letzte Änderung am 24. Jan 2003 | |
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Der Richter hat es geahnt. Statt des kleinen Saals hat er den großen genommen - es hat trotzdem nicht gereicht. Es waren um die 60 TeilnehmerInnen, die dem Prozeß beiwohnten.
Der Richter schien am Anfang etwas genervt zu sein. Immer mehr Freunde und KollegInnen drängten in den Saal rein, der Saal war überfüllt und der Richter wollte unbedingt anfangen. Viele mußten stehen, einige kamen nicht einmal rein.
Groß angekündigt waren etliche Zeugen für den Arbeitgeber, aber erschienen ist lediglich der AG-Anwalt; ganz allein, verlassen und traurig aus der Wäsche guckend. Er hat allerlei Grund dazu.
Das Gericht fing mit der ersten Kündigung an und ging die Kündigungsgründe systematisch durch.
Zu diesem Tagesordnungspunkt hätte der jetzige Betriebsratsvorsitzende Jürgen Bauer aussagen sollen. Er glänzte jedoch durch Abwesenheit.
Schon zu diesem Zeitpunkt zeichnete es sich ab, daß diese Art von Vorwürfen keine Kündigungsgründe für die Geschäftsleitung sein könnten. Allenfalls handelt es sich um Pflichtverletzungen, die ganz anders hätten geahndet werden müssen.
Es war offensichtlich, daß Fonti die Daten nicht gelöscht hätte, weil er zu jener Zeit nicht einmal Zugang auf dem Rechner hatte. Auf die trockene Bemerkung des Richters, daß die Beweislast bei der Firma liege, und es für diese Vorwürfe nicht einmal ein Indiz dafür gebe, schwieg der AG-Anwalt.
Nachdem die ersten beiden Gründen haltlos schienen, wurde die Neugier des Richters geweckt. Was steckt wirklich hinter diesen fristlosen Kündigungen, wollte er wissen. Fonti erläutete, daß der Hauptgrund eine nicht nachvollziehbare Betriebsänderung sei und der teuer gekaufte Wechsel der Betriebsratsmehrheit. Die alte Mehrheit war der Geschäftsleitung ein Dorn im Auge, die Geschäftsleitung setzte alles daran, diesen Umstand zu ändern. Letztlich ging es um die Politik des alten Betriebsrates.
Dies war dem AG-Anwalt, im Gegensatz zum Richter, zu bunt. In einem fast cholerischen Ausbruch, wollte er wissen,welche rechtliche Relevanz die Ausführungen für den Prozeß hätte. Der Richter war nicht beeindruckt, er fragte beharrlich weiter. Fast außer sich und über die Konsequenzen nicht nachdenkend ließ der Anwalt sich zur Äußerung ans Gericht verleiten, "wenn Sie wissen wollen, worum es geht, brauchen Sie nur LabourNet anzuschauen.- Begleitet vom leisen Gelächter des Publikums wurde ihm wahrscheinlich die Tragweite seiner Bemerkung bewußt. Indirekt gab er eigentlich zu, daß unsere Berichterstattung über diesen Fall stimmt und gleichzeitig outete er sich als einer unseren vielen fleißigen Leser!
Um die Mehrheit im Betriebsrat zu ändern, wurde einer der Betriebsräte mit viel Geld herausgekauft. Fonti hatte in einer Betriebsversammlung die Höhe seiner Abfindung als nachahmbares Beispiel erwähnt. Für den Richter war nicht klar, welche Nachteile der Betroffene gehabt hätte und ob diese Summe ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis gewesen sei. Wie dem auch sei, der Richter konnte nicht einmal eine Störung des Betriebsfriedens erkennen.
Hier lernte der Richter etwas Neues. Nach Auffassung des neuen Betriebsratsvorsitzenden, Jürgen Bauer, müßten Betriebsratsmitglieder mit ihm absprechen, wann und wozu sie sich von der Arbeit freistellen dürfen. Da Fonti diesen Quatsch nicht mitmacht, war dieses Verhalten Grund zur fristlosen Kündigung. Dem Richter war es nicht klar, wer von wem sich instrumentalisieren ließ.
Im AG-Schriftsatz war der große Wunsch, die beiden Kündigungsverfahren zu trennen, bis die Ermittlungen des Staatsanwaltes abgeschlossen seien. Zur großen Entäuschung des AG-Anwalts konnte Fontis Anwalt genußvoll das Schreiben der Staatsanwaltschaft dem Gericht vorlegen, in dem das Verfahren, wie er meinte, wegen "erwiesener Unschuld- eingestellt wurde. Der lapidare Kommentar des Richters, daß er sich das gleich gedacht hätte, sprach Bände. Das Einzige, was dem AG-Anwalt dazu einfiel, war, er könne jetzt endlich Akteneinsicht nehmen.
Das Kartenhaus schien für den Richter zusammengebrochen zu sein. Er wollte zum Schluß kommen und ausloten, ob ein Vergleich möglich wäre. Er fragte zuerst Fonti und dann den AG-Anwalt. Fonti verneinte. Anschließend erklärte der AG-Anwalt, der sei nicht bereit, etwas anzubieten. Es gab dafür einige Erklärungsversuche, der amüsanteste für alle Anwesenden war der, daß er nein sage, weil Fonti nein gesagt hatte.
Vielleicht hatte der Richter erbarmen mit dem AG-Anwalt, weil er so niedergeschmettert aussah. Der AG-Anwalt bekam noch 3 Wochen Zeit, um eine Schriftsatzerwiderung vorzulegen. Eine Woche darauf, am 14. Februar, um 8.30 Uhr im Arbeitsgericht Nürnberg, Sitzungssaal 315, soll dann ein Urteil gefaßt werden.
Es war einer der merkwürdigsten Prozesses, den wir beigewohnt haben. Es fängt schon mit den zahlreichen TeilnehmerInnen an. Die Andeutungen des Richters, daß er keine verwertbaren Beweise für die beiden Kündigungen finden könne und daß die Einstellung des Strafverfahrens ihn nicht überrascht habe, hört man äußerst selten in einem Arbeitsgericht.
Noch dazu war auffällig, daß der AG-Anwalt ein schlechtes Bild von sich abgab. Er schien zu ahnen, daß er keinen guten Stand hatte. Dies fiel sogar die Reporterin der Nürnberger Nachrichten auf. Allerdings schob sie es darauf, daß er unvorbereitet gewesen sei.
Die Taktik des Arbeitgebers fußte darauf, wie wir schon geschrieben haben, daß wenn man viel Dreck wirft, bleibe bestimmt etwas an Fonti hängen. Um deren Argumentation, Fonti habe Sachen geklaut, Gewicht zu verleihen, erstattete die Firma eine Strafanzeige gegen ihn. Solange die Staatsanwaltschaft etwas findet, geht die Rechnung auf. Die außerordentlichen Kündigungen wären relativ leicht durchgegangen, weil der Richter sich auf die Staatsanwaltschaft berufen kann.
Umgekehrt – und dies ist hier der Fall – wenn die Staatsanwaltschaft nichts findet, fällt das wackelige Gebilde der außerordentlichen Kündigungen in sich zusammen. Mehr noch: man könnte die berechtigte Frage stellen, ob die Begründungen im AG-Schriftsatz nicht als eine Täuschung des Gerichts ausgelegt werden könnten?
Es fiel dem Richter auf, daß nicht klar sei, wer hier welche Interessen, sprich Arbeitgeber und Betriebsrat, vertritt. Daß der Arbeitgeber Fonti loshaben wollte, ist nachvollziehbar. Daß der Betriebsrat anscheinend sehr willig mitspielt, und dies kann man in den Prozeßunterlagen sehr deutlich herauslesen, ist durch nichts zu rechtfertigen.
Wenn alles gut läuft, ist Fonti bald wieder im Betrieb. Der Prozeßablauf hat gezeigt, daß es sich lohnt, gegen solche Kündigungen vorzugehen.
Dave Hollis
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