Peter Balluff: Der Polizeistaat macht mobil.
Mainz
am 23. Februar 2005. Der Winter ist zurück gekehrt, leise fallen
Schneeflocken. Der amerikanische Präsident hat seine Visite in der
Gutenbergstadt angekündigt. Die Stadt ist wie ausgestorben, das öffentliche
Leben ist zum Erliegen gekommen, die Mehrzahl der Geschäfte sind
geschlossen, Schaufenster sind mit Bretter gesichert, außer in den
Großkonzernen, dort werden die Arbeitnehmer/innen teilweise mit
„Abmahnungen“ zur Arbeitsaufnahme gezwungen, im Tiefflug kreist
mit ohrenbetäubendem Lärm ein Helikopter permanent über
die Innenstadt, die Bürger gehorchen und bleiben in ihren Wohnungen
bei verriegelten Fenstern und Türen. Die Stimmung ist beängstigend
und bedrückend, eine Geisterstadt, der Staat hat nur vergessen, den
Notstand auszurufen, de facto sind aber auch ohne Verkündung alle
Rechte außer Kraft gesetzt. Alle Autobahnzufahrten zur Mainzer Innenstadt
sind gesperrt, nur Polizeifahrzeuge mit Blaulicht drehen ihre Runden,
gefolgt von THW und Feuerwehr, die ihre paramilitärische Wichtigkeit
demonstrieren. 10.000 Polizisten und Bundesgrenzschutz in voller schlag-
und schießkräftiger Montur sind im Einsatz. 1000 Personen Sicherheitspersonal
von CIA und FBI sichern den Besucher ab. In der Geschäftsstelle des
Landessportbunds sind Scharfschützen untergebracht. Kanaldeckel sind
zugeschweißt, Mülleimer abmontiert, Wohnungen versiegelt, die
Medien sind gleichgeschaltet, alle schreien „Heil“ und Deutschland
ist wieder die treibende und entscheidende Kraft in der Völkergemeinschaft.
Die Hälfte von Mainz ist zur Bannmeile erklärt, damit niemand
der „gefährdetsten“ (gefährlichsten) Person dieser
Welt zu nahe kommt. Vorwiegend junge Demonstranten aus dem ehemals linken
Spektrum ziehen eher orientierungslos durch die Stadt. Ihre Parolen sind
so falsch wie richtig. Die Polizei hält die Demonstration weiträumig
vom Kundgebungsort ab. Die Kundgebungsredner spulen ihr Programm ab, gegen
den „Kriegstreiber“ und „kein Blut für Öl“,
aber kein Wort zum Polizeistaat Deutschland und dessen imperialistischen
Gehabe als weitere Ordnungsmacht in der Welt. Parteien, Gewerkschaften
und Sozialverbände, halten sich bedeckt, der Ministerpräsident
Beck hat’s wohl so angeordnet. Für wichtige Personen des öffentlichen
Lebens ist darüber hinaus die „Schlacht am kalten Buffet“
entbrannt, weil der Präsident 150 Plätze am „Katzentisch“
zu vergeben hat. Zum Schluss der Veranstaltung gibt’s die üblichen
Sprechblasen, nur der Ministerpräsident von Hessen hat’s schon
im Vorfeld gewusst, als er verkündete, dass das Treffen auch als
Chance zu nutzen sei. Deswegen: „Achtung ihr ausbeutungsfähigen
Völker der Welt, auch ihr werdet von uns befreit.“
Dies war die gelungene Generalprobe. Der Polizeistaat funktioniert
nach Innen zur Freude des Bundeskanzlers und seines Kabinetts. Für
die Außenwirkung ist Herr Struck zuständig. Weitere Aktionen
zur Aushebelung des Rechtsstaates können folgen. Widerstand ist zwecklos.
Peter Balluff
Gewerkschaftssekretär ver.di, Mainz
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