...
... beantragen wir, den Beklagten zu verurteilen, die Abmahnung vom 22.03.1999 (...) aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Begründung:
1. ... Abmahnung im wesentlichen mit der Begründung, der Kläger habe sich in einem Schreiben vom 26.01.1999 in auffälligem Gegensatz zum Beschluß des Bundesvorstandes des Beklagten vom 02.03.1999 bewegt.
2. Die Abmahnung ist unwirksam und unbegründet.
2.1 Dem Kläger wurde keine Möglichkeit gegeben, vor dem Zugang der Abmahnung am 29.03.1999 Stellung zu den darin enthaltenen Vorwürfen zu nehmen. ...
2.2 Die Abmahnung ist auch deswegen unwirksam, weil sich ihr kein konkretes
arbeitsvertragliches Fehlverhalten entnehmen läßt. Dem Kläger kann aufgrund
der Abmahnung nicht deutlich werden, welches arbeitsvertragliche Verhalten zukünftig
von ihm verlangt wird. ...
Dem Kläger wird vorgeworfen "nicht sachlich informiert", sondern "eher agitiert"
zu haben. Im weiteren wird ihm vorgeworfen, seine Bewertung der Vereinbarung
stünde im Gegensatz zu dem ca. drei Monate später erfolgten Beschluß des DGB-Bundesvorstandes
in dieser Angelegenheit. Aus diesen Vorwürfen läßt sich nicht entnehmen, welches
Verhalten dem Kläger vorgeworfen und von ihm für die Zukunft erwartet wird.
2.3 Die Abmahnung ist 3. deswegen unwirksam, weil das Recht zur Abmahnung verwirkt
wurde...
Am 26.01.1999 verfaßte der Kläger eine Kurzanalyse und Bewertung des Verhandlungsergebnisses...
Am 01.02.1999 sprach der Kläger mit seinem Abteilungsleiter über diesen Text.
Der Abteilungsleiter hinterfragte einen ihm unklaren Punkt. Einwände dagegen,
daß das Schreiben den Tarifpolitikern zugesandt wurde, wurden nicht geäußert.
Der Abteilungsleiter beendete das Gespräch sinngemäß mit "ja, dann hören wir
ja, was sie dazu meinen". Beweis: Zeugnis des Hans Georg Wehner,...
Auf Grundlage dieses Gespräches konnte und durfte der Kläger davon ausgehen,
daß der ihm weisungsbefugte Vorgesetzte, der zugleich Vorstandssekretär des
Vorstandsmitgliedes des Klägers ist, keine Einwendungen gegen den Inhalt der
Kurzanalyse sowie gegen das Vorgehen des Klägers hatte...
2.4 Die Abmahnung ist darüber hinaus auch unbegründet...
Die europäischen Sozialpartner verhandeln seit geraumer Zeit... Der Beklagte
ist über den Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) an diesen Verhandlungen beteiligt.
Federführend für dieses Thema beim Beklagten ist die Abteilung Arbeitsmarktpolitik.
Die Abteilung, in der der Kläger arbeitet, Wirtschafts- und Tarifpolitik, begleitet
die Verhandlungen.
Die Verhandlungen über die Rahmenvereinbarung gestalteten sich im Jahre 1998
schwierig. Aufgrund dessen erarbeitete der federführende Vorstandsbereich im
Dezember 1998 eine Beschlußvorlage, die Verhandlungen ... für gescheitert zu
erklären (Anlage 3). Vor dem Hintergrund dieser kritischen Haltung des Beklagten...
erstellte der Kläger die Kurzanalyse und Bewertung des Verhandlungsergebnisses
vom 26.12.1999, die wegen eines technischen Versehens beim Schreiben das Datum
des 13.12.1998 trägt.
Diese Analyse wurde vom Kläger als Basis für den Austausch der Tarifpolitiker
der Einzelgewerkschaften erstellt. Dieses Verfahren ist üblich und von den Tarifpolitikern
zur Vorbereitung ihres Votums auch gewünscht. Beweis: Zeugnis des 1. ... 2.
... 3. ... 4. ...
Am 14.01.1999 beurteilte die Verhandlungsgruppe des EGB das Verhandlungsergebnis.
Wegen inhaltlicher Bedenken enthielt sich der DGB der Stimme. Wie sich aus dem
als Anlagen ... beigefügten Schreiben der Mitgliedsgewerkschaften des Beklagten
und der DAG ergibt, nahmen auch diese eine kritische Haltung zu dem Verhandlungsergebnis
ein. Auch die IG BAU, die IG BCE, die Gewerkschaft hbv, die GHK, die Gewerkschaft
NGG und die DPG nahmen aus tarifpolitischer Sicht eine ablehnende Haltung ein.
Auf dieser Grundlage beschloß am 02.03.1999 der Bundesvorstand des Beklagten
die Empfehlung, dem Verhandlungsergebnis zuzustimmen. Die Zustimmung erfolgte
unter der Bedingung, daß nach dem Kongreß des EGB eine Diskussion über die strukturellen
Fragen des sozialen Dialogs geführt wird. Beweis: Zeugnis 1. ... 2. ... 3. ...
(Gewerkschaftsvorsitzende).
