Geschäftsnummer:
6 Sa 1244/99
6 Ca 2528/99
ArbG Düsseldorf

Verkündet
am: 30.11.1999
gez.:

LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

des Herrn Klaus Specht,
- Kläger und Berufungskläger -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Beil u.a., Mühlenstr. 3, 40213 Düsseldorf,

g e g e n

die Mercedes Benz Lenkungen GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Norbert Fülling, Rather Straße 51, 40476 Düsseldorf,

- Beklagte und Berufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigte: Assessoren Schmidt u. a., i./Arbeitgeberverband Metall- und Elektroindustrie. Düsseldorf und Umgebung e. V., Achenbachstraße 28,40237 Düsseldorf,

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche, Verhandlung vom 30.11.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Roden als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Franzen und die ehrenamtlichen Richterin Wiese

für R e c h t erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 13.07.1999 - 6 Ca 2528199 - abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 16.04.1999 nicht aufgelöst worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der 1957 geborene Kläger ist seit Juli 1984 bei der Beklagten als Schlosser beschäftigt. Er gehört dem im Betrieb aus 15 Mitgliedern bestehenden Betriebsrat an.

Mit Schreiben vom 16.04.1999 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger mit Zustimmung des Betriebsrats fristlos, nachdem der Kläger während einer außerordentlichen Betriebsratssitzung am 09.04.1999 sein Diktiergerät bei den Ausführungen der Arbeitgeberseite etwa eine halbe Stunde lang eingeschaltet hatte, um diese Ausführungen auf Band aufzunehmen.

Die auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 16.04.1999 gerichtete Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht durch Urteil vom 13.07.1999 - 6 Ca 2528/99 - im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe durch die Tonbandaufnahme am 09.04.1999 den Straftatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 STGB erfüllt und damit rechtswidrig und schuldhaft nicht nur seine Amtspflicht als Betriebsratsmitglied, sondern auch seine arbeitsvertraglichen Pflichten schwer wiegend verletzt, was nach der Interessenabwägung auch ohne vorausgegangene Abmahnung den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung rechtfertige.

Zur näheren Sachdarstellung und wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Streitstandes wird im Übrigen auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der er sein Klageziel unverändert weiterverfolgt.

Er macht geltend, das Arbeitsgericht habe bei der Prüfung des wichtigen Kündigungsgrundes die Gesamtumstände des Falles nicht zutreffend gewürdigt und auch im Rahmen der Interessenabwägung die zu seinen Gunsten sprechenden Aspekte unberücksichtigt gelassen.

Den die Kündigung auslösenden Sachverhalt stellt der Kläger wie folgt dar:

Auf der Tagung vom 08. und 09.04.1999 habe dem. Betriebsrat ein seit längerer Zeit diskutiertes neues Vergütungssystem von der Arbeitgeberseite vorgestellt werden sollen, das in anderen Betrieben des Konzerns mit gewissen Differenzierungen bereits eingeführt worden sei. Eine besondere Vertraulichkeit oder Geheimhaltungsbedürftigkeit des Tagungsthemas über die Einführung eines neuen Entgeltsystems sei für ihn entgegen der Darstellung der Beklagten nicht erkennbar gewesen. Am Morgen des 09.04.1999 habe er bei den Ausführungen des Arbeitgebervertreters sein Diktiergerät mitlaufen lassen, um eventuelle Verständnisschwierigkeiten, wie sie sich für ihn bereits am Vortage in diesem Gremium herausgestellt haben, auszugleichen. Dabei sei ihm die Unzulässigkeit seines Vorgehens, geschweige denn dessen strafrechtliche Relevanz nicht bewusst gewesen. Das Diktiergerät habe er offen auf seinen Tisch gestellt und gegen 09:00 Uhr eingeschaltet, als der Arbeitgebervertreter das Angestelltenmodel" vorgestellt habe. Da die Verständigung für ihn jedoch besser gewesen sei als am Vorlage, habe er das Gerät gegen 09:30 Uhr wieder abgeschaltet und auch während der anschließenden Pause auf seinem Tisch liegen lassen. Als er nach der Pause auf das Gerät angesprochen worden sei, habe er erklärt, dass er Herrn Drewes, den Arbeitgebervertreter, akustisch schlecht habe verstehen können und deshalb das Gerät eine Zeit lang habe laufen lassen. Herr Drewes habe daraufhin zum Betriebsratsvorsitzenden geäußert, dass in Zukunft aber vorher vereinbart werden müsste, wenn Aufnahmen gemacht würden. Das Band seines Diktiergerätes habe er sofort dem Protokollanten angeboten und auch ausgehändigt. Aufgrund dieses Vorfalls habe sich der Betriebsratsvorsitzende veranlasst gesehen, die Sitzung abzubrechen und zu schließen. Die Arbeitgebervertreter hätten daraufhin gegen 10:30 Uhr die Tagungsstätte verlassen. Bei deren Abreise habe er sich bei diesen noch entschuldigt.

