Stellungnahme des Bündnis gegen den NATO-Krieg zum 1. Mai 1999

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

zum diesjaehrigen 1. Mai ist die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung zu einer klaren Stellungnahme gegen den NATO-Krieg in Jugoslawien herausgefordert. Worum geht es eigentlich in diesem Krieg? Bereits im August letzten Jahres wurde in einer Studie der Universitaet der Bundeswehr in Hamburg sehr praezise formuliert, um was es im Kosovo gehen wuerde:

Ich zitiere die Studie:

"Der Einsatz militaerischer Kraefte der NATO im Kosovo ... und eines Mandats, das sich die NATO aufgrund einer von ihr definierten Unsicherheitslage und dabei zu treffender militaerischer Massnahmen selbs t erteile, wird als Praezedenzfall fuer moegliche kuenftige Einsaetze in unmittelbaren Vorfeld Russlands gewertet, etwa im Kaukasus, unter Nutzung ethnischer Konflikte und zwischenstaatlicher Querelen, wo in der Auseinandersetzung um die Erdoelressourcen in der kaspischen Region und den Niessbrauch bzw. die Verlegung der Pipelines ein heftiger Konkurrenzkampf zwischen westlichen und russischen Oelkonzernen bzw. Washington und Moskau im Kontext strategischer interessen entbrannt ist."

Da kann man sich jeden einzelnen Satz zweimal durch den Kopf gehen lassen

Das hat mit humanitaeren Gruenden nichts zu tun. Im Gegenteil - ethnische Konflikte werden ausgenutzt, sie sind zur Erreichung strategischer Ziele willkommen, womoeglich sucht man diese Konflikte noch zu schueren - das ist die NATO-Strategie!

So wird klar, wie der NATO-Vertrag von Rambouillet zu seinem Inhalt kommt : Er zielt auf die vollstaendige Bewegungsfreiheit des NATO-Militaers in Jugoslawien. Einen solchen Vertrag kann kein souveraenes Land der Welt annehmen. Das war den Natoregierungen bewusst. Sie formulierten also eine n unannehmbaren Vertrag, und schafften sich die Handhabe zum Krieg. Wie formulierte das die Bundeswehrstudie? Die NATO DEFINIERT IHRE UNSICHERHEITSLAGE SELBST und LEGT DEN EINSATZ MILITAERISCHER KRAEFTE FEST.

Uebrigens ist nicht bekannt, dass die NATO der Tuerkischen Regierung mit Bombardierungen gedroht hat, damit sie die blutige Unterdrueckung der Kurden einstellt! Im Gegenteil: Die Tuerkei gilt als ein Eckpfeiler der NATO-maechte in der Naehe des Oelhanes des Golf. Hier werden Unruheherde nicht geduldet sondern niedergeschlagen. Da haben wir die Einheit der scheinbar widerspruechlichen Politik.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Buendnis "gegen den NATO-Krieg" lehnt die Uebergriffe des Milosewic-Regimes gegen die albanische Bevoelkerung entschieden ab. Wir treten fuer das Selbstbestimmungsrecht der Voelker ein. Aber wir lassen uns von Scharping, Schroeder und Fischer nicht vorschreiben, was wir von der Zerstoerung von Bruecken und Fabriken, von der Vernichtung der Nahrungsmittelgrundlagen oder von der Freisetzung von Giftstoffen zerbombter Chemiefabriken zu halten haben. Nach zuverlaessigen jugoslawischen Quellen [ich glaube nicht an "zuverlaessige" Quellen in diesem Krieg, der auch ein Krieg der Medien ist - A.R.] sind bisher mindestens 1000 Menschen dem Bombardement zum Opfer gefallen. Wen verwundert es, dass seit Kriegsbeginn sechsmal soviel Kosovaner auf der Flucht sind wie vorher? So sehen die humanitaeren Wohltaten der NATO aus.

