letzte Änderung am 22. August 2003 | |
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"Screener" durchleuchten auf amerikanischen Flughäfen die Gepäckstücke der Passagiere. Die Sicherheitsgesetzgebung nach dem 11.9.2001 machte aus ihnen Bundesangestellte - mit dramatischen Konsequenzen: 30.000 Entlassungen im letzten Jahr und gravierende Einschränkungen beim gewerkschaftlichen Organisationsrecht. David Bacon beschreibt im folgenden, wie die neuen Anti-Terrorgesetze in den USA zum Angriff auf die Gewerkschafts- und ArbeiterInnenrechte nicht nur auf den Flughäfen benutzt werden.
Am 9. Januar 2003 untersagte Admiral James Loy, Vorsitzender des Amtes für Transportsicherheit (Transportation Security Agency - TSA), pauschal für alle Screener kollektive Tarifverhandlungen. "Die Bekämpfung des Terrorismus", so Loyd, "erfordert flexible Arbeitskräfte, mit denen man schnell auf Bedrohungen reagieren kann. Das kann Veränderungen in der Arbeitszuweisung und anderen Arbeitsbedingungen beinhalten, die mit der Pflicht, mit den Gewerkschaften Tarife auszuhandeln, nicht mehr kompatibel sind."
In der Privatwirtschaft und selbst in den Teilen des Öffentlichen Dienstes, in dem noch die normalen Arbeitsrechte gelten, wäre ein solches Vorgehen illegal. Aber seit dem 11. September 2001 haben sich die Arbeitsbeziehungen dramatisch verändert. Die Art und Weise, wie mit den Screenern umgegangen wird, ist dafür ein Prüfstein. Sie wurden dafür verantwortlich gemacht, dass mit Plastikmessern und Brieföffnern bewaffnete Terroristen an Bord von Flugzeugen gelangen konnten. In der Atmosphäre der Angst, die den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon folgte, gaben die Screener eine bequeme und einfache Zielscheibe ab. Republikaner und Demokraten stimmten im Kongress gemeinsam für den Transportation Security Act, der die existierenden Arbeitskräfte durch neue, den Bundesbehörden unterstehende, ersetzen soll.
Vor allem in großen, metropolitanen Flughäfen sind die Screener zu einem hohen Prozentsatz "People of Color", die meisten sind MigrantInnen. Sie arbeiten für Löhne knapp über dem Mindestlohn in enorm anstrengenden Jobs für private Subunternehmer, die von den Fluggesellschaften angeheuert werden. In den letzten zehn Jahren haben die schlechten Arbeitsbedingungen dazu geführt, dass in vielen Flughäfen Gewerkschaften entstanden sind. In San Francisco hat eine Screener-Gewerkschaft schließlich zum ersten Mal Löhne von über 10 Dollar durchgesetzt.
Die "Verstaatlichung" dieser Jobs hätte eigentlich vorteilhaft für die Beschäftigten sein können, aber Bundesangestellte müssen amerikanische StaatsbürgerInnen sein. Und diese Anforderung kostete im letzten Jahr knapp 30.000 Screener den Job. Eine der Betroffenen war Erlinda Valencia, die im Flughafen von San Francisco arbeitete. "Ich habe diesen Job seit 14 Jahren gemacht", sagt sie, "aber jetzt stellen sie Leute ohne jede Erfahrung ein." Valencias Gewerkschaft hat dafür gekämpft, dass San Francisco einer von fünf Flughäfen im ganzen Land ist, wo private Subunternehmen immer noch Gepäckchecks durchführen können. Das hat den Vertrag mit der Gewerkschaft gerettet, aber nicht die Arbeitsplätze der Arbeiterinnen. Nicht-AmerikanerInnen wie Valencia durften sich noch nicht einmal um die neuen Jobs bewerben.
Doch Screenern mit amerikanischer Staatsangehörigkeit geht es nicht viel besser. Die TSA hat sämtliche neuen Bundesangestellte erst mal durchleuchtet. Dabei wurden die bisherigen Beschäftigten nicht etwa automatisch übernommen, sondern mussten sich "hinten anstellen". In den Einstellungstests wird danach gefragt, welcher Prozentsatz der KollegInnen wohl betrüge oder welcher Prozentsatz von Vorgesetzten wohl Beschäftigte schlecht behandele - Fragen, die eher Auskunft über die Einstellung gegenüber Autoritäten geben sollen als über Jobkenntnisse. "Es war eher ein Integritätstest", urteilte ein Arbeiter auf dem JFK-Airport in New York. Sprachtests siebten darüber hinaus diejenigen StaatsbürgerInnen mit migrantischem Hintergrund aus, die mit Akzent gesprochen haben.
