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Geschäftsnummer:

Verkündet am: 16.08.2000

17 TaBV 38/00
5 BV 5/00
ArbG Düsseldorf
gez. Severin
Regierungshauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF
BESCHLUSS

In dem Beschlussverfahren unter Beteiligung

1. der Mercedes Benz Lenkungen GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Norbert Fülling, Rather Straße 51, 40476 Düsseldorf,

Antragstellerin, Beteiligte zu 1. und Beschwerdegegnerin

Verfahrensbevollmächtigter: Assessor Schmidt u.a., c/o Arbeitgeberverband Metall u. Elektroindustrie Düsseldorf u. Umgebung e.V., Achenbachstr. 28, 40237 Düsseldorf,

2. des Herrn Klaus Specht, Am Stepprather Hof 50, 41352 Korschenbroich,

Beteiligter zu 2. und Beschwerdeführer

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Bell u.a., Mühlenstr. 3, 40213 Düsseldorf,

3. des Betriebsrats der Firma Mercedes-Benz Lenkungen GmbH, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden Siegfried Rupschas, Rather Straße 51, 40476 Düsseldorf,

Beteiligter zu 3.

Verfahrensbevollmächtigte: Gewerkschaftssekretärin Ingrid Kamp c/o IG Metall, Pionierstraße 12, 40215 Düsseldorf,

hat die 17. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Anhörung vom 16.08.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Grigo als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Howahrde und Schentek

beschlossen:
I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.03. 2000 - 5 BV 5/00 - abgeändert und der Antrag des Arbeitgebers zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist ein Unternehmen der Automobilzulieferindustrie. In ihrem Betrieb in D. sind etwa 1.500 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Beteiligte zu 2. gehört dem Betriebsrat (Beteiligter zu 3.) seit dem 23.03.1995 an. Der Betriebsrat besteht aus fünfzehn Mitgliedern, wobei der Beteiligte zu 2. einer Minderheits-Fraktion angehört, die sich "Vereinigte Alternative" nennt und eine Zeitung (VAZ) herausgibt.

Die Antragstellerin beabsichtigt seit längerem, ihr Vergütungssystem neu zu ordnen. In diesem Zusammenhang kam es am 08. und 09.04.1999 zu einer "Informationsveranstaltung" in O., bei der die Vorstellungen des Unternehmens dargestellt und mit Mitgliedern des Betriebsrats erörtert wurden. An der Sitzung nahmen drei Vertreter der Arbeitgeberseite, zwölf Betriebsratsmitglieder und ein Gewerkschaftsvertreter teil. Die Antragstellerin erhebt gegen den Beteiligten zu 2. den Vorwurf, er habe anlässlich dieser Sitzung eine heimliche Tonbandaufnahme gefertigt, hierdurch die Vertraulichkeit des Wortes verletzt, den Straftatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB verwirklicht und zugleich gegen das betriebsverfassungsrechtliche Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit vorsätzlich und damit schwerwiegend verstoßen.

Zunächst kündigte die Antragstellerin dem Beteiligten zu 2. fristlos am 16.04.1999. Der hiergegen gerichteten Klage gab das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 30.11.1999 - 6 Sa 1244/99 - rechtskräftig statt.

Mit ihrem am 19.01.2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag begehrt die Antragstellerin nunmehr, den Beteiligten zu 2. aus dem Betriebsrat auszuschließen.

Sie vertritt die Auffassung, der Beteiligte zu 2. habe gröblich seine Pflichten als Mitglied des Betriebsrates verletzt. Er habe die fragliche Tonaufnahme unbefugt und heimlich gefertigt, obschon zu Beginn der Sitzung am 08.04.1999 im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Information und die Brisanz der Thematik die besondere Vertraulichkeit der Redebeiträge herausgestellt worden sei. Als Sitzungsleiter habe der Betriebsratsvorsitzende (der Mehrheitsfraktion angehörig) darauf aufmerksam gemacht, dass "Veröffentlichung in Schmierblättern" nicht erwünscht sei. Zudem habe der Personalleiter mit dem Hinweis, dass es im aktuellen Stadium der Verhandlungen möglich sein müsse, sozusagen ins "Unreine" sprechen zu können, die Verteilung schriftlicher Unterlagen abgelehnt. Bei dieser Sachlage habe der Beteiligte zu 2. durch sein Verhalten die Grundlagen des gegenseitigen Vertrauens und damit der künftigen Zusammenarbeit mit ihm als Betriebsratsmitglied unwiderruflich zustört. Besonders schwerwiegend sei die Verfehlung nicht zuletzt deshalb zu werten, weil er Mitherausgeber der VAZ sei. Damit könne nicht ausgeschlossen werden, dass er die Tonbandaufnahme hergestellt habe, um diese zu veröffentlichen.

