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Buy American: Die nie erzählte Geschichte des ökonomischen Nationalismus

Ein neues Buch erklärt die nie erzählte Geschichte (und das Scheitern) von "Buy American"-Kampagnen

Buy American: Die nie erzählte Geschichte des ökonomischen Nationalismus
Dana Frank
Veröffentlicht von: Beacon Press, 1999
Erhältlich als Taschenbuch (ISBN 0-8070-4711-2)
US$ 17,50

 

Amerikanische Waren kaufen? Die UE (Vereinigte Elektro-, Radio- und Maschinenarbeiter von Amerika – unabhängige Gewerkschaft) war eine Gewerkschaft, die die "Buy American"-Mode der 1970er und 1980er umschifft hat. Nicht dass die UE nicht wegen des Arbeitsplatzabbaus besorgt gewesen wäre – keine Gewerkschaft hat mehr gegen Fabrikschließungen oder für den Erhalt von Arbeitsplätzen gekämpft. Der "Buy American"-Ansatz ignorierte die Realität, dass "amerikanische" Unternehmen ihre Produktion fleißig nach Übersee verlagerten.

Für die UE roch die Angelegenheit sehr danach, dass die Zusammenarbeit von Arbeitervertretung und Management geübt werden sollte, um den globalen ‚Rücken‘ der Großunternehmen zu decken, aber ohne viel zum Ende des Stellenabbaus beizutragen. Weil die UE sich um jede Beschwerde kümmerte, hielt sie ihre Aufmerksamkeit auf die Politik der Bosse gerichtet und kämpfte wie der Teufel für die Mitgliedschaft.

Die UE fand es auch schwierig, dass die "Buy American"-Kampagnen die Schuld auf ausländische Arbeiter schob, die nur wie jeder andere auch versuchten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. UE-Mitglieder suchten nach Wegen, um mit Arbeitern und Gewerkschaften im Ausland, die oft dieselben Unternehmen bekämpften, Bündnisse zu schließen.

Deshalb sind UE-Mitglieder "die Helden" eines neuen Buchs, das die "Buy American"-Kampagnen gründlich untersucht: "Buy American: die nie erzählte Geschichte des ökonomischen Nationalismus" von Dana Frank. Die Autorin, Historikerin und außerordentliche Professorin für Amerikanistik an der Universität von Kalifornien in Santa Cruz, benutzt nicht wirklich das Wort "Helden" in ihrem Buch – das sagte sie dem Autor dieser Buchbesprechung in einem Gespräch, das früher im Jahr stattfand. Aber aus den Seiten von "Buy American" wird klar, dass sie enormen Respekt für die Gewerkschaft und ihre Politik hat.

Aber nicht nur aus diesem Grund sollte man dieses gut geschriebene und lebendige Buch lesen. Es ist ein wichtiger Beitrag zum Verständnis von Handelspolitik – und wie wir aus dem Nordamerikanischen Freihandelsvertrag und dem GATT gelernt haben, spielt der Handel eine wichtige Rolle.

Von Anfang an

Frank beginnt ihre Geschichte passend mit dem Anfang, mit den Protesten gegen die englische Kontrolle des amerikanischen Handels, bei denen Tee ins Meer geworfen und so die erste "Buy American"-Kampagne gestartet wurde. Frank macht deutlich, dass in den Zeiten der Revolution Plantagenbesitzer und Händler nicht immer dieselben Ziele hatten wie Matrosen, Sklaven oder die Frauen, deren Handgesponnenes britische Stoffe ersetzte. Wohlhabende Händler wie John Hancock beuteten den Boykott britischer Waren schlau aus, während arbeitende Leute an (manchmal) geordneten Aufständen teilnahmen, um die informelle Kontrolle über die Preise aufrechtzuerhalten.

Die Revolution begann mit einem Streit um Handelsbeschränkungen und endete mit einer Verfassung, die die Kontrolle einer neuen Regierung über den Handel garantierte.

Frank zeigt auf, dass Generationen von Schulkindern im Geschichtsunterricht während der Diskussionen um Zölle (erinnert euch: Steuern auf importierte Waren) hin- und herrutschten oder schliefen. Aber Zölle, daran erinnert sie uns, trennten die Republikaner von den Demokraten und waren neben Sklaverei, Bürgerkrieg und Wiederaufbau das umstrittenste politische Thema. Vertraut mir: Frank macht Zölle sehr viel interessanter als Fräulein Fröhlich in der sechsten Klasse. Unter anderen erwähnenswerten Punkten lieferte die Debatte um Zölle eine praktische Nebelwand, um den wachsenden Konflikt zwischen Räuberbaronen und Arbeitern zu verbergen.