Abgesehen davon, dass die ihm angelastete Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes in einer Betriebsratssitzung keine unmittelbare Auswirkung auf sein Arbeitsverhältnis und seine Tätigkeit als Schlosser bei der Beklagten habe, sei von ihm aber auch eine heimliche Aufnahme der Ausführungen des Arbeitgebervertreters mit dem für jeden sichtbar auf dem Tisch liegenden Diktiergerät nicht beabsichtigt gewesen. Die Äußerungen des Arbeitgebervertreters Herrn Drewes machten schließlich deutlich, dass dieser den Mitschnitt selbst nicht als eine seine Sphäre beeinträchtigende Verletzung angesehen habe. Schließlich sei durch sein Verhalten während der Betriebsratssitzung auch keine konkrete Störung des Betriebsfriedens eingetreten.

Zumindest hätte sein Verhalten einer vorherigen Abmahnung bedurft. Denn nachdem ihm sein Fehlverhalten bewusst geworden sei, habe er durch sein Verhalten sogleich deutlich gemacht dass er den Fehler einsehe und künftig abstellen werde.

Sein Fehlverhalten, dass ihm ausschließlich im Zusammenhang mit seiner Betriebsratstätigkeit anzulasten sei, könne allenfalls im Rahmen des § 23 BetrVG Auswirkungen haben.

Im Berufungstermin hat sich der Kläger bereit erklärt, sein Betriebsratsamt niederzulegen, wenn das Arbeitsverhältnis von der Beklagten ungekündigt fortgesetzt würde.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch fristlose Kündigung vom 16.04.1999 beendet worden ist,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 16.04.1999 fortbesteht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und hebt die besondere Vertraulichkeit der auf der Betriebsratstagung vom 08./.09.04.1999 behandelten Thematik hervor.

Von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes wird unter Bezugnahme auf den Inhalt der von den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt abgesehen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Berufung des Klägers ist auch in der Sache begründet

Unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung war der auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung seitens der Beklagten vom 16.04.1999 gerichteten Kündigungsschutzklage statt zu geben, da diese Kündigung nicht als gerechtfertigt i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB angesehen werden kann. Entgegen dem Feststellungsergebnis des angefochtenen Urteils ist das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitgegenständliche fristlose Kündigung nicht aufgelöst worden.

Seiner kündigungsrechtlichen Würdigung hat das Arbeitsgericht zunächst in zutreffender Weise die für eine außerordentliche Kündigung, insbesondere auch gegenüber einem Betriebsratsmitglied, nach der gesetzlichen Regelung des § 626 Abs. 1 BGB sowie der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geltenden Beurteilungs- und Prüfungsmaßstäbe vorangestellt, worauf verwiesen werden kann.

Dem Arbeitsgericht kann allerdings in der konkreten rechtlichen Würdigung und Bewertung des vorliegend zugrunde liegenden Sachverhalts nicht gefolgt werden, -der Kläger habe durch die Tonbandaufnahme während der Betriebsratssitzung am 09.04.1999 -was den Straftatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 STGB erfülle - in schwer wiegender Weise auch gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, was zugleich ein überwiegendes Interesse der Beklagten begründe, durch sofortige Lösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger ihre Mitarbeiter, die Arbeitskollegen und/oder Vorgesetzte des Klägers seien, vor solchen Angriffen auf ihre strafrechtlich geschützte Privatsphäre zu schützen. Insbesondere lässt sich vorliegend aus der einmaligen unzulässigen Tonbandaufnahme in der Betriebsratssitzung vom 09.04.1999 bei ausgewogener Würdigung der Art und Weise des Vorgehens und Gesamtverhaltens des Klägers in diesem Zusammenhang noch keine weitere konkrete Gefährdung der angesprochenen geschützten Persönlichkeitsrechte der Arbeitskollegen und Vorgesetzten durch den Kläger im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses als Schlosser bzw. auch künftig belastende Auswirkungen auf diese arbeitsvertragliche Beziehung ableiten, denen durch -den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung begegnet werden müsste.

