letzte Änderung am 11. August 2002

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Die Öffentlichkeit hat Millionen Augen und Ohren

Prof. Dr. Josef Lutz
Technische Universität Chemnitz
Fakultät ET/IT
09126 Chemnitz

31.07.02

An die Geschäftsleitung der DVN
Geschäftsführer Herr Karl Fischer
Geschäftsführer Herr Dieter Leicht

Druckverarbeitung Nürnberg GmbH
Brunecker Str. 98
90461 Nürnberg

Kopie an den Betriebsrat DVN
Kopie an Natale Fontana

 

Sehr geehrte Herrn,

ich protestiere gegen die Kündigung des Betriebsrats Natale Fontana und gegen Ihre Absichten, Teile der Belegschaft zu entlassen und durch Leiharbeiter zu ersetzen.

Wir haben in Deutschland gewisse soziale Standards, wozu auch ein Kündigungsschutz gehört. Ein Kündigungsschutz ist notwendig, denn Menschen müssen auch Verantwortung für Kinder und Familie wahrnehmen können. Solche Rechte der Beschäftigten sind Rahmenbedingung für jedes Unternehmen. Nun schlagen sie mit Kündigung eines Teils der Stammbelegschaft und Ersatz durch Leiharbeiter den Weg ein, ihre Flexibilität auf Kosten der sozialen Mindestrechte von Beschäftigten durchzusetzen. Jeder weiß um die Nachteile, die niedrige Entlohnung und die Unsicherheit, der Beschäftigte in Leiharbeit ausgesetzt sind.

Nun kündigen Sie auch gleichzeitig den Betriebsrat Fontana, der sich diesen Absichten entgegenstellte. Ohne Ihr Kündigungsschreiben zu kennen, ist das durchsichtig.

Gerade als Hochschullehrer sehe ich es als eine meiner Aufgaben, den Studenten neben Fachwissen auch soziale Kompetenz und Einfühlungsvermögen in die Belange der Beschäftigten zu vermitteln, mit denen sie später als Ingenieure im Team zusammenarbeiten müssen.  Ich gehe davon aus, daß Sie nicht wünschen, daß Ihre Firma hier als Negativbeispiel behandelt werden muß, und fordere Sie dringend auf, diese Maßnahmen zurückzunehmen.

Sie haben wohl gedacht, weil Sie eine Mehrheit im Betriebsrat für die Zustimmung zur Kündigung von Fontana gewonnen haben, hätten Sie leichtes Spiel. Aber da haben Sie sich getäuscht. Die Vorgänge bei Ihnen finden im Zeitalter moderner Medien sehr schnelle Verbreitung und viele sind bereits dabei, den Fall Natale Fontana zur eigenen Sache machen. Und im Gegenteil zu diesem vermeintlichen Erfolg Ihrerseits wirft Ihr Vorgehen Fragen auf. Haben sie die Betriebratsmehrheit durch Druck, sonst würden noch mehr gekündigt, zur Zustimmung zum Abbau von Arbeitsplätzen gebracht? Kommt dies einer Nötigung nahe? Wie konnten Sie erreichen, daß wider dem Zusammenhalt des Kollegiums eine Mehrheit im Betriebsrat der Kündigung eines ihrer Mitglieder zustimmt? Gab es darüberhinaus Abhängigkeiten oder Angebote von Vorteilen? Derartige Einflußnahme durch Unternehmen auf Entscheidungsträger wichtiger Belange ist heute anläßlich der Ereignisse in Köln einer hohen Sensibilität in der Bevölkerung ausgesetzt, und betroffene Unternehmen sehen sich nun vor Gefahr der Sperrung bei Vergabe von öffentlichen Aufträgen und heftigen wirtschaftlichen Einbußen.

Sie selbst wissen, ich kann nur fragen. Aber die Öffentlichkeit hat Millionen Augen und Ohren.

Daß Sie nun eine zweite Kündigung für nötig halten, sowie Ihre Ermittlungen in Döner-Buden, die im Internet zu erfahren sind, das sind doch Anzeichen daß Sie sich in eine prekäre Situation manövriert haben. Da nach dem Motto “das haben wir angefangen, das müssen wir durchziehen” zu handeln ist sehr gefährlich. Je länger Sie diesen Weg gehen, umso größer der Schaden für ihr Unternehmen. Ich möchte Sie dringend auffordern, eine falsche Entscheidung zu korrigieren. Nehmen Sie die Kündigung von Herrn Fontana zurück.

 

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Josef Lutz

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