In der Konsequenz hat sich die Zusammensetzung der Arbeitskraft sehr verändert. "Unter den größten 100 Flughäfen, die 80% der Screener beschäftigen, bestand die große Mehrheit der Beschäftigten aus Angehörigen von Minderheiten", sagt Robert Masciola von der Gewerkschaft SEIU. Die TSA hat jetzt bekannt gegeben, dass 61% der neuen Arbeitskräfte Weiße sind. Nur noch 31% der "Neuen" sind Frauen. Außerdem seien nur 4.500 der 30.000 ehemaligen Screener übernommen worden; einige BeobachterInnen glauben, dass der tatsächliche Prozentsatz noch sehr viel niedriger liegt.
Die TSA hat viele ehemalige Angehörige aus dem Militär und dem Strafvollzug in Managementpositionen geholt, um eine autoritäre und einschüchternde Unternehmenskultur zu schaffen. Ein Bundesangestellter zu sein, ist also mitnichten eine Garantie für gute Arbeitsbedingungen. In Pittsburgh arbeiten Screener während der Ferien 48 Stunden in der Woche. Ihr Anspruch auf einen Tag Pause hängt von der Laune der Vorgesetzten ab. In New York ist die Pflicht zu Überstunden ein Dauerzustand, auf dem La Guardia-Flughafen gilt für manche sogar eine 7-Tage-Woche. ArbeiterInnen an den Röntgengeräten haben oft immer noch keine Strahlungsindikatoren, die sie vor überhöhten Strahlendosen warnen. Einige laborieren an Rückenproblemen in Folge der schweren Gepäckstücke, die sie Tag für Tag heben müssen. Für die Entlohnung der Screener hat die TSA privatwirtschaftliche Modelle übernommen und "Bandbreiten" eingeführt. Screener erhalten so zwischen 23.000 und 34.000 Dollar im Jahr, wobei jedeR auf der untersten Stufe anfängt und die Vorgesetzten einseitig den aktuellen Lohn festsetzen. Die Probezeit für neu Eingestellte beträgt ein Jahr.
Trotz der Jobunsicherheit hat es nicht lange gedauert, bis sich die neuen Screener organisierten. Bis Mitte Februar gab es Anträge auf kollektive Tarifverhandlungen in La Guardia, Baltimore, Pittsburgh, Chicago-Midway, Greensboro, Harlingen/Brownsville und Columbus. In Tampa, New York-JFK, Orlando, Charlotte, Atlantic City und Des Moines wurden solche Anträge vorbereitet.
Das war der Hintergrund, vor dem James Loy kollektive Tarifverhandlungen verboten hat. Die TSA will mit aller Macht verhindern, dass die Screener an jedem Flughafen Gewerkschaften aufbauen. Allerhöchstens sollte ihnen eine Tariforganisation auf nationaler Ebene zugestanden werden - ein enormes Hindernis für die aktuellen Organisierungsanstrengungen. Der Kongress verabschiedete daraufhin ein spezielles Gesetz, das der TSA nationale Tarifverhandlungen und einen entsprechenden Tarifpartner vorschreibt. Den lokalen Bemühungen der Screener war damit fürs erste das Genick gebrochen.
Die Entrechtung der Screener war keine isolierte Aktion. Bereits im Januar 2002 hatte die Bush-Administration festgelegt, dass für 1.000 Beschäftigte im Justizministerium Gewerkschaftsmitgliedschaft unvereinbar mit ihren Berufsanforderungen sei. Diese Regelung betraf Angestellte der Bundesstaatsanwaltschaft, von Interpol, der Drogenfahndung und dem Büro für Aufklärung. Die Anweisung erfolgte an dem Tag, an dem die Gewerkschaft der Angestellten im Finanzministerium ihre Anerkennung beantragte.
Im letzten Winter wurde der Homeland Security Act verabschiedet. Jede beliebige Gruppe von Beschäftigten aus dem Innenministerium konnte damit aus den bestehenden Regelungen über Gehaltsstufen, Beförderungssysteme, Kündigungsverfahren, Antidiskriminierungsmaßnahmen etc. herausgenommen werden. Außerdem konnte das Recht auf kollektive Tarifverhandlungen suspendiert werden. 170.000 öffentliche Beschäftigte sind davon betroffen. Anfang Februar 2003 verloren als erste 1.000 Beschäftigte des Amtes für Kartografie (NIMA) ihr Tarifierungsrecht. NIMA-Direktor James Clapper begründete den Schritt damit, dass kollektive Tarifverhandlungen die Fähigkeit seiner Angestellten einschränke, ihren Ermittlungs-, Aufklärungs- und Sicherheitspflichten nachzukommen. "Es ist ja nicht so, dass sich die Jobs geändert hätten oder dass sich der Auftrag der NIMA geändert hätte", meint dazu die Gewerkschafterin Diane Witika. "Das Vorgehen ist schlicht Teil des allgemeinen Plans der Bush-Administration, die Gewerkschaften im öffentlichen Sektor zu zerschlagen."