Im Rahmen des nach § 626 BGB gebotenen einzelfallbezogenen Prüfung des wichtigen. Kündigungsgrundes, ob die Gesamtumstände unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlagen der Parteien bei Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar machen, gelangt die Berufungskammer vorliegend aufgrund eingehender Würdigung des von den Parteien unterbreiteten und im wesentlichen unstreitigen Kündigungssachverhalts, insbesondere auch im Hinblick auf den zukunftsbezogenen Kündigungszweck, das Risiko weiterer Vertragsverletzungen auszuschließen, zu dem Ergebnis, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger durchaus zumutbar ist.

Was die Würdigung des der Kündigung zugrunde liegenden Sachverhalts anbelangt, so ist zunächst mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass der Kläger durch die unstreitige Tonbandaufnahme am 09.04.1999 den objektiven Straftatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 oder zumindest des § 201 Abs. 4 STGB in der Alternative eines Versuchs erfüllt hat, weil er unbefugt das nicht öffentlich gesprochene Wort eines Anderen auf einen Tonträger aufgenommen bzw. alles nach seiner Kenntnis Notwendige für die beabsichtigte Aufnahme getan hat

Ob bereits diese objektive Rechtsgutsverletzung der Vertraulichkeit des Wortes in einer Betriebsratssitzung durch den Kläger als ein generell geeigneter wichtiger Kündigungsgrund angesehen werden kann, auch wenn der Kläger seiner Einlassung entsprechend ohne Unrechtsbewusstsein handelte, erscheint bei Zugrundelegung des Prognoseprinzips fraglich. Sieht man die objektive Rechtsgutsverletzung, das heißt unabhängig von den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen als einen generell geeigneten wichtigen Grund an, dann wäre zur Rechtfertigung der Kündigung auf jeden Fall im Rahmen der einzelfallbezogenen Prüfung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nach dem im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung geltenden Prognoseprinzip die Feststellung erforderlich, dass insoweit das heißt in Bezug auf die begangene Rechtsgutverletzung, eine Wiederholungsgefahr besteht oder diese sich auch in Zukunft weiterhin belastend im Rahmen des Arbeitsverhältnisses auswirkt (vgl. hier zu BAG Urteil vom 21.11.1996 - 2 AZR 35/95 - m. w. N.). Für diese Feststellung ist die subjektive Willensrichtung des Arbeitnehmers bei der von ihm begangenen Rechtsgutsverletzung bzw. Pflichtwidrigkeit von maßgeblicher Bedeutung. So wird durch eine vorsätzliche Verletzungshandlung in der Regel auch eine Wiederholungsgefahr indiziert, hingegen bei unbeabsichtigter bzw. nur fahrlässiger Rechtsgutsverletzung eine Prognose hinsichtlich des Risikos von weiteren Verletzungshandlungen dieser Art oder ein Rückschluss auf einen nachhaltigen Vertrauensverlust in die Redlichkeit des Arbeitnehmers nicht ohne weiteres möglich sein - weshalb in diesen Fällen auch eine vorherige Abmahnung nicht entbehrlich sein dürfte.

Das Arbeitsgericht hat die objektiv unzulässige Tonbandaufnahme durch den Kläger während der Betriebsratssitzung am 09.04.1999 in strafrechtlicher Hinsicht unter den Straftatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 4 STGB subsumiert, das heißt, auch eine vorsätzliche Tatbegehung angenommen und dabei einen eventuellen Verbotsirrtum des Klägers, den es als "politisch engagierten, gewandten und intelligenten Betriebsrat eingeschätzt hat, als unbeachtlich angesehen. Ob dieser strafrechtlichen Bewertung gefolgt werden kann, erscheint bereits in Anbetracht der Art und Weise des Vorgehens des Klägers fraglich und bedarf vorliegend auch keiner abschließenden Beurteilung, weil es für die kündigungsrechtliche Würdigung entscheidungserheblich nur darauf ankommt, ob nach dem gesamten Sachverhalt dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden ist und nicht, wie dieser Sachverhalt strafrechtlich zu werten ist (vgl. z. B. BAG Urteil vom 27.01.1977 AP Nr. 7 zu § 103 BetrVG 1972).