Pakt mit dem Teufel

Frank fasst in brillanter Weise den Nachkriegspakt zwischen Gewerkschaftsfunktionären, Regierung und Großindustrie zusammen, der 1949 zum schicksalhaften Bruch in den Reihen des Kongresses der Industriegewerkschaften (CIO) führte: "Mit der Nachkriegsübereinkunft banden die Gewerkschaften ihr Schicksal an den Stern der Expansion der US-Unternehmen in Übersee", schreibt Frank – eine Entwicklung mit überraschenden Resultaten. In Übereinstimmung mit den außenpolitischen Zielen der Großunternehmen unterstützte der Amerikanische Arbeiterbund - Kongress der Industriegewerkschaften (AFL-CIO) offiziell den Freihandel. Der Vorsitzende der Vereinigten Stahlarbeiter unterstützte vor dem Kongress die Liberalisierung des Handels. Die Veröffentlichung der Internationalen Bruderschaft der Elektroarbeiter (IBEW) bejubelte den Import von Autos.

"Der Vorsitzende der AFL-CIO, George Meany, war am Steuer eingeschlafen und sah nicht, dass 1961 alle Elemente der Krise feststanden," sagt Frank. "US-Unternehmen waren nun von Grund auf multinational und hatten sich fest im Ausland eingerichtet. Die um das Militär zentrierte nationale Wirtschaft schwächte die Entwicklung der heimischen Ökonomie jedes Jahr gründlicher. Militärisches Eingreifen hielt währenddessen die Löhne in der Dritten Welt niedrig."

In den 1970ern war dann die Hölle los. "Plötzlich und in dramatischer Weise schlug die Krise zu," beobachtet Frank. "Millionen stabiler, gut bezahlter Jobs in Betrieben, in denen es eine Gewerkschaft gab und an die so viele amerikanische Arbeiter geglaubt hatten, lösten sich über Nacht in Nichts auf."

Die Bekleidungsindustrie war davon besonders betroffen. Die Internationale Textilarbeiterinnengewerkschaft (ILGWU) beeinflusste Abgeordnete für eine protektionistische Gesetzgebung und verband ihre traditionelle Kampagne "Kauft aus Betrieben mit Gewerkschaft" mit einer ziemlich großen "Buy American"-Kampagne. Fernsehspots ermahnten die Käufer, "auf das Gewerkschafts-Zeichen zu achten." Aber wie Frank erklärt, war nicht alles in Ordnung.

Von den Bossen subventioniert

Seit den 1920ern "hielten ILGWU-Tarifverträge fest, dass ein Betrieb, in dem es eine Gewerkschaft gab und der einen Teil seiner Produktion in eine Werkstatt ohne Gewerkschaft auslagerte, der Gewerkschaft ‚Schadensersatz‘ leisten musste zu einem Satz, der auf die Verkaufspreise von Waren aus Betrieben ohne Gewerkschaft aufgeschlagen wurde." In den 1970ern akzeptierten die Hersteller bereitwillig diese Zahlungen an die Gewerkschaft als einen Kostenfaktor – während sie ihre Produktion ins Ausland verlagerten. "US-Textilienhersteller, die im Ausland produzierten, beglichen so die Rechnung für den eindringlichen Appell der Fernsehspots, dass amerikanische Konsumenten Importe vermeiden sollten," sagt Frank.

Weil die Gewerkschaft weiter schrumpfte, waren die Zahlungen der Bosse bald fast gleich hoch wie die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen; "beide verblassten neben den Einnahmen aus Grundbesitz und Investitionen in Versicherungen."

Ein großer Teil des Wandels hin zu Importen und Auslandsproduktion wurde von der US-Regierung durch Steuergesetze gefördert, die Teil ihrer Außenpolitik im kalten Krieg waren. Die bedingungslose Unterstützung dieser Außenpolitik machte es der ILGWU unmöglich zu protestieren. Die ILGWU sah es vielleicht nicht gern, wenn ein US-Unternehmen eine Fabrik hier schloss und die Produktion in El Salvador wieder aufnahm – aber sie unterstützte das Schweigen der USA zur Unterdrückung der salvadorianischen Gewerkschaften im Namen des "Kampfes gegen den Kommunismus".

Die anti-japanische Ausrichtung der ILGWU führte sie zur Borniertheit im Gegensatz zur Solidarität zwischen Gewerkschaften. Die Bereitschaft, Asiaten zu Sündenböcken für Arbeitslosigkeit zu machen, erreichte beunruhigende Ausmaße, als Massenentlassungen die Autoindustrie vernichteten und einen erschreckenden Tiefpunkt mit der Ermordung eines Amerikaners chinesischer Herkunft in Detroit im Jahr 1982.

