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Im März 1998 auf dem AKW Chmelnizki im westukrainischen Neteschin kam es zu einem für die heutige Ukraine einmaligen Streik. Weder die offiziellen noch die quasi-"oppositionellen" Medien haben die Ereignisse mit auch nur einem Wort erwähnt, und deshalb ist es wichtig, kurz darüber zu informieren.
Wie immer wurden die Unruhen in Neteschin durch massive Lohnrückstände ausgelöst. An die Betriebsleitung und die offiziellen Gewerkschaften vorbei wurde ein Streikkomitee gebildet, das während des ganzen Streiks illegal funktioniert. In der Nacht vor dem Streik blockierten ein Hundert der entschlossensten AKW-Angestellten in einer gut vorbereiteten Aktion die Wohnungen der führenden Geheimdienstleute und oberen Polizeibeamten der Stadt sowie der Betriebsleitung und Mitglieder des AKW-Notfallsstabs - insgesamt ca. 40 Wohnungen. Eine Gruppe der Streikenden besetzte die Telefonzentrale und sorgte dafür, dass die Anschlüsse der "Festgesetzten" stillgelegt wurden. Auf der Straße, die in die Stadt führt, wurden beladene LKW abgestellt und Beobachtungsposten eingerichtet.
Am nächsten Morgen ging beim Ministerium für Atomkraft ein Telegramm ein:
"Die Macht in Netschin liegt jetzt in den Händen der AKW-Belegschaft. Wir fordern die Auszahlung der Löhne, sonst geht das Werk sofort vom Netz und zwar so, dass es nie wieder hochgefahren werden kann."
Die Behörden hätten die Möglichkeit gehabt, eine Einheit der OMON-Spezialtruppe nach Neteschin zu entsenden, um die Festgesetzten mit Gewalt zu befreien und den Streik zu unterdrücken. Aber statt dessen entschieden sie sich, damit die Nachricht sich möglichst nicht verbreitet, die Forderungen schnell und unauffällig zu erfüllen. Bereits am Abend des nächsten Tages trafen in Neteschin LKW mit Bargeld ein. Die Lohnrückstände und Kommunalgebühren der AKW-Angestellten wurden in vollem Umfang gezahlt.
Es muss betont werden, dass die Ereignisse am AKW Chmelnizki sich ohne die Einmischung irgendwelcher politischen Parteien abspielten und entgegen allen Gesetzen liefen - hier waren Selbstorganisation und direkte Aktion am Werk. Das zeigt, dass der Syndikalismus nicht die Erfindung irgendwelcher Schreibtischtheoretiker ist, sondern eine lebendige Praxis der entstehenden Arbeiterbewegung. Den Begriff "Syndikalismus" kennt diese Bewegung noch gar nicht, aber wichtig ist nicht das Etikett, sondern die konkreten Erfahrungen.
Die Erfahrung zeigt: echte, wenn auch zahlenmäßig kleine *Arbeiterinitiativen* ignorieren den Weg der parlamentarischen Betätigung, gründen keine "Arbeiterparteien", die um die Beteiligung an der Macht kämpfen würden, sondern *verlassen sich auf ihre eigenen Kräfte* und die Mittel des direkten Klassenkampfes.
Der *zweite Schluss*: auch die erfolgreichsten und radikalsten Arbeitskämpfe sind vollkommen unzureichend, solange sie episodisch bleiben.
Im Jahr 2000 wurden einige Dutzend AKW-Mitarbeiter der "Unzuverlässigkeit" verdächtigt und entlassen. Das heißt, man hätte den Kampf kontinuierlich führen müssen. Man braucht eben Solidarität, gegenseitige Unterstützung und koordinierte Aktion. Früher oder später wird dies vielen klar werden - dann werden die elementaren Keime des Syndikalismus aufgehen und eine überzeugte, tatkräftige syndikalistische Massenorganisation entstehen lassen.
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