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Updated: 18.12.2012 15:51
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Eine Geschichte des amerikanischen Volkes Band 1: Kolonialismus, Rassismus und die Macht des Geldes

Eine Geschichte des amerikanischen Volkes Band 1: Kolonialismus, Rassismus und die Macht des GeldesEndlich ist es so weit: Mehr als 25 Jahre nach der ersten Auflage erscheint bei SCHWARZERFREITAG die erste deutschsprachige Ausgabe von Howard Zinns legendärer People's History of the United States. Band 1 mit dem Titel "Kolonialismus, Rassismus und die Macht des Geldes" ist ab sofort lieferbar Als die People's History of the United States 1980 erstmals erschien, betrat der amerikanische Autor Howard Zinn Neuland auf dem Gebiet der Geschichtsschreibung der Vereinigten Staaten. Dem Konzept von Geschichte verstanden als die Kriegs- und Heldengeschichte "großer Männer" setzt Zinn eine Geschichte des amerikanischen Volkes entgegen, die im Grunde aus vielen Geschichten verschiedener Völker und Generationen der USA besteht. In für ein Geschichtsbuch ungewöhnlich eingängiger Sprache schreibt er nicht aus der Perspektive der Eroberer, sondern der Eroberten, spricht nicht von den Ruhmesworten über Siegergestalten, sondern über die Verluste der Besiegten, erklärt nicht im gehobenen Stil der Herrschenden, sondern in der ungeschmückten Sprache der Beherrschten: der Fabrikarbeiter, Frauen, Sklaven, African-Americans, Native Americans, der Vertreter der Arbeiterklasse und der Einwanderer. Siehe dazu:

  • Verlagsinformationen
    Weitere Informationen zum Buch finden sich auf der Homepage des Verlages externer LinkSchwarzerfreitag. Dort auch die Links zu der Homepage von Howard Zinn und zu deutschsprachigen Informationen bei Wikipedia. Band 1 und mittlerweile auch Band 2 liegen nun in einer Übersetzung aus dem Amerikanischen von Sonja Bonin vor.
    ISBN 3-937623-51-5; 7,80 EUR

Meine Einstellung zur Beschreibung der Geschichte der Vereinigten Staaten ist anders

2 kleinere Ausschnitte aus dem Buch Eine Geschichte des amerikanischen Volkes Band 1: Kolonialismus, Rassismus und die Macht des Geldes exklusiv im LabourNet Germany

(...) Meine Einstellung zur Beschreibung der Geschichte der Vereinigten Staaten ist anders: dass wir die Erinnerung der Staaten nicht als unsere eigene hinnehmen dürfen. Nationen sind keine Gemeinschaften und waren es noch nie. Die Geschichte jedes Landes, die uns als Geschichte einer Familie präsentiert wird, verbirgt bittere Interessenkonflikte (die manchmal ausbrechen, meistens aber unterdrückt werden) zwischen Eroberern und Eroberten, Herren und Sklaven, Kapitalisten und Arbeitern, rassisch oder sexuell Dominierten und Dominierenden. Und in einer solchen Welt der Konflikte, einer Welt von Opfern und Henkern, ist es, wie Albert Camus gesagt hat, die Aufgabe der denkenden Menschen, nicht auf der Seite der Henker zu stehen.

Angesichts der Unvermeidlichkeit, Partei zu ergreifen, die durch Auswahl und Schwerpunkt in der Geschichtsschreibung entsteht, ziehe ich es deshalb vor, zu versuchen, die Geschichte der Entdeckung Amerikas aus der Perspektive der Arawak zu erzählen, die der Verfassung vom Standpunkt der Sklaven aus, von Andrew Jackson aus der Sicht der Cherokee, vom Bürgerkrieg aus der Sicht der Iren von New York, vom Mexikanischen Krieg aus der Sicht der desertierenden Soldaten der schottischen Armee, vom Aufstieg der Industrialisierung aus der Sicht der Frauen in den Textilwerken, vom spanisch-amerikanischen Krieg aus der Sicht der Kubaner, von der Eroberung der Philippinen aus der Sicht der schwarzen Soldaten auf Luzon, vom Goldenen Zeitalter aus der Sicht der Farmer im Süden, vom ersten Weltkrieg aus der Sicht von Sozialisten, vom zweiten Weltkrieg aus der Sicht von Pazifisten, vom New Deal aus der Sicht der Schwarzen in Harlem, vom amerikanischen Nachkriegsimperium aus der Sicht der Landarbeiter in Lateinamerika. Und so weiter, so gut eben ein einzelner Mensch, so sehr er oder sie sich auch bemüht, Geschichte "aus der Sicht anderer" betrachten kann.

