letzte Änderung am 16. Februar 2004

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Das Kopftuchverbot ist Ausdruck reaktionären christlich-abendländischen und deutsch-chauvinistischen Gehabes

Das Kopftuch gilt beim durchschnittlichen "Kreuz-um-den-Hals-Träger" als Symbol der "primitiv-islamischen" Kultur schlechthin und seit zwei Jahren als Indiz des potenziellen terroristischen "Isalmismus".
Der Deutsche Macho kaschiert oft genug diese reaktionäre Grundmentalität durch scheinbar fortschrittliche Argumente gegen "Frauenunterdrückung". Das Kopftuch-Verbot wird proklamiert als "Schutz der Frauen vor unterdrückender Ausgrenzung und der Mädchen von einer Abrichtung zu Sklavinnen".
Die christlich-kulturellen Täufer wehrloser kleiner Kinder geifern über den "religiösen Zwang".
Der von Nietzsche inspirierte deutsche Herrenmensch, der jegliche menschliche Moral ablehnt und das "Raubtier" als Inbegriff der Freiheit versteht, ereifert sich angesichts religiöser muslimischer Frauen, die ein Kopftuch tragen, über die Knechtschaft der Religion.
Es ist die himmelschreiende Heuchelei und Doppelmoral, die nach dem Kampf gegen diese Figuren schreit.
 
Die Indoktrinierung mit den Werten der "christlich-abendländischen Kultur" durchdringt den gesamten Alltag. Die "anderen" haben sich den christlichen Herrenmenschen anzupassen. Wenn sie das nicht tun und an ihrer religiösen Identität festhalten, gelten sie als "sonderbar". Sie werden verachtet und gegängelt. Sie sind konfrontiert mit Rassismus, Antisemitismus und deutschem Chauvinismus.
Eine Moschee, die eine christliche Kirche überragt?
Für deutsche Herrenmenschen nicht zu ertragen.
Ein Muzzin, der laut zum islamischen Freitagsgebet ruft?
Das schmerzt die Ohren der deutschen Christenheit, die das penetrante Kirchengeläut überhört.
Eine Muslima mit Kopftuch?
Das stört das Auge des christlichen Betrachter, um sich dann vor einer kopftuchgewandeten Maria-Götzenfigur niederzuknien.
 
Es geht nicht nur darum, dass dieses Land von Religionsfreiheit meilenweit entfernt ist. Es geht darum, dass diese christliche Kultur des "Abendlandes" untrennbar verknüpft ist mit rassistisch deutsch-chauvinistischer Diskriminierung, Unterdrückung und staatlichem Terror.  In einer Atmosphäre des aktuellen christlich-abendländischen "Kreuzzugs gegen den Terror" sind Menschen islamischen Glaubens rassistischen Polizeikontrollen ausgesetzt, werden Gebetshäuser von Polizei und BGS gestürmt und durchsucht. In dieser Atmosphäre kommt es gleichzeitig zu massenhaften Anschlägen und Angriffen von Nazis auf islamisch gläubige und jüdische ( weil vermeintlich oder tatsächlich "nicht-deutsche") Menschen und Einrichtungen.
 
Als demokratische Kräfte in einem Land mit christlicher Staatsreligion müssen wir gegen jegliche religiöse Diskriminierung, gegen religiöse Repressalien und Verfolgung durch den Staat kämpfen. Aufgrund der Religionszugehörigkeit darf es weder Repressalien, noch Privilegien durch den Staat geben.
Die religiösen Anschauungen sind Privatsache oder wir Karl Marx formulierte:
"Jeder muß seine religiöse wie seine leibliche Notdurft verrichten können, ohne daß die Polizei ihre Nase hineinsteckt."*
 
Linken GewerkschafterInnen muss beim Kampf gegen den alltäglichen Rassismus in und außerhalb der Betriebe klar sein:
Ein selbstverständlicher Ausgangspunkt um klar Position zu beziehen, ist die Verteidigung der Freiheit religiöser Einstellungen und Sitten gegen die Anmaßung und Arroganz der Träger dieser reaktionären Ideologie. Damit wird nicht "die Religion" oder "der Islam" verteidigt, sondern die Menschen, die religiöse Ansichten haben. In Wahrheit werden sie nicht wegen ihrer Religion, sondern wegen ihrer angeblichen "Minderwertigkeit" angegriffen.
Wenn z.B. in einem Betrieb islamisch gläubige Frauen das Tragen des Kopftuches verboten werden soll, ist es ein Akt der Solidarität (und nicht ein Akt der Verteidigung der Religion), dass am nächsten Tag alle fortschrittlichen Frauen, ob atheistisch, christlich oder hinduistisch eingestellt, mit dem Kopftuch erscheinen.
Ist dies nicht zwingend notwendig und einleuchtend?
 
Während solcher praktischer Solidarität, kann es dann auch je nach Situation angebracht sein, über die Religion und ihre negativen Folgen in allen Erdteilen zu sprechen und auch atheistische Standpunkte zu diskutieren. Ohne solidarische Aktionen als Voraussetzung kann abstrakte atheistische Propaganda (im Beispiel sogar mit der Stoßrichtung gegen die Religion einer Minderheit) die Menschen spalten und insofern sogar reaktionär wirken.
 
Wer dieses Prinzip der Solidarität und der Verpflichtung zur Aufklärung ernst nimmt, wird dann auch unter anderen Umständen z.B. für das Recht christlich-armenischen Frauen kämpfen, kein Kopftuch tragen zu müssen, wenn diese von reaktionären moslemischen Frauen erzwungen werden soll.
 
Linke GewerkschafterInnen müssen in der Praxis beweisen, dass sie und wie sie für Religionsfreiheit eintreten. Anderseits müssen angemessene Formen antireligiöser Aufklärung gefunden werden. Nur so gibt es die Möglichkeit, unabhängig von Religion und Nationalität, auch jenen sich religiös verkleidenden reaktionären Kräften entgegenzutreten, die auf ihre Weise die Spaltung der Masse der Werktätigen oder Jugendlichen betreiben.
 
Jeder andere Weg bedeutet nichts anderes, als im Mainstream der Vorurteile des christlich-deutschen Chauvinismus mit zu schwimmen anstatt gegen Rassismus, Antisemitismus und Nazismus zu kämpfen!

Mit solidarischen Grüßen
GRAN- GewerkschafterInnen gegen Rassismus, Antisemitismus und Nazismus

Anmerkung

1) Karl Marx, "Kritik des Gothaer Programm" 1875, Werke Band 19, S.31

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