Hannes Oberlindober
X-Files Macher Chris Carter (Initialen CC=Call Center=seesee) thematisiert nicht von ungefähr in zwei Folgen seiner Serie „Millenium" Call Center als Rekrutierungs- und Gleichsschaltungsinstrument von Sekten und Geheimbünden mit durchweg satanischen Ansprüchen auf die Errichtung einer „New World Order".
Nun sind gerade die US-Amerikaner äußerst empfänglich für Verschwörungstheorien aller Art. Bis in die Kindersendungen hinein sind Weltherrschaft („world government") und Verschwörung („conspiracy") beliebtes sujet der Medien (man sehe etwa sonntagsmorgens vor den „Simpsons" die von Spielberg produzierte Zeichentrickserie „Pinky and da Brain").
Viele US Amis wittern allenthalben die Erosion des „American Way of Life" durch allerlei antiamerikanische Internationalisierungsbestrebungen, die wahlweise als sozialistisch, zionistisch oder faschistisch charakterisiert werden, je nachdem ob die Kritiker die „bible believers", http://biblebelievers.org.au/bb990310.htm http://www.execpc.com/~amerisub/ die amerikanischen Patrioten http://home.earthlink.net/~atombombs/library/nwo.htm oder hard-core lefties http://www.plp.org/cd97/cd1112.html sind; tief verwurzelte Ängste eines zwar mächtigen, aber jungen kulturellen „spin offs" der Alten Welt vor Identitätsverlust und Vereinnahmung.
Indes: Verschwörungstheorien sind nicht schon deswegen falsch, weil sie Verschwörungstheorien sind. Wenn die öffentliche Resonanz auf Serien wie Millenium oder Akte X so eminent ist, ist von einem gewissen „common sense" auszugehen. Vor allem den WASPs (White Anglo Saxon Protestants) traut man die Restauration einer (globalen) Monarchie zu, in der die Windsors http://www.alterzone.com/VAULT/NWO/fall_hou.htm/ die großen Geldinstitute, die radikalen Tierschützer des von Prinz Philipp gegründeten „World Wide Fond for Nature" (WWF) http://www.animalpepl.org/94/5/editorial.html und die von Prinz Bernhard von den Niederlanden ins Leben gerufenen „Bilderbergers" http://www.bilderberg.org das Sagen haben. Adel vernichtet – und vielleicht ist es in der Tat ein großer Irrtum, die hintergründige Macht der in der Weltöffentlichkeit als reine Relikte dargestellten Blaublüter zu unterschätzen. Daß die Umgestaltung der Arbeitswelt von der Produktions- zur Dienstleistungsgesellschaft in ein längst überwunden geglaubtes, royalistisches Weltbild paßt („König Kunde" eben), in dem die Majorität der Bevölkerung Diener von Gott gewollter und gebenedeiter Herrscher ist, kann jedenfalls – qoud erat demonstrandum – nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen werden. In einer nicht allzu fernen Zukunft, wenn die überall wie Atompilze aus dem Boden schießenden „Call Center Offensiven" ihren part im alle distinkten kulturellen und soziologischen Profile nivellieren wollenden Globalisierungskanon singen, dann werden in einem gigantischen „Royal Service Center" 200 Millionen Call Center Agenten Dienstleistungen für den Rest der vornehmlich weißen „world citizens" erbringen. Deren Präsident Peter Ustinov http://www.worldfederalist.org/ABOUT_WFM/AboutWFM.html wird unablässig die Reduzierung der Weltbevölkerung durch Kriege und Seuchen als humanitäre Notwendigkeit zum Schutz seltener Arten vor der größten Bedrohung der paradiesischen Natur predigen – den Menschen.
Gewiß, noch steht in den Industrieländern „nur" der Umbruch von der Produktions- zur Dienstleistungsgesellschaft bevor: doch der Begriff „Dienstleistungsgesellschaft" ist in sich verräterisch. Ganz abgesehen von der Frage, wem diese Gesellschaft welche Dienste leistet (sich selbst? Den Hungernden der sogenannten Dritten Welt, denen sie statt Lebensmitteln dritte Zähne andreht? Oder einigen wenigen, die Spaß am Katzbuckeln einer Heerschar von Untergebenen mit der Mentalität von Rikschafahren und Geishas haben?) wird Arbeit in der Dienstleistungsgesellschaft ganz offensichtlich zur großangelegten Geste der Unterwürfigkeit der arbeitenden, pardon, costumer care orientierten Bevölkerung – Call-Center, auch job-machine genannt, eher als Telefongaleeren zu bezeichnen, sind häufig prägnantes Beispiel.