Die in der Kurzanalyse des Klägers enthaltenen Äußerungen sind... Gegenstand
der angegriffenen Abmahnung. Dabei wird dem Kläger vorgeworfen, dass er nicht
informiert, sondern "agitiert" habe. Dies wird damit begründet, daß er eine
Empfehlung abgegeben hat, das Verhandlungsergebnis "abzulehnen", jedenfalls
ihm nicht zuzustimmen.
Diese Empfehlung widerspricht nicht der arbeitsvertraglichen Verpflichtung des
Klägers. Wie oben dargestellt, herrschte beim Beklagten sowie seinen Mitgliedsgewerkschaften
insgesamt eine kritische Haltung zu der Rahmenvereinbarung. Auf dieser Linie
befand sich auch der Kläger. Es hieße die arbeitsvertraglichen Pflichten des
Klägers überspannen, wenn ihm auferlegt wird, Veränderungen im Meinungsbild
bei dem Beklagten vorauszusehen. .....
Der Vorwurf der einseitigen Agitation des Klägers ist unzutreffend. Der Kläger
hat jeweils über positive und kritische Einschätzungen informiert. Dabei hat
er demselben Empfängerkreis, der die als Anlage 2 beigefügte Bewertung erhielt,
auch die positiveren Einschätzungen seiner Kollegin N. N. und des EGB-Sekre-tariats
geschickt. Beweis: Zeugnis des 1. ... 4. ...
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der Kläger sich pflichtgemäß verhalten hat. Ein arbeitsvertragliches Fehlverhalten kann ihm nicht vorgeworfen werden. ...
Regine Windirsch
Rechtsanwältin
- wie Klage 1 (bis einschließlich "Die in der Kurzanalyse des Klägers enthaltenen Äußerungen sind... Gegenstand der angegriffenen Abmahnung.", dann zusätzlich:
Dabei wird dem Kläger vorgeworfen, daß er "intensive Initiativen zur Verbrei-tung (seiner) ablehnend und negativ zugespitzten Darstellung des Verhandlungsergebnisses auch auf europäischer Ebene unternommen" habe. Dieser Vorwurf ist unzutreffend. Der Kläger hat keine "intensiven Initiativen" unternommen, um eine persönliche Darstellung auf europäischer Ebene zu verbreiten. Der Kläger ist vielmehr seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen dadurch nachgekommen, daß er wie üblich und von den Tarifpolitikern gewünscht eine fundierte Analyse eines Verhandlungsergebnisses an den ebenfalls üblichen Adressaten-kreis verschickte. Beweis: Zeugnis des 1. ... 4. ...
Zu diesem Kreis gehören im Rahmen des allgemeinen Informationsaustausches auch Mitglieder der Expertengruppe der tarifpolitischen Kooperation Benelux-Deutschland ("Doorn-Initiative"). Beweis: Zeugnis des 1. ... 3. (Belgier, Niederländer, Euro-Fiet)
Dabei ist es auch üblich, daß auch noch nicht beschlossene Papiere an diese Adressaten versendet werden, ebenso wie diese auch nicht beschlossene Papiere an den Kläger und den Beklagten schicken. Beweis: wie vor. .
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Auf Grundlage des bereits dargestellten Gesprächs des Klägers mit seinem Abtei-lungsleiter am 01.02.1999 übersandte der Kläger seine Analyse an die Kollegen der Benelux-Deutschland-Kooperation sowie einige weitere deutsch verstehende Mit-glieder des EGB-Arbeitsbeziehungsausschuss mit dem als Anlage... beigefügten e-mail-Anschreiben. Auch dieses Verfahren ist durchaus üblich und wurde über Jahre hinweg vom Kläger praktiziert und vom Beklagten nicht kritisiert, obwohl ihm dies bekannt war. Beweis: Zeugnis des 1. -3. ...
In der Folge dieses e-mails schrieb der Generalsekretär des EGB, Emilio Gabaglio, an den Vorsitzenden des Beklagten, Dieter Schulte. In dem Schreiben beschwerte sich Herr Gabaglio darüber, daß der Eindruck einer offiziösen Stellungnahme des DGB vermittelt würde.
Dies leitet der EGB-Generalsekretär aus der angeblich unüblichen Betitelung
"Diplom-Soziologe Joachim Kreimer-de Fries, head european collective negotiations and working time policies at DGB executive board, member of ETUC industrial relations standing committee".
Diese Bezeichnung ist durchaus nicht unüblich. Es handelt sich um die Übersetzung der Funktionsbeschreibung des Klägers, wie sich aus der als Anlage... beigefügten Visitenkarte des Klägers ergibt. Der Text der Visitenkarte, so wie er in der Abmahnung aufgeführt ist, erscheint am Ende jeder mail des Klägers, die dieser von seinem Arbeitsplatz aus abschickt. Dies ist dem Beklagten auch bekannt.
Die Bezeichnung ist also nicht unüblich. Sie führt auch nicht automatisch dazu, daß es sich um offizielle Stellungnahmen handelt.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß der Beklagte seinen arbeitsvertraglichen Pflichten in vorbildlicher Weise nachgekommen ist. Die Abmahnung ist unbegründet. ....
Regine Windirsch
#Rechtsanwältin