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Updated: 18.12.2012 15:51 |
RESIDEZPFLICHT VOR GERICHT – eine Rekonstruktion „Ich kann dieses Gesetz leider nicht kippen. Sie sind jetzt frei, die Residenzpflicht bleibt aber für Sie auch in Zukunft ein Problem…“ Residenzpflicht-Prozess am Landgericht Erfurt
in zweiter Instanz. Erster A.S. hat als erster das Wort, und darf circa 20 Min. frei reden. (Arabisch mit Übersetzung). Hier einige Punkte seiner Ausführungen : A.S.: Ein Gesetz wie die Residezpflicht, welches die Bewegungsfreiheit
extrem einschränkt, gibt’s es auch in Palästina. Nicht
zuletzt deswegen habe ich mein Land verlassen, bzw. wurde ich von meinem
Land vertrieben. Hier in Deutschland, wohin ich gekommen bin, um Asyl
zu beantragen, muss ich mich mit einer der Besatzung ähnlichen Situation
auseinandersetzen. Groß war mein Staunen, fast ein Schock habe ich
gekriegt, als ich von der hohen Strafen erfahren habe. Deutschland ist
sehr aktiv, um Frieden in anderen Ländern zu verbreiten und zu etablieren.
Auf der anderen Seite werden hier grundsätzliche Rechte wie eben
die Bewegungsfreiheit nicht respektiert. Die Richterin in erster Instanz
am Amtsgericht meinte, sie hätte Respekt für meinen Fall und
für meine Forderungen, ich würde aber das Problem von der falschen
Seiten her angehen, nämlich vor Gericht. R.: Wir können aber nicht vergessen, dass Sie sich da befanden, wo sie nicht hätten sein sollen. A.S.: Ich habe das Gesetz nicht verletzt, ich übte nur mein Recht auf politische Tätigkeit aus. R.: Also, im Februar 2003 sind sie erwischt worden. (Richterin nennt Zeit und Ort der Polizeikontrolle) Stimmt das? S.: Ja. R.: Und bei dem zweiten Vorfall (Richterin nennt Zeit und Ort der Polizeikontrolle)? A.S.: Sie brauchen Sich keine Mühe zu geben, die Daten stimmen ja alle. R.: Gut, das ist die Feststellung des Sachverhalts. Weiter. Das Gesetz der Residenzpflicht, kennen Sie das? A.S.: Ich bin gekommen um Asyl zu beantragen und nicht um diskriminiert zu werden und im Gefängnis zu landen. R.: Die Frage ist: ist Ihnen das Gesetz bekannt? A.S.: Ich kenne das Gesetz, anerkennen kann ich es aber nicht. R.: Herr Sameer, das sind wohl zwei verschiedenen Sachen. Also Sie kennen das Gesetz. Gut. Auch dieses Gericht zeigt für Ihr Anliegen grundsätzlich Verständnis. Ich kann aber nur die Worte der ersten Richterin wiederholen: Sie sind hier an der falschen Adresse. Ein Strafgericht kann weder Gesetze ändern noch ein neues Gesetz schaffen. Das Gericht überwacht und wendet die Gesetze an. Z. B.: wenn Sie keinen Urlaubsschein bekommen, können Sie die Ablehnung vor dem Gericht beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits vormalig eine Entscheidung getroffen, dass es sich um ein verfassungsmäßiges Gesetz handelt . Das heißt in anderen Worten, Herr Sameer, Sie sollten den politischen Weg wählen. Verteidiger: Entschuldigen Sie, Frau Richterin, mein Mandat
weiß genau, wie das Gericht funktioniert. Er möchte sich aber