Wer einmal längere Zeit in einem von global players betriebenen Call Center „gedienstleistet" hat (Ja, Massa, danke, Massa, darf ich noch etwas für sie tun, Massa?) hat eine Stufe der Selbstverleugnung und Enteignung, der Entfremdung von Arbeit erfahren, die selbst Marx das Gruseln gelehrt hätte. Nichts mehr soll dem „Call Center Agent (Orange)" noch zu eigen sein: er spricht nicht seine Sprache, sondern flötet im Korsett standardisierter Kommunikation wie eine dressierte Nachtigall das Hohelied der Kundenfreundlichkeit. Seine generelle physiologische und psychische Haltung ist durch und durch devot, seine Ethik, sein Denken, Fühlen und Agieren sind Ausdruck einer „corporate identity", deren unterschiedsloses Fraktal er ist: die McDonaldisierung der Hirnströme. „Call Center Agenten" sollen sich glücklich schätzen, Sklaven zu sein, ihr Selbstbild soll das der Selbstlosigkeit sein und ihre an Legebatterien und Massentierhaltung erinnernden Arbeitsstätten sollen für sie höchster Ausdruck ästhetischer Vollkommenheit sein. Dies entspricht genau dem Weltbild von CEOs (chief executive officers) in den „boards of directors" (Vorständen), die ohnehin die große Majorität der Menschheit als bestenfalls zum Schuhwienern geeignetes Gesocks ansehen, für die es besser und richtiger ist, entmündigt und im Sinne von Entertainment und Junk-food unterhalten zu sein, bevor sie durch Inanspruchnahme von sentimentalem bullshit wie demokratischen Rechten der Elite ins Handwerk pfuscht. Der ideale „Call Center Agent" geht seiner Tätigkeit mit der unerschütterlichen Gläubigkeit eines Saniyasins nach, für den die Verhaltensregeln des Konzerns den Status einer heilbringenden, metaphysischen Litanei haben, und der selbst beim Sex nur im Schädel hat „every contact is a costumer".
Es sei betont: „bestenfalls". Das Gros der sich wie Karnickel fortpflanzenden Menschen der „Entwicklungsländer" wird von den „Lords of the Boards" (womit die Herren der Vorstände gemeint sind) ohnehin nur als Belastung der Umwelt und als Hindernis eines prosperierenden Freihandels angesehen – so betrachtet nur begrüßenswert, daß gerade bevölkerungs"reiche" Länder wie Pakistan und Indien erwägen, durch einen nuklearen Schlagabtausch ihren Beitrag zur Bekämpfung der Überbevölkerung leisten zu, weil Krankheiten, hohe Kindersterblichkeit und medizinische Unterversorgung alleine den irrationalen Überlebenswillen der Überflüssigen ebensowenig zur Zufriedenheit der Übermenschen in den Griff bekommen, wie die Interventionen von Weltbank und Internationalem Währungsfond http://www.crossfields.com/~watcher/nwoeaters.html.
Deren Chefs jedenfalls (Wolfensohn und Camdessus) befassen sich bei Konferenzen der hochsakrosankten „Bilderberger-meetings", die alljährlich kurz vorm G7-Gipfel (Achtung! Neu! Jetzt auch mit Rußland!) die Hohepriester der Weltwirtschaft, Politik, Medien, Forschung und wenn man nett sein will der Gewerkschaften zusammenführen, gerne mit Fragen der globalen Privatisierung des Gesundheitswesens http://www.newspower.org/xnews/99/05/315.shtml. Im Rahmen von Freihandelsabkommen wie dem NAFTA (Northamerican free trade agreement), APEC (Asian Pacific Economic Conference) den geplanten TAFTA (Transatlantic free trade agreement) und (Ent-)SAFTA (Southamerican free trade agreement) wird Sorge dafür getragen, daß dem freien Wettbewerb der Pharmazie- und Gentechnikkonzerne nicht irgendwelche staatlichen Schranken auferlegt werden können http://www.interlog.com/~jazz/hosph.htm, http://nativenet.nthscsa.edu/archive/nl/9706/0054.html. Gesundheit und medizinische Versorgung sollen eine Frage des individuellen Einkommens sein – schließlich hat die Verelendung und das Verrecken breiter Massen nur Vorteile. Hohe Arbeitslosigkeit läßt sich nur durch drastische Mittel zur Senkung der Zahl der Erwerbslosen bekämpfen http://www.geocities.com/Athens/Oracle/4809/reports3.html und außerdem bedeutet eine reduzierte Lebenserwartung eine Entlastung der Rentenkassen, was dann auch die Politiker freut.
Möglicherweise tauscht die selbsternannte Weltelite auch nur in gemütlichem Beisammensein braungetönte Erinnerungen aus, die bis in die Blütezeit der IG Farben zurückreichen, von der jetzt nur noch die Wunderbäumchen an Windschutzscheiben und natürlich MONSANTO Inc. http://www.homeusers.prestel.co.uk/littleton/v1203/ed.htm http://www.geocities.com/CollegePark/8273/bealle1.htm übriggeblieben sind. Unzutreffend ist in jedem Fall, daß der gemeine Bürger sich im „Bilderberger Call Center" ausführlich über die Vorteile der Aufhebung der Souveränität der Nationalstaaten und die philantropischen Ideale der Bio- und Gentechnologie informieren kann.
Auch die Ankündigung, McDonalds habe demnächst „Bilder-Burger" im Programm, gehört wohl eher ins Reich der Internet-Mythen http://www.happyclown.com/bilder.html.
Das wäre zu schön, um Ware zu sein.