Der kündigungsrechtlich zu würdigende Sachverhalt ist vorliegend zunächst dadurch gekennzeichnet, dass er ausschließlich im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers als Betriebsratmitglied steht. Denn die unzulässige Tonbandaufnahme der Ausführungen des Arbeitgebervertreters in der Betriebsratssitzung am 09.04.1999 durch den Kläger weist zu dessen arbeitsvertraglichen Aufgaben- und Pflichtenstellung als Schlosser bei der Beklagten keine tatsächlichen Berührungspunkte auf und lässt sich unter diesen Gesichtspunkt zunächst nur als Amtspflichtverletzung des Klägers als Betriebsratsmitglied qualifizieren. Bei dieser Sachlage ist sodann mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Prüfung der Frage, ob in der Amtspflichtverletzung zugleich auch eine zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung unerlässliche schwere Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis gesehen werden kann, ein "strengerer Maßstab" anzulegen als bei einem Arbeitnehmer, der dem Betriebsrat nicht angehört (vgl. BAG Beschluss vom 16.10.1986 - 2 ABR 71/85). Dieser Prüfungsmaßstab wird als Ausdruck der Tat- und Situationsgerechtigkeit angesehen und erfordert somit die Beachtung der besonderen Sachlage, dass eine Vertragsverletzung - wie im vorliegenden Fall - nur am dem Bereich der Betriebsratstätigkeit im zusammentreffen mit der Amtspflichtverletzung resultieren kann.

Bei situationsgerechter Würdigung des die Kündigung auslösenden Sachverhalts kann vorliegend zunächst nicht von einem vorsätzlichen Vorgehen des Klägers, gerichtet auf eine rechtswidrige Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes in der Betriebsratssitzung am 09.04.1999 ausgegangen werden. Denn der Kläger hat in dieser Sitzung nach seiner Einlassung das Diktiergerät eingeschaltet, um bei dem Vortrag des Arbeitgebervertreters Verständnisschwierigkeiten auszugleichen, ohne dass ihm die Unrechtmäßigkeit seines Verhaltens bewusst gewesen wäre. Nach den Umständen und der Art und Weise des Vorgehens des Klägers: dass er sein Diktiergerät bei der Aufnahme offen, das heißt in keiner Weise verdeckt, auf seinen Tisch gelegt hat und auch während der anschließenden Pause dort hat liegen lassen; dass er auf die entsprechende Frage des Arbeitgebervertreters ohne Ausflüchte eingeräumt hat, das Gerät aus den angeführten Gründen eingeschaltet zu haben und schließlich auf die Reaktion des Arbeitgebervertreters, dass in Zukunft die Aufzeichnung durch Tonbandaufnahmen vorab vereinbart werden müsste, das Band ohne Aufforderung herausgegeben hat und sich umgehend bei dem Arbeitgebervertreter entschuldigt hat, - kann ihm jedenfalls nicht widerlegt werden, sich einem Rechtsirrtum über die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens befunden zu haben, das heißt ohne Unrechtsbewusstsein gehandelt zu haben. Für ein fehlendes Unrechtsbewusstsein beim Kläger spricht jedenfalls der objektive Geschehensablauf, dass er die Tonbandaufnahme nicht heimlich vorgenommen und auf die Frage nach dem Gerät auf seinem Tisch auch keinerlei Versuch einer Verschleierung der Aufzeichnung unternommen hat. Demgegenüber lassen sich Anhaltspunkte, die die Schlussfolgerung auf ein aktuelles Unrechtsbewusstsein beim Kläger, das heißt auf eine vorsätzlich schuldhafte Pflichtwidrigkeit rechtfertigen könnten, den objektiven Umständen des Falles nicht entnehmen. Allein die hierfür von der Beklagten angeführten Umstände, dass die Tagung nicht im Betrieb, sondern in einer außerhalb gelegenen Tagungsstätte stattgefunden hat und dass zu Beginn der Tagung die Aushändigung von Unterlagen über die geplante Neuordnung des Vergütungssystems von dem Arbeitgebervertreter mit der Erklärung zurückgewiesen worden ist es müsse im vorliegenden Stadium möglich sein, ins "Unreine" zu sprechen, indizieren noch nicht ein Unrechtsbewusstsein des Klägers in Bezug auf die vorgenommene Tonbandaufzeichnung. Ebenso wenig stichhaltig ist in diesem Zusammenhang der berechtigte Vorwurf gegenüber dem Kläger, nicht um eine Genehmigung für seine Aufzeichnung gefragt zu haben. Denn nicht das bloße Unteilassen, sondern allenfalls die Frage nach einer solchen Genehmigung könnte zur Begründung des diesbezüglichen Unrechtsbewusstseins herangezogen werden. Wegen des vorwerfbaren Unterlassens der gebotenen Einholung einer Genehmigung kann vorliegend allenfalls eine grobfahrlässige Pflichtwidrigkeit des Klägers im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit angenommen werden, die allerdings zu seiner vertraglichen Aufgabenstellung als Schlosser keinen unmittelbaren Bezug aufweist und schon aus diesem Grunde bei der Gewichtung der Schwere einer hierdurch gleichzeitig begangenen Vertragspflichtverletzung sowie Beurteilung einer konkret belastenden Auswirkung ad das Arbeitsverhältnis nicht mit der Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers im Rahmen seiner Aufgabestellung einfach gleichgesetzt werden kam. Wenn sogar bei den gegen das Eigentum und Vermögen. des Arbeitgebers gerichteten Delikten die Stellung des Arbeitnehmers für die Beurteilung der Schwere der Pflichtverletzung von Bedeutung ist, weil es darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer das Vermögensdelikt nur bei Gelegenheit außerhalb seines konkreten Aufgabenbereiches begeht oder aber hierdurch gerade die ihm nach dem Arbeitsvertrag obliegende Obhutspflicht verletzt (vgl. BAG Urteil vom 17.05.1984 - 2 AZR 3/83 -) so bedarf bei der vorliegend zu beurteilenden Pflichtwidrigkeit - einer nur fahrlässigen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes in einer Betriebsratssitzung - die daraus resultierende Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses in Anbetracht der arbeitsvertraglichen Stellung des Klägers als Schlosser auf jeden Fall noch einer besonderen Begründung anhand objektiver Umstände. Denn anders als bei einem Vermögensdelikt des Arbeitnehmers, das heißt bei einer vorsätzlichen Schädigung des Arbeitgebervermögens im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, lässt sich der vorliegenden Pflichtwidrigkeit, die außerhalb des konkreten Aufgabenbereiches des Klägers als Schlosser begangen worden ist, eine schwer wiegende Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis nicht ohne weiteres entnehmen.

