Kanada

"Unstrike" bei Starbuck erfolgreich beendet

Mitte Oktober kam es bei Starbuck, einem Kaffeeunternehmen mit Verkaufstellen ähnlich wie Tschibo oder Eduscho, zwischen Management und dem CAW-Verhandlungskomitee zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung. Vorausgegangen waren (s. dazu express 10/99) ungewöhnliche Kampfmaßnahmen seitens der Belegschaft und der CAW, die unter dem Begriff "Unstrike" schon bald hohe Popularität in der Bevölkerung erreicht hatten.

Der etwas ungewöhnliche Begriff erklärt sich nicht aus einem originellen Einfall der Erfinder, sondern zu allererst aus den Kampferfahrungen, die die Belegschaften mit einem Management aufzuweisen haben, das gerne gewerkschaftsfrei arbeitet. Hier würde ein Rückgriff auf herkömmliche Kampfmittel zu so harten Gegenmaßnahmen führen, dass eine breit angelegte Mobilisierung, die sich auch längerfristig verstetigen könnte, verunmöglicht würde.

Bei Starbuck gelang es nun, eine auf zwei Jahre befristete Vereinbarung zu erzielen, die von 75 Prozent der Belegschaft unterstützt wurde. Erreicht wurden Stundenlohnerhö hungen von 40 Cent, was einer durchschnittlichen Lohnerhöhung von ca. 4,7 Prozent entspricht. Außerdem sieht die neue Vereinbarung vor, dass alle Trainingsstunden als normale Arbeitsstunden angerechnet werden. Somit wird der Druck insbesondere von den Beschäftigten genommen, die während ihres Jobs noch Neuangestellte anlernen müssen und die sonst keinen Lohn bekämen.

Ein neu etabliertes Prozedere zur Entscheidungsfindung soll dazu beitragen, dass mehr Transparenz und Gerechtigkeit in das Schichtplansystem einzieht. Damit ist zugleich ein wesentlicher Schritt in Richtung Jobsicherung gemacht worden. Nach einer bestimmten Frist hat nun außerdem jede/r Festangestellte das Recht, mehr Stunden pro Tag zu arbeiten, um mehr Geld verdienen zu können. Außerdem soll den FilialleiterInnen untersagt werden, als Springer einzugreifen, weil sich dadurch die Chancen für die regulären JobberInnen an den Theken ("Baristas") verschlechtern.

Das Verhandlungskomitee hatte während der Verhandlungen deutlich gemacht, dass es das bisherige Entgeltsystem komplett ablehnt. So ist es selbst für leistungsstarke Baristas unmöglich, umsatzabhängige Zusatzprämien zu erhalten, um das dürftige Grundgehalt aufzubessern. Bis Mitte Januar wollen sich Management und Verhandlungskomitee über Modifikationen des Entgeltsystems einigen. Immerhin konnte dem Management schon jetzt abgerungen werden, dass jede geplante Veränderung der Arbeitsbedingungen zuerst mit dem Verhandlungskomitee vordiskutiert werden muss.

Es zeichnet sich ab, dass Starbuck das erreichte Verhandlungsergebnis auch in anderen Filialen übernehmen will, um dort eine gewerkschaftliche Organisierung nach dem Muster des Unstrikes zu verhindern – eine gewagte Kalkulation, weil das Verhandlungskomitee von sich aus über die positiven Erfahrungen mit der Selbstorganisierung und den Unstrikes auch anderen Starbuck-Beschäftigten berichten wird). Auf besonderes Interesse dürfte in anderen Geschäftsstellen der Umstand stoßen, dass das Ergebnis erreicht wurde, ohne dass die Beschäftigten Lohneinbußen hinzunehmen hatten.

Die CAW Starbuck-Baristas werden dafür Sorge tragen, dass in sämtlichen Starbuck-Filialen kollektive Vereinbarungen über Schichtpläne, Entgeltsysteme oder andere Veränderungen der Arbeitsbedingungen getroffen werden. Das Selbstbewusstsein der CAW Starbuck-Baristas soll auch in die noch nicht gewerkschaftlich organisierten Bereiche vermittelt werden.

Es gibt aber auch Bereiche, in denen keine Fortschritte erzielt wurden. Das betrifft z.B. das Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Immerhin besteht beim Verhandlungskomitee die Hoffnung, schon bald mit dem Management in dieser Sache nachver-handeln zu können. Während des Unstrikes bekamen die Baristas gerade in diesem Punkt viel Unterstützung durch die Bevölkerung. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass für diese Forderung wieder auf eine öffentlichkeitswirksame Kampfform zurückgegriffen wird.

Schlussendlich hat der Unstrike auch das Profil der CAW geschärft. Es ist positiv für eine Gewerkschaft, die aus dem Kernbereich der industriellen Produktion kommt, dass sie nicht nur eine neue Gewerkschaftspolitik proklamiert, sondern tatsächlich auch umsetzt. Viel Sympathie hat der CAW auch eingetragen, dass sie sich in einem nicht-organisierten Bereich des Dienstleistungssektors so massiv engagiert hat, während viele andere Gewerkschaften gekniffen haben, weil sie befürchteten, sich "blutige Nasen" zu holen und einem Kampf auswichen, dessen Erfolg so unsicher erschien, wie bei Starbucks anfangs befürchtet.

CAW, Canada Local 3000 Starbucks Bargaining Committee
Übersetzung: U.W.
Erschienen in: express - Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit Nr. 11-12/1999


LabourNet Germany: http://www.labournet.de/
Der virtuelle Treffpunkt der Gewerkschafts- und Betriebslinken / The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace
2000-01-02