Es geht mir nicht darum, die Opfer zu betrauern und die Henker anzuklagen. Diese Tränen, diesen Ärger auf die Vergangenheit zu richten, heißt, die moralische Energie der Gegenwart zu verbrauchen. Und die Grenze ist nicht immer einfach zu ziehen. Auf lange Sicht betrachtet ist auch der Unterdrücker ein Opfer. Kurzfristig (und bisher besteht die Geschichte der Menschheit nur aus Kurzfristigem) suchen sich die Opfer, verzweifelt und von der Kultur besudelt, die sie unterdrückt, ihre eigenen Opfer.

Dennoch, im Verständnis der Komplexitäten, ist dieses Buch skeptisch gegenüber Regierungen und ihrem Versuch, einfache Leute mit Hilfe von Politik und Kultur und unter Vorspiegelung eines gemeinsamen Interesses in einem gigantischen Netz des Nationalen einzuspannen. Ich werde versuchen, die Grausamkeiten nicht zu übersehen, welche die Opfer einander antun, während sie im Viehwaggon des Systems zusammengepfercht sind. Ich will sie nicht romantischer darstellen als sie sind. Aber ich erinnere mich an einen Satz (sinngemäß wiedergegeben), den ich einmal gelesen habe: "Die Schreie des Armen sind nicht immer gerecht, aber wenn wir nicht auf sie hören, werden wir nie wissen, was Gerechtigkeit ist."

Ich möchte keine Siege für Volksbewegungen erfinden. Aber die Annahme, Geschichtsschreibung bestehe einzig darin, die Misserfolge zu rekapitulieren, die die Geschichte prägen, macht Historiker zu Kollaborateuren in einem endlosen Kreis von Niederlagen. Wenn Geschichtsschreibung kreativ sein soll, wenn sie eine mögliche Zukunft vorwegnehmen soll, ohne die Vergangenheit zu verleugnen, dann sollte sie, meine ich, neue Möglichkeiten aufzeigen, indem sie die verschollenen Gelegenheiten aus der Vergangenheit aufdeckt, bei denen, wenn auch nur in einem kurzen Aufzucken, Menschen ihre Macht gezeigt haben, Widerstand zu leisten, sich zusammenzuschließen, und gelegentlich sogar zu gewinnen. Ich nehme an, oder vielleicht hoffe ich es nur, dass unsere Zukunft eher in den flüchtigen Momenten des Mitgefühls in der Vergangenheit zu finden sein mag als in ihren beständigen Jahrhunderten des Krieges.

Das ist, so offen wie möglich gesagt, meine Herangehensweise an die Geschichte der Vereinigten Staaten. Der Leser sollte dies ruhig gleich zu Beginn wissen. (...)

Ausschnitt aus: Eine Geschichte des amerikanischen Volkes. Band 1: Kolonialismus, Rassismus und die Macht des Geldes von Howard Zinn, S. 24-26.

(...) Es gab eine weitere Kontrolle, die hilfreich wurde, als die Kolonien wuchsen, und die entscheidende Konsequenzen für die weitere Herrschaft der Elite in der amerikanischen Geschichte hatte. Neben den sehr Reichen und den sehr Armen entwickelte sich eine weiße Mittelklasse von kleinen Pflanzern, unabhängigen Bauern und Handwerkern in den Städten, die, gegen bescheidene Entlohnung dafür, dass sie Händler und Pflanzer unterstützten, zu einem soliden Puffer gegen schwarze Sklaven, Grenzindianer und sehr arme Weiße wurden.