Im Team des Unternehmens

Die Mitglieder der Automobilgewerkschaft (UAW) reagierten mit verständlichem Ärger. Währenddessen, so argumentiert Frank, "stand die UAW-Führung einer Krise gegenüber, auf die sie in keiner Weise vorbereitet war und auf die sie nicht mit Militanz reagierte und dadurch – wie sich herausstellte genauso sehr durch Unterlassung wie durch Handeln - den Kontext für die ‚Buy American‘-Kampagnen schuf."

Von "Buy American" zu Lohnverzicht: Die UAW erklärte sich 1979 bereit, Chrysler aus der Patsche zu helfen, gefolgt von größeren Zugeständnissen an General Motors und Ford. Andere Unternehmen begannen ebenfalls, Lohnverzicht von der UAW und anderen Gewerkschaften zu fordern. "Die UAW-Führung stimmte den Forderungen der Autoindustrie mit atemberaubender Eilfertigkeit zu", sagt Frank. "Zuerst war ihre hauptsächliche Antwort, ja zu sagen und den nächsten Telefonanruf zu beantworten. 1981 aber hatten sich die höchsten Gewerkschaftsführer so weit erholt, dass sie eine Kongressinitiative starten konnten, die einheimische Einzelteile in Autos vorschrieb und so zehn Jahre nach der AFL-CIO eine Kehrtwende von der Unterstützung des Freihandels zum Protektionismus machen." Auf die Zugeständnisse folgte gemeinsame Politik: Die UAW billigte offiziell das Arbeitsgruppen-Konzept.

Eine andere Stimme

"Eine einsame Stimme in der Menge der Gewerkschaften sang jedoch ein völlig anderes Lied", sagt Frank. Das war die UE, die "außerhalb des AFL-CIO-Konsens im Kalten Krieg blieb." Frank zitiert eine Resolution der UE von 1990, die den "Buy American"-Ansatz in Frage stellte; sie zitiert auch das für politische Aktionen verantwortliche Vorstandsmitglied der UE, Chris Townsend, der die "Buy American"-Kampagnen eine "verrückte Abweichung" nennt, die die Arbeiter in die gefährliche Lage bringt, die Arbeitgeber zu fördern. Und Frank hält fest, wie die UE die Zusammenarbeit der Arbeitervertretung mit dem Management zurückweist.

"Vom Standpunkt der UE war das wahre Problem der Umbau der Unternehmen, Kapitalflucht und die unerbittliche Jagd nach Profiten," schreibt Frank. Sie zeigt auf, dass die UE schon in den 1960ern, als die Beschäftigung in Elektrounternehmen sank, die 35-Stunden-Woche, Kontrolle von Kapitalflucht und das Ende der föderalen Steuergesetze, die die Produktion von US-Unternehmen im Ausland subventionierte, forderte. "Die UE ersetzte die Parole "Buy American" durch "Ausländische Konkurrenz: Made in the USA" (Der Titel eines UE-Flugblatts von 1970).

Versucht es mal mit Solidarität

Die Wahl, beteuert Frank, ist nicht die zwischen begrenztem Freihandel (der auf "ökonomischen Gesetzen" beruht, die unerklärlicherweise immer die Großindustrie begünstigen) oder Protektionismus. Alternativen liegen in zwischenstaatlicher Solidarität und Wirtschaftsdemokratie.

Noch einmal greift sie die UE lobend heraus und erwähnt die grenzüberschreitende Arbeit mit der mexikanischen Authentischen Arbeiterfront (FAT) und beurteilt auch die internationale Solidaritätsarbeit der Vereinigten Bergbauarbeiter positiv.

Nicht überraschend sieht Frank den Kampf gegen die Nordamerikanische Freihandelszone als Wendepunkt; sie sieht auch positive Resultate des Führungswechsels in der AFL-CIO in der Mitte der 1990er.

Die Historikerin empfiehlt grenzüberschreitende Solidarität wie das Bündnis der UE mit der FAT; internationale Arbeitsstandards in Handelsabkommen; einen Kampf gegen Rassismus; Kontrolle der Kapitalflüsse; "und vor allem müssen wir mehr über Wirtschaftsdemokratie reden. Wessen Wirtschaftsnation ist dies denn? Welche Art von Nation wollen wir aufbauen – und für wen?" fragt Frank. "Wir müssen das basisdemokratische Ideal der ‚Buy American‘-Bewegung feiern, aber andere Formen suchen, es zu erreichen."

 

Besprechung von Peter Gilmore in den UE-Nachrichten – 12/00
Übersetzt von Nina Frank - wir danken herzlichst!


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