gegen diese rassistische und diskriminierende Gesetz zu Wehr setzen. Es
geht hier um die Öffentlichkeit, um die Presse, um eine breite Mobilisierung
der Zivilgesellschaft, die heute hier vertreten ist. R.: Herr Sameer, erklären Sie uns bitte: warum haben Sie in den obengenannten Fällen noch nicht einmal versucht, Urlaubsscheine zu beantragen? A.S.: Bewegungsfreiheit ist ein Grundrecht, daher weigere ich mich ein solches Gesetz zu befolgen. R.: Haben Sie überhaupt schon mal einen Urlaubsschein beantragt? A.S.: Ja, zweimal, ich bin sozusagen gezwungen worden, weil ich zum Bundesamt in Jena wollte, und ohne Genehmigung kommt man nicht rein. R.: Aber Herr Sameer, ich bitte Sie, wie können Sie überhaupt über die Vergabepraxis reden, wenn Sie keine persönliche Erfahrung gemacht haben? A.S.: Ich habe persönliche Erfahrungen gemacht. Auch das, was meinen Freunden und Bekannten ständig passiert, was ich von deren Erfahrungen mitbekomme, ist eine persönliche Erfahrung. R.: Man muss aber schon erkennen, das kein System perfekt ist. Da Menschen es bestimmen, wird es immer Fehler geben. A.S.: Es geht hier weder um Fehler noch um Ausnahmen. Das hier ist eine organisierte Repression. Ich habe z.B. neulich beantragt, nach Hamburg verlegen zu werden, damit ich mehr Freiraum für meine politische Tätigkeit hätte. Ich habe eine sofortige Ablehnung bekommen. Die Richterin gibt der Staatsanwaltschaft das Wort. S.: Sie machen also Politik. Wie heißt denn diese Gesellschaft, wo Sie politisch aktiv sind? Und wo sitzt sie? A.S.: The Voice Refugee Forum, bundesweit tätig., mit Sitz in Jena. S.: Wie oft finden da Sitzungen statt? Und wo? A.S.: Jeden Tag, in ganz Deutschland S.: Woraus bestehen solche Tätigkeiten? A.S.: The Voice ist eine Flüchtlingsorganisation, die seit ihrer Gründung sehr viele Kampagne initiiert hat, um Sondergesetze wie die Residenzpflicht abzuschaffen und die allgemeine Lebensbedingungen von Flüchtlingen und MigrantInnen zu verbessern. Die Zeugin wird aufgerufen: Frau Seidl (45), seit 1996 bei der Ausländerbehörde Gotha vertretungsweise für die Erteilung von Urlaubscheinen zuständig. R.: Frau Seidl, wir wollen hier die Vergabepraxis der Urlaubsscheine verstehen. Wie geht denn das vor sich in der Ausländerbehörde? Z..: Die Asylbewerber kommen zu uns, einfach zum Schalter.
Unsere Schalter sind wie die einer Sparkasse. Er sagt dann, wohin er will,
meistens hat er einen kleinen Zettel dabei, da stehen die Daten drauf.
Die sofortige Ausstellung wird im Einzelfall entschieden. Meistens handelt
es sich um eine Erlaubnis von drei Tagen, normalerweise für das Wochenende,
da die Asylbewerber damit die Chance haben, mit dem Wochenendticket zu
fahren. Z.: Nur in Ausnahmefällen. R.: Und warum? Z.: Aus Sicherheitsgründen. R.: Gibt es denn hierzu eine Verwaltungsrichtlinie? Z.: Nee, es wird nur empfohlen. R.: Wäre es möglich, sagen wir mal, 3 mal pro Monat für zwei Tage einen Urlaubsschein zu kriegen? Z.: Grundsätzlich wäre das kein Problem. Es gibt sogar die Gelegenheit auf einem einzigen Schein bis zu drei Genehmigungen zu bekommen. Natürlich nur innerhalb eines Monats. R.: Gut, das ist also möglich. Wie funktioniert es aber in der Praxis? Z.: In der Regel wird nur eine Erlaubnis pro Monat erteilt. R.: Und was passiert, wenn eine Ablehnung erfolgt? Z.: Das wird dann gleich am Schalter mitgeteilt. R.: Wie mitgeteilt? Z.: Mündlich, es wird einfach gleich entschieden und mitgeteilt. R.: Heißt das denn, Frau Seidl, dass die Ablehnung ohne Begründung und ohne Vermerk erfolgt? Z.: Ja. R.: Warum? Z.:.............. R.: Frau Seidl, das ist ein belastender Verwaltungsakt, wie kann es sein, dass er ohne Vermerk bleibt? Und was ist mit dem Recht, dagegen Einspruch zu erheben? Wie können die Asylbewerber sich gegen unberechtigte Entscheidungen denn wehren? Z.:......................... Im allgemein versucht die Zeugin, sich auf die wirklich Verantwortliche zu berufen, sie säße nur im Nebenzimmer, würde nur ab und zu bei der Vergabe helfen, sie würde schon wissen wie es funktioniert, hätte aber nicht für alles eine Antwort (parat). Der Verteidiger bekommt das Wort. V.: Ist die Praxis der Vergabe niedergeschrieben? Ist das irgendwo schriftlich verankert? Wie hat sich diese Praxis entwickelt? Z.: So geht es schon ewig, das mit der 3-Tage-Regel, meine ich. Es existieren sozusagen interne Richtlinien. Es gibt aber auch eine ‚vereinheitliche Handakte’ des Thüringer Innenministeriums. V.: Steht da diese 3-Tage-Regel dann auch? Z.: Nee, das hat sich einfach mit den Jahren so durchgesetzt, es geht mindestens seit 10 Jahren so. V.: Kennen Sie ein einzigen Fall, wo ein Asylbewerber die Ablehnung vor Gericht gebracht hat? Z.: Nein. Meines Wissens gab es in acht Jahren keinen einzigen Widerspruch. V.: Wissen Sie warum? Z.:..........Ich kann, wie gesagt, nicht alle Infos über die Vergabepraxis geben. Meine Angabe stimmen zu etwa 70%. V.: Das heißt aber schon, dass das, was Sie uns beschrieben haben die Situation der Asylbewerber wiederspiegelt? Z.: Ja, so etwa. Nach kurzer Pause wird der Prozess vertagt - auf Montag, den 13.12 um 9:00. Die Richterin erklärt, Sie möchte die Verantwortliche der Ausländerbehörde als weitere Zeugin laden. Sie solle die Handakte des Innenministerium als relevantes Dokument mitbringen. Residenzpflicht-Prozess am Landgericht Erfurt in zweiter Instanz. Zweiter Verhandlungstag, 13.12.2002 9.00 Uhr: vor dem Gericht: ca. 30 AktivistInnen warten darauf,
das Gerichtsgebäude betreten zu dürfen. Ca. 10 PolizistInnen
bewachen/versperren den Eingang. Anhörung der zweiten Zeugin Frau Steuer (47) Richterin verliest zunächst Angaben zur Person. Richterin: Es geht hier um die Praxis der Urlaubsscheinvergabe bei Asylbewerbern. Inwieweit sind sie damit befasst? Sachbearbeiterin: Ja, also ich mache meistens die Sprechstunde,
wo die Asylbewerber vorsprechen, wenn sie einen Urlaubsschein haben möchten.
Ich frag dann, wo sie hinmöchten und aus welchem Grund. Und wir halten
uns eigentlich an die Richtlinien der Handakte, die Sie einsehen können.
Über Urlaub gibt es eigentlich keine konkrete rechtliche Festlegung,
also darüber wie Richterin: ... dann brauchen sie ja auch keinen. Sachbearbeiterin: Die meisten kommen dann trotzdem und wollen einen haben. Aber da gibt’s ja überhaupt keine Probleme. Richterin: Warum machen sie einmal im Monat drei Tage, wer ist darauf gekommen? Sachbearbeiterin: Das war eine interne Abmachung. Wir wollten
die Asylbewerber gleichbehandeln. So können wir ungefähr sagen,
nur die drei Tage. Weil, es steht ja im Gesetz nichts konkretes drin,
wie wir das handhaben sollen. Sachbearbeiterin: Abgelehnt wird z.B., wenn einer schon Urlaub gehabt hat, weil er einen Freund besuchen wollte und so, und er kommt acht Tage später und sagt, „ich möchte wieder einen Urlaubsschein haben“, dann sagen wir „nein, Sie haben schon“...., wenn er nur einen Freund besuchen will, oder so. ... Das ist Gesetz und wir müssen das Gesetz vertreten. Richterin: Frau Steuer, wenn jetzt einer einen Freund besuchen war und möchte jetzt eine Woche später an einer politischen Versammlung teilnehmen, wie würden sie das jetzt handhaben, als Beispiel. Sachbearbeiterin: Politische Versammlungen sollten eigentlich auch erst mal so gehandhabt werden, dass im Umkreis, also im Bezirk die Möglichkeit wahrgenommen wird. Ansonsten ist es auch so ne Entscheidungssache, die eigentlich ich mit meiner Fachdienstleiterin abspreche. Solche speziellen Sachen, über die drei Tage hinaus....., dann spreche ich das mit meiner Fachdienstleiterin ab... . Richterin: Wie wird’s denn gehandhabt Frau Steuer. Wie würden sie denn entscheiden. Sachbearbeiterin: In so einer speziellen Sache, wie gesagt,
spreche ich das ab. Sachbearbeiterin: Meistens ne Ablehnung. Das kann ich Ihnen
sagen, die Fachdienstleiterin sagt nein... Richterin: Können Sie jetzt erst mal ganz kurz meine Frage beantworten. Auf ihn kommen wir gleich noch zu sprechen. Ich wollte fragen, wie sie das jetzt erklären, wenn es keinen Urlaub gibt. Wie machen sie das, jetzt rein technisch? Sachbearbeiterin: Eine Ermessensentscheidung steht in den Richtlinien, da steht es, das politische Versammlungen nicht unterstützt werden dürfen. Richterin: Ich glaube, wir müssen hier einfach mal
zwei Schritte zurückgehen. Frau Steuer, was ist denn das, wenn Sie
ihm sagen, er darf oder er darf nicht. Rein technisch gesehen. Ein Sachbearbeiterin: (schweigt...) Richterin: Kriegt er denn ne Rechtsmittelbelehrung in die Hand. Nein. .... Richterin: Woher soll er denn das dann wissen, erzählen Sie ihm das? Frau Steuer, sehen Sie nicht, dass das ein Widerspruch ist?! In den Richtlinien steht, dass man eine Ablehnung auch begründen soll. Sachbearbeiterin:.......... Richterin: Aber einen Widerspruch haben sie noch nicht bekommen. Sachbearbeiterin: Nein. Richterin: Frau Steuer, womit ich ein bisschen ein Problem
habe ist, dass Sie sagen – wir kommen gleich noch zur Handakte –
aber eine Ermessensentscheidung, heißt schon, dass man in jedem
Einzelfall dann auch prüfen muss, bevor man versagt oder gestattet.
Es gibt ja Fälle, wo man Richterin: In welchen Fällen gibt man denn über drei Tage. Sachbearbeiterin: Ja zum Beispiel ... bei Familien mit Kindern,
Mutter oder Vater, wo die Kinder hier als Asylbewerber sind, oder eben
überhaupt hier leben oder krank sind oder eben wirklich einen Grund
haben. ....., dann sagen wir: „Menschliche Entscheidung.“
Und dann geben wir natürlich Richterin: Sagen Sie das auch bei politischen Sachen, also,
wenn sich jemand politisch betätigen will? Richterin: Sie kennen den Herrn Sameer. Und der ist öfter bei Ihnen. Sachbearbeiterin: Ja. Richterin: Also der Herr Sameer ist öfter zu Ihnen
gekommen, um einen Urlaubsschein zu beantragen. Richterin: Und erinnern Sie sich noch an andere Fälle? Sachbearbeiterin: Nein. Man hat ja viele Leute und da erinnert man sich nicht an jeden einzelnen Fall... . Aber Sie erinnern sich, dass er öfter da war. Ja, er kommt ja immer, um seine Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern. Richterin: Stehen in der Handakte Richtlinien oder Empfehlungen: Frau Seidel (andere Sachbearbeiterin, Zeugin am ersten Verhandlungstag) sagte uns, dass seinen keine Richtlinien, sondern das seien Empfehlungen. Sachbearbeiterin: Nein, also meiner Meinung nach sind das richtige Richtlinien... . Richterin verliest Auszug aus der Handakte: Also, das ist
die Anlage 6 zum Thema 5: ...Ausländerbehörden bei der Erteilung
von Erlaubnissen beim Verlassen des Geltungsbereichs der Aufenthaltsgestattung....
(unverständlich) Blatt 3 zur politischen Betätigung (Ermessensentscheidung):
Hier ist zwischen Artikel 5 Grundgesetz (Meinungsfreiheit) und der Gefahr
der Schaffung nachträglicher Asylgründe abzuwägen. Nach
§ 37 Ausländergesetz besteht die Möglichkeit, politische
Betätigung von Ausländern zu beschränken oder zu untersagen,
wenn die Gesetze nicht beachtet werden. In der Regel wird eine politische
Betätigung auch im Geltungsbereich der Aufenthaltsgestattung möglich
sein. Während des Aufenthalts in der Richterin: Dass heißt, die politischen Betätigungen, wenn ich das jetzt richtig verstehe vom Lesen her wird eher abgelehnt. Ich meine in Waltershausen ist die Möglichkeit der politischen Betätigung nicht wirklich prickelnd, ne. Sachbearbeiterin: Was soll ich jetzt dazu sagen? Richterin: Ist nicht wichtig. Es gibt doch Orte, wo die politische Aktivitäten vielleicht größer sind, ob das nun Erfurt oder Jena ist.... . Bei der Ablehnung eines Urlaubsscheines muss es eine schriftliche Begründung geben. Sie müssen bei einer Ermessensentscheidung, den Grund wissen, warum der Herr A das bekommt und der Herr B nicht.... . Befragung der Zeugin Steuer durch den Anwalt Klinggräff Anwalt: Kann es sein, dass es das noch überhaupt nicht gegeben hat, dass ein Ausländer.... Zeugin unterbricht. Zeugin: Das möchte ich auch nicht
sagen...... Zeugin: .... Einmal haben wir die Information vom Innenministerium bekommen ....z.B. für eine bestimmte Großdemonstration... wenn die Leute zu dieser politischen Veranstaltung wollen, dann könnten wir Urlaub geben. Anwalt: Wann war das genau? Anwalt: Haben Sie denn eine Ahnung, welche Art von politischer
Betätigung mein Mandant macht? Zeugin unterbricht Sachbearbeiterin: Ich weiß sowieso nicht, was er macht .... Anwalt: Zu Frankreich gab’s mal was... . Anwalt: Aber wenn die Entscheidung nach den Vorgaben des
Innenministeriums sein sollte, zu verhindern, dass Nachfluchtgründe
geschaffen werden, dann müssten Sie sich doch eigentlich fragen,
was ist das für eine politische Aktion. .... . Anders gefragt, wissen
Sie überhaupt, wann Nachfluchtgründe geschaffen werden? Anwalt: Zum Beispiel Beteiligung bei Aktionen gegen die sogenannte Residenzpflicht, ob ein Asylbewerber damit Nachfluchtgründe schafft oder nicht, dass ist Ihnen nicht klar, oder? Sachbearbeiterin: Nein. Anwalt: Ganz allgemein: Nachfluchtgründe werden im
Verfahren dann angenommen, wenn jemand hier in besonders extremer ...
Art und Weise politische Aktivitäten macht zum Ersten, und zum Zweiten,
das Aktivitäten sind, wo man davon ausgehen muss, dass durch diese
Aktivitäten bei einer Abschiebung die Personen dann in ihrer Heimat
verfolgt werden könnten. Der Klassiker sind Demonstrationen, militante
Demonstrationen vielleicht auch noch, vor der eigenen Botschaft... . Anwalt: Wo soll dann so eine beispielsweise bei Demonstrationen zur Abschaffung der Residenzpflicht sein? Sachbearbeiterin: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Sachbearbeiterin: Er war eigentlich der Einzige, der danach gefragt hat, also, was mir bekannt ist. ..... können wir ja nicht nachvollziehen. Anwalt: Die wissen, dass sie das (Anm.: Urlaubsschein wegen politischer Betätigung) nicht kriegen würden, wahrscheinlich. Wenn Sie selber sagen, das wird ausgesprochen restriktiv gehandhabt... . Anwalt: Aber Sie unterscheiden doch bei der Urlaubsvergabe
beispielsweise, ob jemand Freund/Freundin oder Familienangehörige
besucht, wo Sie sagen, das würden Sie eher liberal handhaben, also
da würden Sie diese drei Tage Monat potenziell geben. Und, wenn es
dann beispielsweise um politische Aktivitäten geht eher zurückhaltend
restriktiv, wenn überhaupt, dann Sachbearbeiterin: Das ist schon so. Sachbearbeiterin: Ja. Anwalt: Ich weiß, Sie sind in einer etwas unglücklichen
Rolle hier heute, das seh ich ja auch ein, ja. Aber, diese Maßgaben,
die vom Innenministerium gekommen sind, die würden Sie schlicht so
verstehen, dass politische Aktivitäten von Asylbewerbern tendenziell
unerwünscht sind. ... Sachbearbeiterin: Das kann zutreffen. Sachbearbeiterin weist auf die Erwähnung der beantragten Frankreichreise hin. Anwalt belehrt Sachbearbeiterin, dass es ein Irrtum sei,
dass bei Auslandsreisen, Asylgründe in Deutschland aufgehoben würden,
nennt das Beispiel von jugendlichen Mandanten, Asylbewerbern, denen Klassenfahrten
ins Ausland genehmigt wurden, ohne dass deren Asylverfahren beeinträchtigt
wurde. Verhandlungspause 10.23 h A.S. stimmt zu. 153 PO eingestellt. Die kosten des Verfahrens u. der notwendigen Unterlage werden von der Staatskasse getragen. Das Verfahren ist damit eingestellt. Richterin: Die Beweisaufnahme ist abgeschlossen. Das Gericht
und die Staatsanwaltschaft konnten sich eine Idee machen, wie es im allgemeinen
in Gotha und in dem spezifischen Fall funktioniert. Wir haben dabei festgestellt,
dass es nicht so wie es sollte funktioniert. Das Gericht regt an Ihr Verfahren
nach $153 StPO wegen geringer Schuld einzustellen. Die Staatsanwaltschaft
würde einem solchen Verfahren zustimmen. Anwalt: .... lobt die Einsichtigkeit des Gerichtes in die Argumentationslinien der Verteidigung. Informiert über Notwendigkeit der Abschaffung des Gesetzes der Residenzpflicht. Erwähnt Aufbauschen der „Ausländer-Kriminalstatistik“ durch die Residenzpflicht. Erläutert die Entstehungsgeschichte des Gesetzes, die bis 1936 zurückgeht. Gesetz diene der Abschreckung von Asylbewerbern. Weist auf Stellungnahme UNHCR hin: „Der UNHCR hat, als dieses Gesetz im Jahre 1982 neu, in einem etwas anderes Wortlaut in Gesetzesform gegossen worden ist, folgendes gesagt: „In Deutschland gibt es ein System, dass durch Zwangsinternierung in Zentren, ernsthafte Beschränkungen der Bewegungsfreiheit, Arbeitsverbot bei gleichzeitiger Verpflichtung zu gemeinnützigen Diensten und Nichtanerkennung der Familieneinheit in Europa ein einzigartiges System zur Abschreckung von Asylbewerbern zu Tage gebracht hat.“ Dieses Protokoll wurde anhand mehrerer Mitschriften
möglichst wahrheitsgetreu erstellt.... |