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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Meinungsfreiheit, ein Grundrecht Informationen zum Fall Heiko Barten von der Redaktion von „Frischer Wind“ Im Mai diesen Jahres hatte "www.frischerwind-online.de"
den Preis für die kreativste Internetseite von Arbeitnehmervertretern
– ohne Unternehmensbezug - erhalten (siehe www.liaison.de,
Artikel „Frischer Wind!“ in Computer-Fachwissen 09/2003).
Im August letzten Jahres sollte der Verantwortliche dieser Webseite
und zwischenzeitlich zum Betriebsratsvorsitzenden der Bankgesellschaft
Berlin AG gewählte Heiko Barten fristlos gekündigt werden. Am 21. November
ersetzte eine Kammer des Berliner Arbeitsgerichts die Zustimmung zur
Kündigung, die der Betriebsrat zuvor versagt hatte. In einem sog. Trennungsgespräch“ wird dem Mitarbeiter
von der Personalleitung oder dem direkten Vorgesetzten die Verzichtbarkeit
seiner Arbeitskraft - aus Sicht des Unternehmens -mitgeteilt. Damit
diese Gespräche nach der Diktion des Unternehmens „in angenehmer
Atmosphäre“ ablaufen, bieten sog. Personalberater entsprechende
Seminare an. Die Führungskräfte des Unternehmens und einige Betriebsräte
(so auch Heiko Barten um sich direkt zu informieren) haben im März letzten
Jahres, derartige Seminare besucht. Mit der besagten Animation wollten wir versuchen durch
eine Vielzahl sehr schnell ablaufender Bilder, Ohnmacht, Hilflosigkeit,
aber auch Hoffnung auszudrücken. Hiermit wollte FrischerWind! den Betrachter
anregen, sich mit dem Thema und den gesamtgesellschaftlichen Gefahren
kritisch auseinander zu setzten. Im Rahmen der Präsentation wurde auch ein Bild gezeigt,
auf dem das Eingangstor der KZ-Gedenkstätte Dachau (mit der Inschrift
„Arbeit macht frei“) zu sehen war. "Man muss heutzutage schon drastische Maßnahmen ergreifen,
um Aufsehen zu erregen", hatte Heiko Barten als ersten Gedanken zur
kreativen Erstellung der Animation angeführt. Ähnlich hatte vor einiger Zeit auch der ver.di-Vorsitzende
Frank Bsirske argumentiert, um das stark kritisierte Video zu verteidigen,
mit dem die Gewerkschaftsjugend auf die Jugendarbeitslosigkeit und die
katastrophale Ausbildungsplatzsituation hinweisen wollte. Die Arbeitgeberin von Heiko Barten fühlte sich –
nach dem gezielten Hinweis durch einen anderen Arbeitnehmervertreter
- direkt angegriffen. Es wird behauptet, ein Bezug zwischen den in der
Bankgesellschaft aktuell geführten Trennungsgesprächen und den Nazi-Methoden
sei eine unerträgliche Beleidigung der betroffenen Führungskräfte und
in Bezug auf die Opfer des Nazi-Regimes eine Verunglimpfung des Andenkens
Verstorbener. In einem Personalgespräch (das nachträglich als „Anhörung“
tituliert wurde) räumte Heiko Barten ein, dass ihm die Bilderauswahl
bezüglich der nun offensichtlichen Fehlinterpretation misslungen sei
und ihm dieses Missverständnis „leid tue, weil dieser Vergleich
von ihm so nicht beabsichtigt gewesen sei“. Tags zuvor hatte Heiko
Barten das Banner bereits von der Startseite gelöscht. Außerdem erschien
auf der Startseite des Frischen Wind! eine Entschuldigung und Klarstellung
bei allen möglichen Nutzern der Webseite. Die fristlose, verhaltensbedingte, außerordentliche Kündigung
wurde seitens der Arbeitsgeberin trotz dieser Entschuldigung und dem
Ausdruck des Bedauerns zur Missverständlichkeit der Bilder beantragt. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung begründet und
erklärte bestenfalls eine Abmahnung als gerechtfertigt. Das war nicht
selbstverständlich, da im Gremium die Liste "FrischerWind"
und unser Streben nach mehr Transparenz und Meinungsfreiheit nicht bei
allen Betriebsratsmitgliedern auf Gegenliebe stieß. Der damalige Vorsitzende
trat - unter taktlosem und indiskretem Hinweis auf die verweigerte Zustimmung
– zurück. Vier Wochen später wurde Heiko Barten - nun sogar mit
Hausverbot belegt - mit Mehrheit zum neuen Vorsitzenden gewählt. Mit einer von Heiko Barten erkämpften einstweiligen Verfügung
– aufgrund fortgesetzten Zutrittsverbots des Arbeitgebers später
unter gerichtlicher Androhung von Ordnungsgeld – gelang es ihm
zumindest stundenweise den wichtigsten Verpflichtungen als Betriebsratsvorsitzender
nachzugehen. Vor dem Arbeitsgericht verlangte die Arbeitgeberin dennoch
die "Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur fristlosen
Kündigung" - und gewann in dieser Instanz den Rechtsstreit gegen
den beklagten Betriebsrat. Das Gericht folgte in vollem Umfang der Auffassung
der Arbeitgeberin. Die vorsitzende Richterin führte in der mündlichen
Urteilsbegründung aus, dass Heiko Barten mit der Veröffentlichung dieser
animierten Präsentation eine "schwerwiegende Pflichtverletzung"
aus seinen arbeitsvertraglichen Pflichten begangen habe, indem er das
Vertrauen der Arbeitgeberin nachhaltig zerstört habe... Dabei sei es in der Konsequenz unerheblich, dass Heiko
Barten die Animation in seiner Freizeit erstellt und auf einer Internetseite
veröffentlicht hat, denn die arbeitsvertragliche Verpflichtung zu einer
vertrauensvollen Zusammenarbeit wirke sich auch auf den privaten Lebensbereich
aus und beschränke sich nicht auf rein betriebliche Belange. Die Animation, wie auch die Homepage der Initiative, enthielt
keinerlei Hinweise auf die Bankgesellschaft, noch auf irgendeinen anderen
Arbeitgeber oder ähnliches. Weil jedoch einige Mitglieder der Initiative
"FrischerWind!" Mitarbeiter des Konzerns der Bankgesellschaft
sind, und die Mitarbeiter des Konzerns damit die vorrangigen Betrachter
dieser Internet-Auftritts seien, sah das Gericht grundsätzlich einen
direkten Bezug von dem sich die Arbeitgeberin betroffen fühlen durfte.
