Solange es betriebliche Verfolgungen gewerkschaftlicher Aktivitäten gibt, die auf eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der dort Arbeitenden abzielen, ist es immer wieder lohnend, neue Protest- und Widerstandsformen zu studieren, die Bezug auf veränderte Rahmenbedingungen nehmen und verhindern, dass Protest zu bloßer Routine verkommt.
Anlässlich der Neuverhandlung ihres Haustarifs griffen Angestellte von zwölf gewerkschaftlich organisierten Starbuck-Geschäften zu einer neuen Aktionsstrategie, die sie als "Unstrike" (Nicht-Streik) definierten.
Ausgangspunkt des Protests war das Gewerkschaftslokal 3000 der "Canadian Auto Workers" (CAW), die aber nicht nur branchenspezifisch im Automobilbereich organisieren, sondern aufgrund ihres übergreifenden programmatischen Anspruchs auch in anderen Branchen tätig sind. Die zwölf "organisierten" Geschäfte sind die einzigen ihrer Art von über 2.200 Filialen, die Starbuck, der weltweit größte Einzelhändler von Kaffee, auf allen Kontinenten der Erde unterhält. Die Gegenmacht der CAW gegen das Starbuck-Management wurde imVorfeld der Proteste als äußerst gering eingeschätzt. Diese David-gegen-Goliath-Situation führte zur Idee, das Ungleichgewicht der Kräfte nach außen zu reproduzieren – allerdings in ironischer Form. Die Gründe für den Nicht-Streik waren die Forderungen nach angemessenen Löhnen bzw. Lohnerhöhungen, bezahltem Krankenurlaub sowie einem festen Arbeitszeitschema für jeden Angestellten und regelmäßigen Fortbildungs- und Schulungseinheiten.
Das Besondere des Nicht-Streiks ist schlicht die Tatsache, dass nicht gestreikt wird, sondern alle Aktionen innerhalb der Arbeitszeit stattfinden. So gingen die GewerkschafterInnen zur Arbeit und bedienten die Leute in den Kaffeegeschäften, allerdings mit dem signifikanten Unterschied, dass sie sich weigerten, die einheitliche Starbuck-Arbeitsuniform anzuziehen. Die meisten GewerkschafterInnen trugen, was sie wollten, einige nutzten dies aber auch dazu, sich in ausgefallenen Kostümen und Pantoffeln, oder mit bunten Perücken oder Tattoos in den Geschäften zu präsentieren. Statt Starbuck-Uniform trugen alle Buttons mit dem "Warbuck Coffee"-Logo, das für alle öffentlichkeitswirksamen Aktionen verwendet wurde und schon bald lokale Berühmtheit errang. Der Rücken der "Unstrike"-T-Shirts war rot bedruckt mit der Aufschrift: "Ich hatte keinen bezahlten Krankenurlaub und so telefonierte ich vergeblich. Nun möchte mein Boss das Zertifikat des Leichenbeschauers, bevor ich zur Arbeit zurückkehren kann."
Die Öffentlichkeit der Arbeit bei Starbuck nutzend konnten auf diese Weise viele Leute, die als Kunden bei Starbuck einkauften, erreicht und mit den dort üblichen Arbeitspraktiken konfrontiert werden. Auf Flugblättern wurde ein offener Brief an den Konzernchef Howard Schultz publiziert, den die PassantInnen an Starbuck schicken sollten.
Es war Juli 1997, als die Beschäftigten ihren allerersten Haustarifvertrag bei Starbuck durchsetzen konnten. Damals wurde erstmalig die Erstellung von Arbeitszeitplänen für die Beschäftigten, die bis dahin vollkommen kapazitätsorientiert zur Arbeit eingeteilt wurden, erreicht. Seither gibt es auch Vereinbarungen zum Schutz der Frauen vor sexistischer Anmache und einschränkende Regelungen zur Schichtarbeit. Das Management von Starbuck hatte zuvor den Abschluss unterzeichnet, entwickelte aber sofort den Plan, die monetären Angebote in den nicht-organisierten Betrieben zu erhöhen, um das Interesse an gewerkschaftlicher Organisierung zu unterminieren.