Die Antragstellerin hat beantragt, das Betriebsratsmitglied Klaus Specht aus dem Betriebsrat der Mercedes-Benz-Lenkungen-GmbH auszuschließen.

Der Beteiligte zu 2. hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Der beteiligte Betriebsrat hat keinen Antrag gestellt.

Der Beteiligte zu 2. sieht in seiner Handlungsweise am 09.04.1999 weder eine strafbare Handlung noch einen sonstigen Sachverhalt, der seinen Ausschluss aus dem Betriebsrat rechtfertigen könnte. Weder seien die behandelten Themen geheimhaltungsbedürftig gewesen noch sei auf eine besondere Vertraulichkeit hingewiesen worden. Das arbeitgeberseits angestrebte neue Vergütungssystem werde bereits in diversen anderen Betrieben mit differenzierenden Nuancen praktiziert; hierzu seien verschiedene Veröffentlichungen erschienen. Vor allem würdige die Antragstellerin das Geschehen am 09.04.1999 nicht sachgerecht. Er habe keine heimliche Tonaufnahme gefertigt. Das Diktiergerät habe vor ihm für jedermann sichtbar auf dem Tisch gestanden. Er habe es am Morgen des 09.04.1999 lediglich kurzfristig etwa in der Zeit von 9.00 Uhr bis 9.30 Uhr laufen lassen, wobei er noch nicht einmal wisse, ob überhaupt eine taugliche Aufnahme zustande gekommen sei. Dies nicht zuletzt deshalb, weil er ein gesondertes Zusatzmikrophon nicht dabei hatte und schon von daher die Aufnahmequalität mehr als fraglich sei. Eingeschaltet habe er das Gerät im Übrigen allein deshalb, weil er am Tage zuvor erhebliche Verständnisschwierigkeiten hatte. Erleide an einer mäßiggradig ausgeprägten Schwerhörigkeit und habe Schwierigkeiten gehabt, den Redebeiträgen zu folgen, zumal Laufgeräusche eines Overhead-Projektors störten und einige Teilnehmer leise redeten. Diese Probleme seien am Morgen des 09.04.1999 letztlich behoben gewesen. Deshalb habe er das Gerät ausgeschaltet, jedoch weiterhin auf dem Tisch liegen lassen, weil er sich nicht dessen bewusst gewesen sei, Unrecht gehandelt zu haben. So habe er die Aufnahme und seine Motivation auch gegen 10.15 Uhr, als er auf das Gerät hin angesprochen worden sei, dargelegt. Erst durch den darauffolgenden Abbruch der Sitzung sei ihm bewusst geworden, sich falsch verhalten zu haben und dass er jedenfalls ohne Zustimmung der Beteiligten die Aufnahme nicht hätte machen dürfen. Schon wegen seines Irrtums liege jedenfalls ein grober Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit i. S. von § 2 Abs. 1 BetrVG nicht vor. Zu Unrecht werde ihm seitens der Antragstellerin vor allem unterstellt, er habe die Aufnahme verwerten und Redebeiträge publizieren wollen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 14.03.2000 dem Antrag stattgegeben und den Beteiligten zu 2. aus dem Betriebsrat ausgeschlossen. Die Strafbarkeit des Verhaltens des Beteiligten zu 2. könne dahingestellt bleiben. Die Gesprächsteilnehmer hätten am 09.04.1999 darauf vertrauen dürfen, sich unbefangen zu äußern, ohne dass jedes Wort festgehalten werde. Das Recht am gesprochenen Wort gehöre zu dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 GG. Diesen Schutzbereich habe der Beteiligten zu 2. mit seiner Tonbandaufnahme in gravierender Weise verletzt. Es sei zu befürchten, dass durch das berechtigte Misstrauen der Antragstellerin hervorgerufene Störungen künftig auftreten würden. Das Verhalten des Beteiligten zu 2. sei nicht etwa gerechtfertigt. Der Hinweis auf seine Schwerhörigkeit stelle sich als Schutzbehauptung dar. Auch einem rechtlich relevanten Verbotsirrtum habe der Beteiligten zu 2. nicht unterlegen, weil ihm schon aufgrund der Bestimmungen der Arbeitsordnung klar sein musste, dass Tonbandaufnahmen unzulässig seien.

Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 2. mit seiner Beschwerde.

Der Beteiligte zu 2. beantragt, unter Abänderung des am 14.03.2000 verkündeten Beschlusses des Arbeitsgerichts Düsseldorf - 5 BV 5/00 - den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die vom Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.03.2000 - 5 BV 5/00 - eingelegte Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

II.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2., gegen die Zulässigkeitsbedenken nicht bestehen, hat in der Sache Erfolg. Die Beschwerdekammer folgt dem Arbeitsgericht nicht darin, dass sich das Verhalten des Klägers am 09.04.1999 als grobe Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten als Betriebsratsmitglied i. S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG darstellt.

  1. Ein Betriebsratsmitglied kann nur wegen grober Verletzung der sich aus dem Amt als Betriebsratsmitglied ergebenen Pflichten aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden.

Die "grobe" Pflichtverletzung muss objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sein. Dies kann nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, von der abzuweichen die Beschwerdekammer im Streitfall keine Veranlassung sieht, nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses der Pflichtverletzung beurteilt werden - vgl. BAG, Beschluss vom 22.06.1993 - 1 ABR 62/92 - AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972 und die weiteren Nachweise bei Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 20. Aufl., § 23 RN 14. Die Verletzung von gesetzlichen Pflichten setzt im Regelfall ein schuldhaftes Verhalten des Betriebsratsmitglieds im Sinne eines groben Verschuldens voraus, muss also vorsätzlich oder grobfahrlässig begangen sein (vgl. BAG, Beschluss vom 05.09.1967- 1 ABR 1/67 = AP Nr. 8 zu § 23 BetrVG; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, a. a. O., § 23 RN - wiederum m. w. N.). Ein Gesetzesverstoß i. S. des § 23 Abs. 1 BetrVG, der auch in der Missachtung der in den Vorschriften der §§ 2 Abs. 1 und 74 Abs. 2 BetrVG enthaltenen Gebote und Verbote durch das einzelne Betriebsratsmitglied liegen kann (BAG, Beschluss vom 21.02.1978 - 1 ABR 54/76 - AP Nr. 1 zu § 74 BetrVG 1972 im Anschluss an das Urteil des BAG vom 05.12.1975 - 1 AZR 94/74 - = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße) hat dabei erst dann die vom Gesetzgeber geforderte Gewichtung, wenn unter Berücksichtung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint (vgl. LAG Berlin, ARSt. XVI, S. X Nr. 26; Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 23 RN 29). Auch die Sanktionen des § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und ihre Voraussetzungen unterfallen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird als Übermaßverbot zur Vermeidung schwerwiegender Rechtsfolgen bei nur geringfügigen Rechtsverstößen verstanden und findet letztlich schon im Tatbestandsmerkmal der "groben" Verletzung gesetzlicher Pflichten in § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG selbst seinen Ausdruck, wie bereits vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 28.04.1976 - 1 BvR 71/73 - = AP Nr. 2 zu § 74 BetrVG 1972 festgestellt.

  1. Diese rechtlichen Maßstäbe hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss nicht hinlänglich beachtet. Es hat für die Annahme, es sei zu befürchten, dass durch das berechtigte Misstrauen der Antragstellerin hervorgerufene Störungen künftig auftreten würden, keine tatsächlichen Umstände festgestellt, die einen solchen Schluss zuließen. Auch nach der Anhörung der Beteiligten durch die Beschwerdekammer lassen sich keine Tatsachen feststellen, die belegen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen der Antragstellerin und dem Beteiligten zu 2. als Betriebsratsmitglied in der Tat in einem derart hohen Maß erschüttert ist, dass eine künftige Amtsausübung des Beteiligten zu 2. als Betriebsratsmitglied untragbar erscheint.