Dass die Animation bereits vor dem Personalgespräch von der Startseite
entfernt worden war und wie üblich in die Rubrik "Kreatives"
archiviert wurde, führte das Gericht sogar als „Verstärkung der
Aufmerksamkeit“ an, da im „Schwarzen Brett“ auf diesen
Sachverhallt hingewiesen wurde. Bei der in einem Kündigungsprozess notwendigen Interessenabwägung
sah das Gericht zwar in Heiko Barten einen engagierten, abmahnungsfreien
Mitarbeiter und Betriebsrat, der sich in seiner 17-jährigen Tätigkeit
für die Arbeitgeberin nichts hat zu Schulden kommen lassen bzw. dessen
Engagement und Leistungen ausdrücklich anerkannt wurden. Allerdings
sei diese einmalige Verfehlung höher zu bewerten, weil der „Vergleich
zur Nazizeit ungeheuerlich“ sei. Den Hinweis auf die Kunstform
„Satire“ und den damit grundgesetzlich gesicherten Freiheiten
wies das Gericht zurück: „Man müsse es wohl satirisch sehen, um
es zu verstehen“, führte die Richterin aus. Dieses reiche jedoch
nur dazu aus, dass keine Gleichstellung bei der Abwägung seiner sozialen
Schutzbedürfnisse (ein unterhaltspflichtiges Kleinkind) vorliege Sowohl vor der besagten Präsentation und auch insbesondere
nach dem Erscheinen der Präsentation (seit dem Heiko Barten als BR-Vorsitzender
in den Sanierungsbemühungen der Arbeitgeberin als kompetenter Gesprächs-
und Verhandlungspartner auftrat und geschätzt wird) wurde zwischen Heiko
Barten und der Arbeitgeberin eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit
praktiziert. Aber auch dieses beeindruckte das Gericht nicht mehr,
weil dies die vom BetrVG vorgeschriebene Art des Umgangs sei. So blieb
es also bei der fristlosen Kündigung, die ohne vorherige Abmahnung wirksam
werden soll, weil eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorliege und
die Interessenabwägung gegen Heiko Barten ausgefallen sei. Es stellt sich zu Recht die Frage, ob jemand, der sich
erstmalig in seinem gesamten Berufsleben einen so umstrittenen, zweifelhaften
– da so ausgelegten - Fehltritt leistet, so hart bestraft werden
muss? Es gab (und gibt sie noch) Alternativen: Die Umwandlung
der fristlosen Kündigung in eine Abmahnung wäre denkbar gewesen. Das
Gericht hatte auf Vergleichsmöglichkeiten hingewiesen. Die Vertreter
der Arbeitgeberin lehnten diese jedoch kategorisch ab. Heiko Barten unterstrich sein Bedauern und seinen Wunsch
eine Chance zu erhalten die Zweifel zu beseitigen. "FrischerWind!“ ist offensichtlich für die Bankgesellschaft
und auch für die Betriebsräte, die nicht diese Initiative unterstützen,
eine ungeliebte Provokation. Ja, „FrischerWind!“ will provozieren –
zu mehr Transparenz und mehr Meinungsfreiheit. Dieses gilt für die Öffentlichkeit
ebenso wie auch für die Bankgesellschaft. Nach der Preisverleihung für
FrischerWind!“ im Mai 2003 ist die Aufmerksamkeit weiter gestiegen,
im Gästebuch finden sich beispielsweise eine Vielzahl Einträgen anderer
Betriebsräte aus der ganzen Republik. "FrischerWind!“ hat zunehmend übergreifende Erfolge
bei Betriebsratswahlen zu verzeichnen. JE STÄRKER DER WIND AUFFRISCHT,
DESTO STÄRKER MUSS MIT GEGENWIND GERECHNET WERDEN. Überraschenderweise hat der Betriebsrat der Bankgesellschaft
nach Bekanntwerden des Urteils nicht Revision eingelegt, sondern stattdessen
im Nachhinein dem Kündigungsbegehren gegen seinen Vorsitzenden zugestimmt.
Somit wurde Heiko Barten am 26.11.2003 außerordentlich, fristlos durch
die Arbeitgeberin gekündigt. Die Gerichtstermine zu der nun eingelegten Kündigungsschutzklage
werden wiederum öffentlich sein. An den Gerichtsterminen kann folglich
jeder als Beobachter teilnehmen. Mittlerweile findet „der Fall“
bundesweit Beachtung. Uns erreichen Solidaritätsbekundungen von Betriebsräten
aus ganz Deutschland, die sich z.T. auch direkt an den Vorstand der
Bankgesellschaft wenden. Wir wünschen Heiko Barten einen positiven Ausgang! Der Gütetermin ist am 14. Januar 2004 um 10 Uhr |