Die Würdigung der in das Streitverfahren eingeführten Gesamtumstände rechtfertigt nach Auffassung der Berufungskammer vorliegend noch nicht die Annahme, dass durch das einmalige Fehlverhalten des Klägers in der Betriebsratssitzung am 09.04.1999 das Arbeitsverhältnis so schwer wiegend belastet worden ist dass der Beklagten eine weitere Fortsetzung dieses Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen fiktiven Kündigungsfrist unzumutbar geworden ist.

Wegen des dem Kläger nicht zu unterstellenden Unrechtsbewusstseins kann bereits nicht von einer Wiederholungsgefahr bzw. weiteren konkreten Gefährdung der geschützten Persönlichkeitsrechte der Arbeitskollegen und Vorgesetzten durch den Kläger im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Aufgabenstellung ausgegangen werden, nachdem dieser die Rechtswidrigkeit und Leichtfertigkeit seines Fehlverhalts eingesehen und sich unverzüglich bei dem betroffenen Arbeitgebervertreter für sein Verhalten entschuldigt hat, zumal die Pflichtwidrigkeit in der Betriebsratssitzung in keinem Zusammenhang mit den konkreten Aufgaben des Klägers als Schlosser steht. Ebenso wenig ist vorliegend die Prognose gerechtfertigt, dass wegen einer fortbestehenden belastenden Auswirkung der einmaligen Pflichtwidrigkeit auf das Arbeitsverhältnis das Vertrauen in ein redliches Verhalten des Klägers im Bereich der betrieblichen Verbundenheit gegenüber den Arbeitskollegen und Vorgesetzten nicht wiederhergestellt werden könnte. Die Einsicht des Klägers in sein Fehlverhalten, nachdem der Arbeitgebervertreter darauf hingewiesen hat, dass derartige Aufzeichnungen künftig genehmigt werden müssten, seine umgehende Entschuldigung und nicht zuletzt auch die von ihm im Nachhinein zum Ausdruck gebrachte Bereitschaft aus seinem Fehlverhalten die durchaus angemessene Konsequenz zu ziehen und sein Betriebsratsamt bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses niederzulegen, sind sämtlich Umstände, die eine Wiederherstellung des Vertrauens in die Redlichkeit des Klägers durchaus erwarten lassen. Unter diesen Umständen wäre jedenfalls vor Ausspruch der Kündigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zunächst auch eine Abmahnung erforderlich gewesen.

Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung gelangt die Berufungskammer nach allem zu dem Ergebnis, dass im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit des Klägers, seiner bislang nicht beanstandeten Führung, seines Alters und seiner familiären Unterhaltsverpflichtungen einerseits sowie der aus dem fahrlässigen Fehlverhalten in der Betriebsratssitzung nicht abzuleitenden schwer wiegenden Gefährdung bzw. Beeinträchtigung der Interessen der Beklagten durch den Kläger in seiner Stellung als Schlosser andererseits der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis zum Ende einer ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar war.

Der Kündigungsschutzklage des Klägers konnte aus diesen Gründen der Erfolg nicht versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich gebotener Anlass (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig beim Bundesarbeitsgericht angefochten werden. Hinsichtlich der Einzelheiten der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG hingewiesen.

gez.: Roden

gez.: Franzen

gez.: Wiese

 


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