letzte Änderung am 30. Juli 2002

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Betriebsrat Georg Thieme Verlag, Rüdigerstr. 14, 70469 Stuttgart
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z.K. Kollege Natale Fontana per Post

Betriebsrat
Druckverarbeitung Nürnberg GmbH
Brunecker Str. 98
90461 Nürnberg

24.7.2002

Offener Brief

Hallo Kolleginnen und Kollegen des Betriebsrates!

Über den ver.di Fachbereich Medien erfuhren wir, dass die Mehrheit unter euch dem Begehren der Geschäftsleitung nachgekommen ist und der fristlosen Kündigung eures Vorsitzenden Natale Fontana zugestimmt hat. Warum hat wohl der Gesetzgeber vorgesehen, dass die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds der Zustimmung des Betriebsrats bedarf? Etwa, damit die Geschäftsleitung unbequeme Betriebsratsmitglieder schneller los wird? Sicherlich nicht! Der besondere Schutz ist dafür vorgesehen, damit Betriebsratsmitglieder und erst Recht ihre Vorsitzenden konsequent zum Wohle der Belegschaft ihrer Tätigkeit nachgehen können, ohne um ihren Arbeitsplatz bangen zu müssen. Es liegt in der Natur der Sache, dass dabei Konflikte zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat aufbrechen können.

Ihr, die Betriebsratsmehrheit, habt euch mit eurer Zustimmung zum Handlanger der Geschäftsleitung gemacht. Das ist Verrat am Kollegen Fontana, aber auch Verrat an seinen Wählern. Es ist Sache der Arbeitsgerichte zu prüfen, ob die genannten fadenscheinigen Gründe für die fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ausreichen. Das ist keinesfalls die Aufgabe des Betriebsrats. Auf wen können sich jetzt noch die Verfechter der Kollegeninteressen verlassen? Und auf wen kann da noch die Belegschaft bauen? Und welcher willige Vertreter von Arbeitnehmerinteressen bringt da noch künftig den Mut auf, für das Gremium zu kandidieren?

"Skandal im blauen Haus" nannte man es bei uns anno 1983, als der damalige Betriebsrat in seiner Mehrheit der Kündigung einer Betriebsratskollegin zustimmte und sie, bereits 43 Jahre alt, in eine ungewisse Zukunft schickte. Unsere Kollegin klagte und gewann den Prozess in zwei Instanzen. Sie hat ihren Arbeitsplatz zurückerobert und ist weiterhin betriebsrätlich tätig. Auch hier waren fadenscheinige Gründe dem Betriebsrat genannt worden, um diese unbequeme Person loszuwerden. Auch hier war die Betriebsratsmehrheit bemüht, der Geschäftsleitung einen Gefallen zu tun. Es ist misslungen und es war teuer. Die Prozesskosten mussten von der Geschäftsleitung getragen werden und für 1 ½ Jahre war das Gehalt nachzuzahlen. Die Betriebsratsmitglieder bei Thieme sind sich einig, nie wieder einem derartigen Begehren der Geschäftsleitung nachzukommen.

Wir bitten die Minderheit unter euch, unterstützt euren Kollegen mit allen euch zur Verfügung stehenden Kräften. Er braucht nicht nur eure Solidarität, sondern auch dringend eure Hilfe.

Mit kollegialen Grüßen

Hartmut Jeutter
Vorsitzender des Betriebsrates

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