(Übersetzung aus dem Englischen von Josef - 24. 4. 99)
Brief aus der Yugo-Fabrik
Montag 12.April 1999
Liebe Freunde,
wir senden euch einen Brief der Arbeiter der Automobilfabrik „Yugo" die von der Nato bombardiert wurde, obwohl die Arbeiter entschieden hatten einen lebenden Schutzschild um ihre Fabrik zu machen. Jetzt haben durch die zerstörte Fabrik mehr als 40.000 Menschen ihre Arbeit verloren und damit den Unterhalt für ihre Familien. Bilder und weitere Berichte über Unheil, das in Jugoslawien angerichtet wurde, könnt ihr in Internet finden unter www.aic.org.yu und www.barw.org.yu.
In dieser Nacht, dem 9. April 1999, wurde die Fabrik ZASTAVA in Kragujevac bombardiert. Der lebende Schild wurde durchbrochen. Die Bombardierung hat den Produktionsanlagen schwere Schäden zugefügt und die Energieversorgungseinrichtung völlig zerstört, die nicht nur ZASTAVA versorgt hat, sondern auch die Heizung für die gesamte Stadt Kragujevac: alle öffentlichen Gebäude, Schulen, Universität und Krankenhäuser... Tief von Schreck betroffen waren wir bei den zivilen Opfern: Dutzende Menschen innerhalb eines lebenden Schilds, der die Fabrikanlagen beschützte. Unter den Opfern waren nicht nur ZASTAVA Arbeiter, sondern auch Mitglieder ihrer Familien und andere Bürger der Stadt Kragujevac. Was keiner von uns jemals annehmen als möglich annehmen konnte oder wollte, ist geschehen: Kragujevac hat seine Tragödie aus dem 2. Weltkrieg nochmals erfahren, seine Einwohner wurden nochmals Ziel eines barbarischen Angriffs. Im Namen welcher Ziele taten das Kriegsflugzeuge einst befreundeter Länder, die uns Ideen brachten von Humanität, von Freiheit, möglicherweise dem größten Schatz den wir in der modernen Zivilisation haben. Was wurde aus all diesen Ideen, waren sie nur eine Illusion, die beim ersten Lärm der erhobenen Waffen verschwand? Wir die einfachen Leute, die mit Bewunderung auf die großen Dingen schauten, die von Euch kamen, konnten nicht und wollten nicht akzeptieren, daß das so war. Haben wir, immer noch, das nicht verstanden? Hat einer von Euch sich Gedanken gemacht über unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder, die vollkommen unsicher wurde durch diesen wahnsinnigen Akt, und genau diese Zukunft haben wir verteidigt um den Preis unseres eigenen Lebens. Bereits erschöpft von den Sanktionen, die unseren durchschnittlichen Monatslohn von 870 auf 560 DM gesenkt haben, und wissend, daß eine Zerstörung der Fabrik die Existenz von uns und unseren Familien in Frage stellen würde, machten wir einen verzweifelten Schritt: Mit unseren Körpern bildeten wir einen lebenden Schild, der unsere Fabrik Tag und Nacht bewachte. Wir waren entschlossen, seit dem Anfang des Angriffs auf unser Land, und führten diesen Entschluß beharrlich jeden Tag durch, unsere Fabrik nicht zu verlassen nach Ablauf der Arbeitsstunden, nicht einmal wenn es Luftalarm geben würde, trotzdem rund um die Uhr an unseren Arbeitsplätzen zu bleiben. In der Nacht besuchten uns unsere Familienmitglieder und Bürger von Kragujevac, gaben uns Unterstützung und machten uns diese Zeit der schmerzhaften Ungewißheit leichter. Um eine schreckliche Katastrophe zu verhindern, die durch einen wahnsinnigen Akt des Angriffs auf unsere Fabrik entstehen würde, haben wir uns an die Medien der lokalen- und Weltöffentlichkeit gewandt, gaben die präzisen Koordinaten unserer Fabrik, und zeigten die Möglichen Verluste auf, moralischer und materieller Art, die durch ihre Zerstörung zugefügt würden. In unseren Schreiben appellierten wir an die Öffentlichkeit der Nato-Länder, an das Gewissen der einfachen Menschen in diesen Ländern. Außer den lokalen Medien wurde unser Appell von vielen ausländischen Medien veröffentlicht und gesendet: Fernsehanstalten und Nachrichtenagenturen.
Wir, die ZASTAVA Arbeiter und Einwohner von Kragujevac, haben Angst um die Zukunft die vor uns liegt. Nun fragen wir uns, ob wir überhaupt eine Zukunft haben. Unsere Kinder sind hungrig, und ihre Augen sind voller Schrecken. Wir haben keine Antworten mehr auf ihre Fragen.
Kragujevac, den 9. April 1999
Beschäftigte und Geschäftsleitung von ZASTAVA und Einwohner von Kragujevac
Mit Grüßen
Belgrader Akademische Vereinigung für gleiche Rechte in der Welt editor@barw.org.yu