Im Dezember 2001 verbot Bush einen Streik bei United Airlines. Dort hatten 15.000 MechanikerInnen nahezu einmütig für einen Streik gestimmt, weil sie für Löhne weiter arbeiteten sollten, die bereits 1994 ausgehandelt worden waren. Als die Gesellschaft schließlich im Januar 2003 den Konkurs anmeldete, versuchte die Geschäftsführung, den Beschäftigten massive Lohnzugeständnisse abzuzwingen, und Bush drohte, die 1,8 Mrd. Dollar Bundesbürgschaft zurückzuhalten, falls die Gewerkschaften den Lohnkürzungen nicht zustimmten. Die Administration hat offen damit argumentiert, dass die Lufttransportindustrie für die amerikanische Gesellschaft lebenswichtig sei und dass Arbeitskämpfe daher eine Bedrohung für die Wirtschaft und die Nation selbst seien.
Am 31. Juli letzten Jahres lief an der Westküste der Tarifvertrag zwischen der Hafenarbeitergewerkschaft ILWU und den Hafenbetreibern (PMA) aus. Und wiederum intervenierte das Weiße Haus: Innenminister Tom Ridge und VertreterInnen des Arbeitsministeriums warnten die ILWU, dass die Administration jede Unterbrechung der Arbeiten auf den Docks als Bedrohung der nationalen Sicherheit ansehen würde. Sie drohten mit dem Taft-Hartley Act [1] damit, die Pazifikhäfen unter den Railway Labor Act zu stellen (und damit Streiks direkt zu illegalisieren) und der ILWU die Verhandlungsmacht für alle Häfen zu entziehen. Die Stellungnahme der Regierung vor Gericht, vorgetragen von Verteidigungsminister Donald Rumsfield, enthüllte eine bemerkenswerte neue Philosophie: "Das Verteidigungsministerium greift bei der Sicherstellung seiner Anforderungen in steigendem Maße auf kommerzielle Güter und Verfahrensweisen zurück", so Rumsfield. "Rohstoffe, medizinische Vorräte, Ersatzteile und Komponenten sowie die alltäglichen Versorgungsgüter für unsere Streitkräfte sind Teile der notwendigen militärischen Fracht, die von kommerziellen Vertragsfirmen übernommen und die typischerweise nicht als Militärgut klassifiziert werden." Mit anderen Worten: Jede Arbeitsunterbrechung in den Häfen ist eine Bedrohung der nationalen Sicherheit. "Bedrohung" wird hier nicht mehr in Kategorien zentraler lebenswichtiger Dienste definiert, sondern rein ökonomisch. Jeder Streik, der die laufenden wirtschaftlichen Aktivitäten in einer Branche oder einem großen profitablen Unternehmen unterbricht, kann als eine solche Bedrohung definiert und illegalisiert werden. Anfang Oktober 2002, nach 12 Tagen Aussperrung, gingen die Hafenarbeiter wieder zur Arbeit; nicht freiwillig, sondern unter dem Druck der Regierung. Die Tarifverhandlungen wurden einen Monat lang fortgeführt - unter dem Taft-Hartley-Gesetz und seiner vorgeschrieben 80-tägigen Arbeitskampfpause.
Die Instrumentalisierung der nationalen Sicherheit hat einen immer stärkeren Effekt auf die Gewerkschaften. Wenn die Logik der "Bedrohung" einmal akzeptiert ist, kann damit beinahe jede Maßnahme legitimiert werden. In den Worten Chris Rhatigans von der TSA: "Kollektive Tarifverhandlungen sind unvereinbar mit der nationalen Sicherheit." Nico Melendez, ein weiterer leitender TSA-Repräsentant, drückte es noch deutlicher aus: "Sicherheit ist das oberste Gebot, und kollektive Tarifverhandlungen können das System zerstören."
Anmerkung:
1) nach dem Taft-Hartley-Act können Streiks und Aussperrungen von der Bundesregierung zwangsweise ausgesetzt werden. Zudem erlaubt das Gesetz den Einsatz des Militärs und der Nationalgarde als Streikbrecher. Zuletzt wurde der Taft-Hartley-Act 1976 gegen die militanten Streiks in den Kohlerevieren Kentuckys eingesetzt.
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