Starbuck zeigte sich auch diesmal fest entschlossen, keine ernsthaften Verhandlungen mit der CAW zu führen, sollte doch gewerkschaftliche Organisierung auf keinen Fall als ein möglicher Erfolg sichtbar werden. Das Management weigerte sich weiterhin, die vereinbarten Regelungen auch auf die nicht-organisierten Filialen anzuwenden, einerseits aus finanziellen Motiven, andererseits aber auch, um eine weitere gewerkschaftliche Organisierung zu verhindern. Die CAW dehnt hingegen bewusst ihre Forderungen auch auf die nicht-organisierten Filialen aus, um auch dort für gewerkschaftliche Organisierung zu werben.
Bisher bot Starbuck Lohnerhöhungen unterhalb der Inflationsrate an. Angesichts der Tatsache, dass die meisten Beschäftigten Teilzeit-Angestellte sind, die bisher weniger als 800 Dollar im Monat verdienen, war dieses Angebot für die CAW unakzeptabel. Das Image Starbucks als liberales Unternehmen mit positiver Unternehmenskultur resultiert daher, dass das Management selbstverständlich einen Anspruch auf bezahlten Krankenurlaub u.a. Vergünstigungen hat. Für die Teilzeitbeschäftigten hingegen ist Krankheit ein großes Problem, weil jede Krankmeldung sie noch mehr in die Armut treibt. Krankheit kann sich in diesem Bereich niemand leisten – es sei denn in der Freizeit. Deswegen fordert die CAW eine von der Arbeitsdauer abhängige Regelung für bezahlten Krankenurlaub.
Der Zorn der Beschäftigten und der CAW wurde durch die Bekanntgabe der Unternehmensbilanz des letzten Jahres noch angestachelt. Starbuck ist ein blühendes Unternehmen, dass tiefschwarze Zahlen schreibt. In diesem Jahr wurde alle 16 Stunden eine neue Starbuck-Filiale eröffnet. Der Gewinn des Unternehmens beläuft sich auf eine Milliarde Dollar. Die Basis dieses Erfolges liegt in der Unterdrückung der Teilzeitbeschäftigten in den Filialen.
Angesichts der zunehmenden Serviceorientierung solcher Unternehmen wie Starbuck sieht CAW eine kleine Chance, das Ungleichgewicht der Kräfte zu ihren Gunsten zu ändern. Dienstleistungsunternehmen wie Starbuck, die sich in der Öffentlichkeit präsentieren müssen, sind auf eine gute PR angewiesen. Öffentlichkeitswirksame Aktionen können zu schwerwiegenden Imageschäden eines Unternehmens und in der Folge zu Umsatzeinbrüchen führen. Die Gewerkschaften haben hier außerdem die Gelegenheit, die Skepsis vieler Leute ihnen gegenüber zu verändern. Mit der Gleichung: zufriedene Mitarbeiter = zufriedene Kunden = zufriedene Unternehmer = zufriedene Mitarbeiter bringen sie zudem Unternehmen in die Defensive. Gleichzeitig können die Gewerkschaften durch solche Kampagnen ihre Aktionsbasis auf außerbetriebliche Bereiche erweitern und ihre Erfahrungen in die Kämpfe von Erwerbslosen einbringen.
Protestbriefe können direkt an Starbuck: Howard Schultz and CEO, Starbucks Coffee Corporation, 2401 Utah Ave., South Seattle, Washington, USA, 98124 oder per email: hschultz@starbucks.com geschickt werden.
Quelle: DonaldSwartz@pigeon.carleton.ca
Diese Übersetzungvon U.W.ist erschienen in: express Nr. 10/1999
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