An dieser Stelle muss einiges zur oeffentlichen Meinungsmache gesagt werden. Wie sollte man nach zwei Weltkriegen und nach dem massiven Widerstand gegen die Wiederbewaffnung in den 50er Jahren dem Volk beibringen, dass ein Aggressionskrieg gefuehrt werden muesse? Wie sollte man Unterstuetzung oder zumindest ein Stillhalten der breiten Massen erreichen, wenn man die strategischen Absichten aufgedeckt haette? Ohne das Geheuchel von Humanitaet waere das ueberhaupt nicht moeglich gewesen. Das zeigt aber zugleich die ungeheuren Schwaechen: die Regierungen der NATO-Laender muessen die Menschen hinters Licht fuehren, sonst koennen si e ihren Krieg nicht durchziehen. [Ist das nicht eher deren "Staerke", diese "humanitaere Katastrophe"? - A.R.]

Das ist doch das Feld, das den Arbeitern und Angestellten wohl bekannt ist: Wird uns nicht bei jeder Tarifrunde, bei Forderungen gegen Massenarbeitslosigkeit, ununterbrochen eingeredet, wie unguenstig unsere Forderungen seien, dass wir vielmehr in unserem eigenen Interesse verzichten muessten? Da werden Sachverstaendige bemueht. Da werden Wissenschaftler aufgeboten. Da werden Meinungsumfragen hingedreht mit immer nur einem Ziel: Wir sollen stillhalten. Aber oben wird Profit gemacht.

Es folgt noch etwas anderesd: Im aktiven Widerstand in ganz Europa mit de r Kampfkraft der Arbeiter und Angestellten kann der Krieg gestoppt werden. Es ist bezeichnend, dass die Medien versaeumen, die ganze Breite des Wiederstandes von Sydney bis Toronto, von Dublin bis Oslo und New York bekannt zu machen. Gewerkschaftsgruppen, Kreisverbaende, ganze Gewerkschaften haben sich gegen den NATO-Krieg ausgesprochen.

IN SAARBRUECKEN FINDEN PROTESTKUNDGEBUNGEN JEDEN DIENSTAG UM 17.30 STATT, IN NEUNKIRCHEN JEDEN DONNERSTAG UM 18.00 UHR - BIS ZUM KRIEGSENDE. WIR FORDERN INSBESONDERE ALLE GEWERKSCHAFTLICHEN GRUPPIERUNGEN AUF, SICH DARA N ZU BETEILIGEN!

Es ist schon ein Skandal, dass sich der DGB-Vorsitzende Schulte ueber die Meinung der Gewerkschaftsmitglieder hinwegsetzt und im Namen des DGB die Teilnahme am NATO-Krieg begruesst. Als Gewerkschafter protestiere ich dagegen aufs Schaerfste!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wer bezahlt eigentlich die Zeche? Es sind beiderseits der Fronten die Arbeiter und kleine Leute. Sie bezahlen nicht nur die 180 Milliaeden US$, die derKrieg bisher gekostet hat, sie zahlen auch mit ihrem Leben. Die ÖTV-Betriebsgruppe in Schorndorf nahm in einem Aufruf gegen den Natokrieg Stellung:

"Wir haben den Eindruck, dass hier unter dem Deckmantel der humanitaeren Hilfe eine aggressive Machtpolitik betrieben wird, die letztlich dazu fuehrt, dass auch deutsche Arbeiter auf Arbeiter schiessen. ... Eine friedliche Loesung kann letztlich nur gefunden werden, wenn die Menschen ihre gemeinsamen Interessen erkennen und sich nicht laenger von Politiker n und Militaers aufeinander hetzen lassen, deren Motive nicht die unseren sind."

Notwendig ist die internationale Einheit aller Kraefte gegen den Krieg. Lassen wir nicht zu, dass es wegen des Krieges zu nationalistischer Verhetzung, zu Spaltungen zwischen serbischen und deutschen, zwischen albanischen und serbischen Kollegen kommt! Der 1. Mai ist der internationale Kampftag der Arbeiter gegen Unrecht, Unterdrueckung und derartiger Kriege!

SCHLUSS MIT DEM NATOKRIEG IN JUGOSLAWIEN! ES LEBE DIE INTERNATIONALE SOLIDARITAET!