Eure Berichterstattung bezgl. der Betriebsbesetzung des berliner Alcatel-Werks zeigt ein verzerrtes Bild. Es ist unzutreffend, dass die IG Metall die Aktion in vollem Umfang unsterstuetzen wuerde. Richtig ist vielmehr, dass diese Gewerkschaft keine Streikgelder an die BesetzerInnen zahlt, und jede finanzielle Hilfe nur als Darlehen ausgibt, sich also jeden Pfennig von den Betroffenen zurueckzahlen laesst (die IGM ist die groesste Einzelgewerkschaft der Welt; wenn jedes Mitglied eine Mark zahlte, koennten die Alcateler 200 Jahre streiken...). Ferner ist es gerade die IGM, die den "faulen Kompromiss", den nach Eurer Homepage zu urteilen die KollegInnen einzugehen nicht bereit sind, in Form eines "Sozialplanes" einleiten will. Wofuer die KollegInnen jedoch kaempfen, ist die Erhaltung ihres Werkes. Mit der Solidaritaet ihrer franzoesischen KollegInnen ist dies ein durchaus realistisches Unterfangen. Die franzoesische Gewerkschaft CNT, die u.a. in einem Alcatelwerk in Frankreich eine Sektion hat, versucht nach allen Kraeften, eine derartige Solidaritaetskampagne zu organisieren. Die Betriebsratsleitung des neukoellner Alcatelbetriebs verschleppt jedoch alle solidarischen Bemuehungen in diese Richtung.
Angefangen damit, dass sie sich heraus nimmt, jede direkte Kontaktaufnahme zwischen franzoesischen und berliner KollegInnen zu unterbinden, verbietet sie der CNT, das Protestschreiben zu unterschreiben, das diese fuer die BerlinerInnen uebersetzt hat. Mit Solidaritaet hat das wenig zu schaffen. Eher vielleicht mit "Sozialpartnerschaft", in der ein Funktionaer einem Bonzen kein Auge auskratzen mag... Unter diesen Umstaenden schwindet jedenfalls die Bereitschaft der CNT betraechtlich, sich weiter fuer einen streikenden Betrieb zu engagieren, der unter der Fuehrung eines IGM-Vertreters im Werk steht, der offensichtlich nicht gewillt ist, Solidaritaet zuzulassen.
Alle Kontakte zu Gewerkschaften nach Frankreich liefen ueber die FAU zur CNT, die wiederum Kontakte zur CGT, FO und CFDT hergestellt hat (wozu die IGM nicht willens war). Es war auch die CNT, die die Arbeiter zum Essen nach Paris eingeladen hatte, worauf sie die Antwort bekam "warum macht ihr das alles fuer uns, ihr kennt uns doch nicht mal". Das wirft schon ein bezeichnendes Bild darauf, was die IGM von internationaler Klassensolidaritaet haelt. Zwischen Klassensolidaritaet und Standortsicherung (uebersetzt: Volksgemeinschaft) hat sich die IGM wie eh und je fuer letzteres entschieden. Auch bundesweit hat die IGM die Moeglichkeiten, die sie haette, nicht ausgespielt. Die IGM hat natuerlich kein Interesse, direkte Aktionen wie Betriebsbesetzungen zu einer gaengigen Praxis zu etablieren.
Letztendlich war die IGM offensichtlich nicht willens, eine internationale Solidarisierung herzustellen, ebenso wenig wie eine bundesweite, weil sie dies alte Spiel betrieb, sich an die Spitze einer radikalen Aktion von ArbeiterInnen zu setzen, um diese wieder in "geordnete Bahnen" zu lenken.
Wie wir gerne sagen: die Zeit ist reif fuer eine kaempferische Gewerkschaft! Und zumindest eine Initiative dafuer gibt es.
Mit anarchosyndikalistischen Gruessen:
Hansi & Matti/ FAU-IAA Berlin
11.10.1999