu animieren etwas mit der Information anzufangen. Hier ist nicht nur Solidarität gefragt. Wir hoffen, daß mehr daraus entwickelt wird: z.B. Informationsautausch, Zusammenarbeit, Meinungsaustausch oder sogar Nachahmung.
Die Grenze zwischen Vermittlung und Teilnahme ist hier fließend. Welche Information weitergegeben wird oder veröffentlicht wird, welche Kontakte vermittelt werden, beinhaltet implizit unseren eigenen Standpunkt. Daß wir vorrangig Basisaktivitäten unterstützen, ist eine bewußte politische Entscheidung. Daher kann man auch von Teilnahme sprechen. So bekommen wir oft Anfragen, z.B. in Fällen von Auseinandersetzungen, ob wir Kontakte herstellen könnten. Um nur ein Beispiel zu nennen: nach der Veröffentlichung zu einer Auseinandersetzung bei einem Teil von Manesmann in den USA wurde bei uns angefragt, ob wir Kontakte dorthin hätten bzw. ob die Auseinandersetzung noch aktuell wäre.
Wir veröffentlichen außerdem Dokumente zu verschiedenen Fragen der Bewegung (z.B. Zukunft der Arbeit; Verdi-Gewerkschaft, Arbeitsbedingungen, Kapitalstrukturen). Hier geht es um eine Diskussion und eine mögliche Meinungsbildung sowohl hier als auch international.
Zur Zeit dokumentieren wir gewerkschaftliche Opposition zum Kosovo-Krieg. Dafür haben wir eine Site innerhalb LabourNet Germany aufgebaut. Die Site fing mit ein paar Aufrufen und einem Artikel von Chomsky an. Seitdem kommen Artikel von KollegInnen an, und nicht nur aus Deutschland. Und die Sammlung ist mittlerweile beachtlich geworden. Vor kurzem schrieben wir einen Artikel dazu für LabourNet UK, weil die Opposition hier beeindruckend wirkt und in Großbritanien fast gänzlich verschwiegen wird. Der Sinn war, auf Nachahmung bzw. Ermunterung hinzuwirken.
Ob andere dadurch diese Beispiele nachahmen oder selbst Aktivitäten enfalten, können wir nicht sagen. Wir registrieren das rege Interesse an diese Seiten und freuen uns selbstverständlich, wenn es dazu führt, daß die Opposition wächst. Unsere Arbeit ist aber auch in zweifacher Hinsicht als ein Angebot zur aktiven Mitarbeit verstehbar:
Einerseits sind Freiwillige aus der ganzen Welt willkommen, die Zugang zum Internet haben und bei LabourNet mitarbeiten wollen. Wir haben keinen Mangel an Arbeit, und es gibt immer wiederkehrende, aber notwendige Arbeiten zu erledigen, bei denen wir Hilfe brauchen: übersetzen, einscannen u.v.m.
Andererseits bieten wir allen Betriebsgruppen und -zeitungen ein Forum zur Verbreitung ihrer Informationen auch international an. Hierfür müssen diese lediglich an uns gesandt werden. Schließlich bieten wir aber auch Platz auf dem Server für Gruppen an und helfen ihnen gerne!
LabourNet ist durch Offenheit gekennzeichnet. Jeder und jede kann etwas beitragen. Die einzigen Forderungen, die wir an zu verbreitende Informationen stellen, ist, daß sie genau und wahr sind. Eine Diskussion über veröffentlichte Artikel ist dabei ausdrücklich gewünscht und wird demnächst technisch unterstützt. Denn wir wollen Kommunikation nicht nur fördern, sondern sie provozieren!
david.hollis@erlangen.netsurf.de
MAG.WOMPEL@koma.free.de