letzte Änderung am 25. Juli 2002 | |
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Mit viel Kaffee hatten ca. 14 tapfere Verdi-Mitglieder versucht gegen ihre hartnäckige Müdigkeit anzukämpfen und sich um ca. 5:20 Uhr vor den Eingangstoren der Druckverarbeitung Nürnberg eingefunden.
Noch in der Morgendämmerung, es war noch ziemlich dunkel, kamen uns drei gutgekleidete graue Herren entgegen und jedem von uns war klar, diese drei hatten nicht vor, sich zur um 6:00 Uhr beginnenden Frühschicht einzufinden.
Nein, es waren die Herren Bernd Rose, seines Zeichens Vorstandsvorsitzender der Schlott-Sebaldus Gruppe, Dieter Leicht und Karl Fischer, beide Geschäftsführer der Druckverarbeitung Nürnberg.
Nach kurzem Guten Morgen verteilten wir uns, bewaffnet mit großen Verdi Fahnen und den ebenfalls auffälligen Ganzkörperkondomen mit der gut lesbaren Aufschrift IG Medien - wahrscheinlich ein Überbleibsel aus den guten alten IG Medien Tagen - an den beiden Eingangstoren. Den zur Frühschicht eilenden KollegInnen war das Erstaunen über soviel Präsenz unsererseits und über die quälend lächelnde Geschäftsleitung, die jeder/m MitarbeiterIn den sie erwischen konnte schön brav, und zum Zeichen das sie sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst waren die Hand schüttelten, anzusehen.
Wir ließen uns aber nicht verunsichern und verteilten der ankommenden Frühschicht selbstbewusst unsere mitgebrachten Flugblätter.
Anschließend kam ab ca. 6:00 Uhr die müde wirkende Nachschicht aus den beiden Drehtoren heraus. Auch sie erhielt von uns das Verdi Flugblatt in die Hand gedrückt, um sich vor dem wohl verdienten Schlaf noch einmal der Gewissheit sicher zu sein, dass sie in dieser beschissenen Situation nicht allein gelassen werden.
Ach ja, nicht vergessen werden darf natürlich die an einem Handwagen angebrachte Kirchenglocke, die der Kollege der katholische Betriebsseelsorge mitgebracht hatte, die im wahrsten Sinne nicht nur die Kirche im Dorf symbolisierte sondern auch einen unüblichen Lärm vor dem Eingangstor verursachte und somit zum Erstaunen aller beitrug.
Um ca. 6:30 Uhr wurde die Aktion beendet und die meisten von uns gingen anschließend ihrer Erwerbstätigkeit nach. Auch die Geschäftsleitung sammelte ihre Bataillone es tauchten noch der Produktionsleiter auf und auch zwei Abteilungsleiter wurden gesichtet. Natürlich war auch der neue Betriebsratsvorsitzende schon auf dem Werksgelände und angeblich war sein Kommentar zum Verdi Flugblatt: Das Flugblatt finde ich gut, nur kommt es 4 Wochen zu spät.
Zur Aktion um 13:20 Uhr erschienen einige KollegInnen zum Verteilen, die sich extra Urlaub genommen hatten oder zur Zeit arbeitslos sind und aus eigener Erfahrung wissen was auf viele KollegInnen der Druckverarbeitung Nürnberg in nächster Zeit zukommt.
Zusätzlich erschienen auch KollegInnen der örtlichen Geschäftsleitung von Ver.di (werden angeblich jetzt so genannt) und KollegInnen des Nürnberger Ortsvereins von Ver.di und dem Fachbereich 8, die die verabschiedete Resolution der lokalen Ver.di Mitgliederversammlung mitgebracht hatten und an die KollegInnen verteilten.
Nachdem auch die Presse eingetroffen war, bildete sich sofort ein Pulk von KollegInnen um die Geschäftsleitung der Druckverarbeitung. Gespannt hörten alle zu wie die Herren der Presse über ihre soziale Verantwortung den KollegInnen gegenüber und ihren Kampf um diesen Standort (andere gehen nach Tschechien wir bleiben hier und tun was) jammerten. Immer wieder versuchte der Vorstandvorsitzende Bernd Rose, der mittlerweile das Wort an sich gerissen hatte, der Presse und dem zuhörenden Kreis mitzuteilen, dass die KollegInnen die demnächst ihren Arbeitsplatz verlieren ihm zwar sehr leid täten aber dieser Schritt (Betriebsänderung) absolut notwendig sei.
Um ca. 14:45 Uhr wurde die Aktion von uns beendet und einhellig als Erfolg gewertet.
Außerdem war es auch einfach beeindruckend für uns, dass die komplette Geschäftsleitung und sogar der Vorstandsvorsitzende der Schlott-Sebaldus Gruppe sich genötigt sahen, einmal frühmorgens und dann nach am Nachmittag ihre Gegenwart zu zeigen. Wahrscheinlich hatten sie sich gedacht: Jetzt ist es soweit! Der Betrieb wird von den Werktätigen in diesem Fall Ver.di eingenommen und sie werden am Schluss verjagt.
Auch nach den spontanan Kommentaren der meisten KollegInnen hatten wir den Eindruck durch unsere Präsenz ein Stück Solidarität vermittelt zu haben. Viele versicherten auf die außerordentliche Mitgliederversammlung am Samstag den 27.07.02 zu kommen, um sich einerseits rechtlich beraten zu lassen und anderseits die nächsten Schritte zu überlegen.
Trotz der anstrengenden Vorbereitung und dem unsicheren Gefühl wer alles an der Aktion teilnehmen würde, wurden wir durch die Teilnahme von KollegInnen aus anderen Betrieben und von Ver.di Hauptamtlichen, eines besseren belehrt.
Solidarität ist doch eine Waffe!
Eine begeisterte Teilnehmerin
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