LabourNet Germany

Home Über unsSuchenTermine

 

Den folgenden Bericht entnahmen wir der unabhängigen linken italienischen Tageszeitung “il manifesto” vom 11.5.2000:

Klassenkampf in Pretoria

Der Generalstreik des COSATU gegen die Arbeitslosigkeit war ein Erfolg

Roberto Landucci

Vier Millionen Arbeiter – vielleicht sogar mehr – sind dem Aufruf der historischen Gewerkschaftskonföderation COSATU zum Generalstreik gefolgt und haben gestern Südafrika lahmgelegt. “Dieser Streik spricht über die Armut, über die Arbeitslosen und über die Sehnsüchte des Kapitals”, sagte der Vorsitzende des COSATU, Willie Madisha, als er den Spitzen des südafrikanischen Unternehmerverbandes SACOB das Memorandum über die Entlassungen und die Arbeitslosigkeit übergab. Ein Akt der Anklage darüber, daß Unternehmen und Regierung die systematische Streichung von Arbeitsplätzen wie einfache Betriebsunfälle betrachten, der ebenso an die Chefs wie an die Regierung gerichtet war, die der ANC stellt, von dem wiederum der COSATU eine der Seelen repräsentiert.

Der Diskurs über die Arbeitslosigkeit hat gegriffen und gestern sind Tausende von Mitgliedern mit den traditionellen “roten Barretts” sowie Tausende Nicht-Mitglieder aller Berufsgruppen (von den Metallarbeitern über die Bergarbeiter bis hin zum öffentlichen Dienst) in den wichtigsten Städten auf die Straße gegangen bzw. vor die Eingänge der Schachtanlagen und der Fabriken gezogen. Ca. 20 000 haben sich zu einem Marsch zur Börse im Zentrum von Johannesburg eingefunden, während sich die Polizisten in Anti-Aufruhr-Ausrüstung vor den Toren <der Börse /d.Ü.> aufbauten. An die Menge in Johannesburg hat sich Madisha selbst gewendet und gesagt, daß die Gewerkschaft Regierung und Unternehmen 6 Tage Zeit gebe, um auf das Memorandum zu antworten, andernfalls würde der Protest weitergehen. In Kapstadt ist eine Demonstration 4 Kilometer weit bis zum Parlament gezogen. Einige Auseinandersetzungen hat es in Kwazulu-Natal1i gegeben, der einzigen Provinz wo keine Märsche organisiert worden waren. Der Streik ist <jedoch /d.Ü.> auch dort mit Beteiligungen von bis zu 50% der Arbeiter ein Erfolg gewesen.

Die Blutung bei den Arbeitsplätzen ist also die Triebfeder des Protestes gewesen. Die Arbeitslosigkeit erreicht in Südafrika 37%. In den letzten 10 Jahren sind eine Million Arbeitsplätze verloren gegangen. Die Hälfte davon seit der ANC bei den ersten demokratischen Wahlen 1994 an die Macht gekommen ist. Der COSATU erhöht den Druck vor allem in bezug auf drei Punkte: 1. Die Anklage des “Investitionsstreiks”, wie sie ihn nennen, d.h. das Widerstreben der südafrikanischen Unternehmer die Kapitalien im Heimatland anzulegen. Gleichzeitig klagt der COSATU die Prekarisierungs- und Ausgliederungsprozesse der Arbeit an, die auch im Westen gut bekannt sind und die die Lohnmasse gesenkt haben. Er fordert außerdem, daß jedes Vorhaben kollektiver Entlassungen zur Umstrukturierung von einer “dritten Seite” (außerhalb von Unternehmen und Gewerkschaft), die die Grundlagen der Streichungen beurteilt, autorisiert werden muß.

Zweitens fordert die Gewerkschaft ein neues Gesetz über die Unternehmensliquidationen. Der COSATU sagt, daß es bis jetzt zu einfach gewesen ist, Buden aufgrund von Insolvenz zu schließen und die Beschäftigten mit leeren Händen zurückzulassen. Auch hier fordert man von den Unternehmen die Arbeiter frühzeitig über die finanziellen Schwierigkeiten zu informieren und dabei nachzuweisen, daß es dazu keine Alternativen gibt. Und wenn die Gesellschaft in Liquidation geht, müssen die Renten- und Krankenkassenbeiträge gerettet werden. Der dritte Punkt betrifft den Plan der Regierung die Importzölle unter die – gewiß nicht günstigen – von der WTO vorgesehenen Niveaus zu senken. Das würde, sagen sie beim COSATU, die Krise des verarbeitenden Gewerbes (vor allem im Textilbereich) forcieren.

Ein Nachhutgefecht ? Ja, bezogen auf die globalisierten neoliberalen Regeln, die die Beschäftigungssituation bei den Verzweifelten gerade nicht im Auge behalten. Der Unternehmerverband, der sich bei Bekanntwerden des Streiks die Haare raufte (der Verlust eines Arbeitstages kostet das Land 450 Millionen Dollar), hat gestern versprochen, daß er sich mit dem COSATU an einen Tisch setzen wird, um über Arbeit zu diskutieren. Bei der Regierung hingegen herrscht große Verlegenheit, die die schwierige Dialektik mit der Gewerkschaft und den Führungen der Parteien zeigt, die die Koalition bilden, nämlich dem ANC und den Kommunisten. Eine Episode, die beispielhaft ist: Bei der 1.Mai-Manifestation hatte der Generalsekretär des ANC, Kgalema Motlanthe in einer flammenden Rede, die nicht frei von Vorwahlkampfrhetorik war (die Kommunalwahlen rücken näher), von der Bühne herab die Gewerkschaften angespornt sich mit erneuerter Kraft “im Kampf gegen den Kapitalismus” zu engagieren. Der Verantwortliche für die Kommunikation des ANC hatte kurz darauf den Streich korrigiert: “Das ist eine Position, die außerhalb der Regierung eingenommen wird, die sich in eine Kampagne der Zivilgesellschaft gegen den Verlust von Arbeitsplätzen einreiht.” Und der Staatssekretär beim Ministerpräsidenten, Essop Pahad: “Das ist eine Frage, die den ANC betrifft. Die Regierung ist die Regierung. Wenn Ihr, was mich anbelangt, schreiben wollt: ‚Kein Kommentar!‘, ist mir das recht. Das ist perfekt.”

Übersetzung: Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover

i1 Kwazulu-Natal ist die Hochburg der reaktionären Zulu-Partei Inkatha, die von Buthelezi geführt wird und für ihre blutigen, um nicht zu sagen mörderischen, Übergriffe auf ANC- und SACP-Mitglieder und –Sympathisanten berüchtigt ist. Dabei hat es an die Tausend Tote gegeben.


Home
LabourNet Germany: http://www.labournet.de/
Der virtuelle Treffpunkt der Gewerkschafts- und Betriebslinken
The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace
Datei:
Datum: