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Ein Gericht schleicht um die heiße Meinungsfreiheit

Von Klaus Specht

Am 13. Februar fand im Rathaus der Stadt Lüdenscheid im Sauerland der Kündigungsschutzprozess des am 13. September 2001 fristlos gekündigten Metin Serefoglu gegen seinen Arbeitgeber Kostal GmbH in erster Instanz statt. Das Gericht machte am Ende der ausdauernden Sitzung den Pateien den Vorschlag das Arbeitsverhältnis für gelöst zu nehmen bei Zahlung einer Abfindung von 30.000 Euro an den Entlassenen.
Die streitenden Parteien haben nun Zeit zur Abwägung zwischen einem um diesen Vergleich sich bewegenden Ende des Verfahrens oder einem weiteren Termin in dieser Instanz auf Antrag einer der Parteien.

Hintergrund des Prozesses war die Nichtteilnahme des türkischen Arbeiters an einer Schweigeminute -bei der die Produktion aber weiterlaufen mußte - für die Opfer des Anschlages vom 11. September. Der Kläger hatte erklärt, für ihn als Alewiten seien alle Menschen gleich zu ehren, das mache es ihm unmöglich die Trauer um amerikanische anders zu begehen, als um bosnischen oder türkischen Gewaltopfer. Der Betriebsrat beantragte daraufhin die fristlose Kündigung von Herrn Serefoglu. Sie wurde am Tag des Vorgangs, dem13. 9., auch sofort ausgesprochen. In den Schriftsätzen der Beklagten tauchten nun unterstellte Verhaltensweisen auf, mit denen sie ihr Vorgehen gegen die siebenköpfige Familie Serefoglu zu rechtfertigen versuchte: provokatives Grinsen, haßerfüllter Blick, Zustimmung zum Terror usw., aus denen eine empfindliche Störung des Betriebsfriedens konstruiert wurde.

Während des Pozesses ging es der beklagten Firma zunächst darum die Mängel des Anhörungsverfahren als einen läppischen 'Förmelei'-Vorwurf wegzureden. Von Klägerseite wurde gezeigt, dass eine notwendige ordnungsgemäße Einberufung einer BR-Sitzung nicht stattgefunden hatte, vielmehr eine Geburtstagsfeier eines BR-Mitgliedes als BR-Sitzung bezeichnet wurde. Der Richter König erklärte dazu, dass vom Arbeitgeber hierzu keine Nachprüfungspflicht bestehe.

Der Anwalt des Klägers, Ingo Theissen, versuchte dem Gericht immer wieder deutlich zu machen, dass es im Gewirr der vorgebrachten Argumente letztlich um folgende Fragen gehe:

Die Arbeitgeberseite brachte ein inzwischen eingestelltes staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren gegen den offenbar dort denunzierten, aber über die Ermittlungen nicht informierten Serefoglu in die Verhandlung ein. Diese Stimmungsmache wurde vom Richter nicht zurückgewiesen. Sie. Die Fa. Kostal beharrte auf ihrer Behauptung, Herr Serefoglu habe den Grundkonsens der menschlichen Wertebasis überschritten und wiederholte ihre Bewertung der Unzumutbarkeit der Fortführung des Arbeitsverhältnisses. Kostal gab zudem mehrfach zu verstehen, dass die Wiedergabe der Vorgänge im 'LabourNet Germany' sie sehr störe.

Was das betraf, konnte RA Theissen mit Zitaten nachweisen, dass die Darstellungen der angeblichen Äußerungen des Klägers in den Arbeitgeberschriftsätzen ein geschickt mischendes Jonglieren zwischen direkter und indirekter Rede, montiert mit vagen Subjektivismen und ergänzt durch offensichtlichen chronologischen Widersinn, wie auch der Wirklichkeit widersprechende Zuordnungen von Zeugen zu Orten und Zeitpunkten war.

RA Theissen zitierte aus der Süddeutschen Zeitung vom Tage: "Dennoch ist zweifelhaft, ob die Kündigung rechtmäßig ist. Wolfgang Däubler, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Bremen, sagt: 'Selbst wenn die Schilderungen der Arbeitgeber zutreffen, reicht das nicht für eine fristlose Kündigung.' Außenseitermeinungen, wie sie Serefoglu vorgeworfen werden, fehle der betriebliche Bezug. Auch verletze ein Arbeitnehmer nicht seine vertraglichen Pflichten, wenn er nicht an einer Gedenkminute teilnehme. Wer Politik in den Betrieb hineintrage, müsse sich nicht wundern, auch Ansichten zu hören, die ihm nicht gefallen." (SZ, 13. 2. 2002, Seite 41, "Im Schatten des 11. September" v. Fabienne Melzer).

Der Richter erklärte am Schluß der Sitzung, das Gericht habe eine abschließende Beurteilung des Falles noch nicht vollzogen.

Wer sich nach der recht gut besuchten Verhandlung umhörte, wußte schnell, wo der Haken bei der vom Gericht zu schlechter Letzt aufgebauten Alternative liegt. Für den finanziell durch seinen Arbeitgeber schwerstens geschädigten Kläger wird der weitere Kampf um seinen Arbeitsplatz nur zu führen sein, wenn das Überleben seiner Familie mit fünf Kindern von der massiven materiellen und moralischen Solidarität sozial engagierter Bürger gesichert würde. Alle diejenigen, die sich in Zukunft in den Betrieben nicht der Willkür der Unternehmer ausgesetzt sehen wollen und nicht bereit sind, sich unterwürfig Meinungsäußerungen des Arbeitgebers anzupassen bei Strafe existenzieller Pressionen, sind hiermit aufgerufen der Familie Serefoglu die materielle Souveränität für den Kampf um ihr gutes Recht zur Verfügung zu stellen!

Solidaritätskonto Serefoglu
Kto.-Nr.: 50 40 20 91 01
Volksbank Hagen eG
BLZ: 450 600 09


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