Die wachsenden Städte brachten mehr ausgebildete Arbeiter hervor, und die Regierungen pflegten die Unterstützung der weißen Handarbeiter dadurch, dass sie sie vor der Konkurrenz durch Sklaven und freie Neger schützten. Schon 1686 ordnete der Rat von New York an, dass es "keinem Neger oder Sklaven erlaubt werden soll, als Träger auf der Brücke Güter in die Stadt hinein oder aus der Stadt heraus" zu bringen. Auch in den Städten im Süden wurden weiße Handwerker und Händler vor Neger-Konkurrenz geschützt. 1764 verbot die Legislative in South Carolina, Gutsherren, Neger oder andere Sklaven als Handarbeiter oder als gelernte Handwerker einzusetzen.

Amerikaner der Mittelklasse wurden durch Kritik der Korruption der etablierten Elite dazu ermuntert, in eine neue Elite aufzusteigen. Der New Yorker Cadwallader Colden attackierte 1747 in seiner Address to the Freeholders die Reichen als Steuerflüchtlinge, denen nichts am Wohlergehen anderer liege, (obwohl er selbst reich war) und sprach von der Ehrlichkeit und Verlässlichkeit der "mittleren Schicht der Menschheit", denen die Bürger am besten "unsere Freiheit & Eigentum" anvertrauen könnten. Dies sollte sich zu einem entscheidenden rhetorischen Mittel für die Herrschaft der Minderheit entwickeln, die zur Mehrheit von "unserer" Freiheit, "unserem" Eigentum, "unserem" Land sprachen.

"Ähnlich konnte der reiche James Otis die Bostoner Mittelklasse erreichen, indem er den Konservativen Thomas Hutchinson angriff. James Henretta hat gezeigt, dass es, obwohl die Reichen Boston regierten, politische Aufgaben gab, die den Männern von bescheidenem Wohlstand offen standen, wie "Fass-Dauben-Inspektor", "Kohle-Korb-Vermesser" oder "Zaun-Beschauer". Aubrey Land fand in Maryland eine Klasse von kleinen Pflanzern, die nicht im selben Sinne "die Nutznießer" der Plantagen-Gesellschaft waren wie die Reichen, die aber die Ehre hatten, Pflanzer genannt zu werden, und die "angesehene Bürger mit gesellschaftlichen Verpflichtungen waren, als Straßenaufseher, Schätzer von Grundbesitz und Ähnliches". Es half der Allianz, die Mittelklasse in "eine Reihe von Aktivitäten aufzunehmen; diese schlossen Lokalpolitik, ... Tanzveranstaltungen, Pferderennen und Hahnenkämpfe mit ein, bisweilen unterbrochen von Besäufnissen und Prügeleien ".

Das Pennsylvania Journal schrieb 1756: "Die Bevölkerung dieser Provinz gehört meist zu der mittleren Art, derzeit etwa auf demselben Niveau. Es sind vor allem fleißige Bauern, Handwerker oder Kaufleute; sie haben und schätzen ihre Freiheit und selbst der niedrigste unter ihnen findet sich der Achtung des Größten wert". Es gab tatsächlich eine große Mittelklasse, auf welche diese Beschreibung zutraf. Sie aber "die Bevölkerung" zu nennen, bedeutete, schwarze Sklaven, weiße Leibeigene und vertriebene Indianer zu ignorieren. Und die Bezeichnung "Mittelklasse" verbarg eine langjährige Wahrheit über dieses Land, nämlich, wie Richard Hofstadter sagt, "Es war ... eine Mittelklassen-Gesellschaft, die größtenteils von ihren Oberklassen regiert wurde."

Diese Oberklassen mussten, um herrschen zu können, der Mittelklasse Zugeständnisse machen, ohne ihrem eigenen Wohlstand und ihrer eigenen Macht zu schaden, auf Kosten der Sklaven, der Indianer, und der armen Weißen. Das brachte ihnen Loyalität ein. Und um diese Loyalität mit etwas noch Stärkerem als rein materiellen Vorteilen zu verbinden, entdeckte die herrschende Klasse in den 1760ern und 1770ern eine wunderbar nützliche Einrichtung. Das war die Sprache von Freiheit und Gleichheit, die gerade genügend Weiße miteinander verband, um eine Revolution gegen England zu führen, ohne die Sklaverei oder die Ungleichheit abzuschaffen.

Ausschnitt aus: Eine Geschichte des amerikanischen Volkes. Band 1: Kolonialismus, Rassismus und die Macht des Geldes von Howard Zinn, S. 106-109.


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