a) Allein die Fertigung der Tonbandaufnahme am 09.04.1999 lässt die weitere Amtsausübung des Beteiligten zu 2. schon deshalb nicht als untragbar erscheinen, weil ihm weder hinsichtlich einer möglichen strafbaren Handlung Vorsatz angelastet werden kann noch im Hinblick auf einen Verstoß gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit i. S. von § 2 Abs. 1 BetrVG ein gravierender Pflichtverstoß, der den Ausschlusstatbestand rechtfertigen könnte.

aa) Das Arbeitsgericht hat richtig gesehen, dass es an sich auf sich beruhen kann, ob das Handeln des Beteiligten zu 2. am 09.04.1999 als Tat - Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes - gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar war oder als strafbarer Versuch geahndet werden konnte. Auf die strafrechtliche Bewertung des Verhaltens kommt es im Rahmen der Prüfung des betriebsverfassungsrechtlichen Ausschlusstatbestandes des § 23 Abs. 1 BetrVG ebenso wenig an wie etwa im Zusammenhang mit der kündigungsrechtlichen Beurteilung dieses Verhaltens. In der Entscheidungsfindung ist allein im Rahmen der Würdigung der Gesamtumstände die subjektive Handlungsseite und damit die Frage des Unrechtsbewusstseins des Beteiligten zu 2. von Relevanz.

bb) Zunächst ist allerdings festzustellen, dass der Beteiligte zu 2. durch die ihm zur Last gelegte Handlungsweise objektiv gegen § 2 Abs. 1 BetrVG verstoßen hat. Das Mitschneiden der Diskussionsbeiträge ohne Wissen der Redner stellte eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der betreffenden Personen dar, und zwar gleichgültig, aus welcher Motivation heraus der Beteiligte zu 2. sich hierzu veranlasst sah. Das durch Art. 1 und 2 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht ist so wohl im Privatrechtsverkehr als auch im beruflichen Bereich zu beachten (BAG, Urteil vom 18.12.1984 - 3 AZR 389/83 - AP Nr. 8 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht). Es umfasst grundsätzlich auch das Recht am gesprochenen Wort, d. h. die Befugnis, selbst zu bestimmen, ob es allein dem Gesprächspartner oder auch Dritten oder sogar der Öffentlichkeit zugänglich sein soll, ferner ob es auf Tonträger aufgenommen werden darf (BVerfGE 34, 238, 245 = AP Nr. 20 zu Art. 2 GG; BAGE 80, 366 = AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Diese Rechtsverletzung verstieß zugleich gegen das Verbot loyaler Abwicklung betriebsverfassungsrechtlicher Vorgänge, wie sie hier mit Informationsveranstaltung am 09.04.1999 vorlagen und damit gegen § 2 Abs. 1 BetrVG.

cc) Andererseits ist für die Beschwerdekammer nicht nachvollziehbar, wie die Antragstellerin von einer Heimlichkeit der fraglichen Tonbandaufnahmen ausgeht.

Selbst wenn unterstellt wird, dass der Beteiligte zu 2. eine Aufnahme gefertigt hat, deren akustische Wiedergabe möglich ist und die die jeweiligen Redner erkennen lässt, liegt damit zwar der Tatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor, nicht jedoch die Heimlichkeit einer Aufnahme, die der Tat eine besondere Gewichtung zu Lasten des Beteiligten zu z. geben könnte. Offenkundig verwechselt die Antragstellerin das Aufnehmen ohne positives Wissen der Betroffenen mit der Heimlichkeit einer Tonaufnahme, die das Vertrauen in besonderer Weise enttäuscht.

Streitlos stand das fragliche Diktiergerät offen vor dem Beteiligten zu 2. auf dem Tisch. Selbst wenn es sich hierbei um ein relativ kleines Gerät handelte, so ist auch der Einwand der Antragstellerin nicht nachvollziehbar, das Gerät habe durchaus mit einem Telefon-Handy verwechselt werden können. Für eine solche Wertung fehlen nähere Angaben. Dies gilt erst recht für ein bewusstes Täuschungsmanöver des Beteiligten zu 2. Fest steht hingegen, dass er das Diktiergerät bis zur Zeit seiner "Entdeckung" noch etwa 45 Minuten auf dem Tisch hatte stehen lassen, ohne es noch zu benutzen. Zudem war - wiederum streitlos - zwischenzeitlich eine Kaffeepause, hatten die Sitzungsteilnehmer den Raum verlassen und hierbei wie auch bei ihrer Rückkehr das Diktiergerät unmittelbar passieren und zur Kenntnis nehmen können.

Bei dieser Sachlage verschließt sich der Beschwerdekammer die Wertung einer Heimlichkeit des Verhaltens des Beteiligten zu 2. Das Gegenteil wird dadurch indiziert, dass er es war, der von der einige Zeit zurückliegenden Tonaufnahme überhaupt erst berichtete. Niemand der Sitzungsteilnehmer hatte dies zuvor bemerkt.

dd) Als dies spricht zudem für die Richtigkeit der Beurteilung der 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts im Kündigungsstreitverfahren dahingehend, dem Kläger habe das Unrechtsbewusstsein gefehlt. Dem schließt sich die Beschwerdekammer an. Anders ist nach den Gesamtumständen das Verhalten des Beteiligten zu 2. nicht zu beurteilen. Demzufolge kann auch nicht in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht davon ausgegangen werden, dass sich die Darstellung seiner Motivation hinsichtlich der Tonaufnahme als Schutzbehauptung darstelle. Wer Hörprobleme hat, ist in einem größeren Gesprächskreis in der akustischen Wahrnehmung jedenfalls dann offenkundig behindert, wenn technische Apparaturen Störgeräusche produzieren, wie hier der Overhead-Projektor. Mit ärztlichem Attest vom 19.04.1999 ist im Übrigen die beidseitige mäßiggradig ausgeprägte Schwerhörigkeit des Beteiligten zu 2. belegt. Die Version des Beteiligten zu 2. entspricht nach alledem eher der Lebenserfahrung als die Mutmaßungen der Antragstellerin. Jedenfalls kann, und dies ist von entscheidender Bedeutung, die Motivation des Beteiligten zu 2. nicht ausgeräumt werden.

b) Zu Lasten des Beteiligten zu 2. kann die Antragstellerin auch nicht auf eine besondere Geheimhaltungspflicht verweisen.

Selbst wenn zu ihren Gunsten unterstellt wird, dass es sich bei dem Gegenstand der Erörterung am 09.04.1999 um wichtige Betriebsinterna handelte, standen keine Themen auf der Tagesordnung, die mit der Schutzbedürftigkeit von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vergleichbar gewesen wären. Die gesetzlichen Vorschriften, wie etwa § 79 Abs. 1 BetrVG oder auch § 17 UWG, die den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zum Gegenstand haben, sind auf solche Interna nicht zugeschnitten. Sie schützen allein Vorgänge, an deren Geheimhaltung der Unternehmer, insbesondere zur Durchführung seiner unternehmerischen Interessen am Markt, objektiv interessiert sein muss und die er durch ausdrückliche und unmissverständliche Erklärung formal als ein solches Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ausweist. Jedenfalls am Letzten fehlt es hier.

Vor allem übersieht die Antragstellerin, dass für eine Verbreitung Dritten gegenüber, insbesondere in Presseorganen, nichts spricht. Wie vor der Beschwerdekammer streitlos gestellt, ist der Beteiligten zu 2. weder Mitherausgeber der Alternativen Zeitung VAZ noch spricht ein sonstiger tatsächlicher Anhalt für diese erneute Mutmaßung der Antragstellerin.

c) Nach alledem liegt in dem begehrten Ausschluss des Beteiligten zu 2. aus dem Betriebsrat eine übermäßige Reaktion, die in keinem vernünftigen Verhältnis zu seinem tatsachlichen Verhalten steht. Deshalb konnte dem Antrag nicht gefolgt und musste der Beschwerde des Beteiligten stattgegeben werden.

 

III.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung, weil der Streitsache weder eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden kann noch die Voraussetzungen für die Divergenzbeschwerde gegeben sind (§§ 92 Abs. 2 Satz 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 92 a ArbGG wird hingewiesen.

gez. Grigo
gez. Howahrde
gez. Schentek

 


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