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Updated: 18.12.2012 15:51
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Nach dem Streik...

Wieweit der Gewerkschaftsbund COSATU (als Regierungsmitglied) noch in der Lage sei, Menschen zu mobilisieren, das war eine der Fragen vor dem landesweiten Streik gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung und vorherrschende Unternehmensstrategien am vergangenen Montag. In Johannesburg, Kapstadt und Durban war die Mobilisierung gross, trotz diverser Versuche von ANC-VertreterInnen, wie etwa der neuen Vizepräsidentin, den Streik gegen Erwerbslosigkeit zu verhindern - und der Bereitschaft einiger Spitzenfunktionäre, ihn abzublasen. Während in den Medien eine Debatte darüber geführt wurde, ob die Erwerbslosigkeit in Südafrika bei 26 Prozent liegt, wie die offizielle Statistik ausweist oder doch eher bei 40 Prozent, wie die COSATU sagt, haben sich bei den Demonstrationen auch jene massiv zu Wort gemeldet, die zwar eine Arbeitsstelle (oder auch mehrere) haben, aber trotzdem arm sind. Der ANC hat, vor seiner Ratstagung in dieser Woche, versucht, den 50.Jahrestag der "Freedom Charter" so zu begehen, dass Konitinuität der Politik signalisiert wird. Dabei sind die politischen Direktiven, die zur Beschlussfassung vorliegen, so eindeutig, wie rund um die Welt: vor allem Jugendliche sollen faktisch jederzeit gefeuert werden können und weniger verdienen - wie alle behauptet auch die ANC-Regierung, damit könne Erwerbslosigkeit bekämpft werden... Eine erste Bestandsaufnahme der (gewerkschafts-)politischen Situation in Südafrika "Nach dem Streik" vom 30.Juni 2005

Soziale Krise

Die Situation in Südafrika ist ausgesprochen angespannt: allein im ersten Quartal 2005 gingen in der südafrikanischen Industrie und - vor allem - im Dienstleistungsgewerbe insgesamt 130.000 Jobs verloren. Über 10 Millionen Menschen, etwa jede/r Vierte leben nach offizieller Statistik in Armut, eine wachsende Zahl. Der (englische) Bericht "Shock New Job Losses Give Cosatu High Ground" externer Link von Kevin O'Grady in der Johannesburger Wirtschaftszeitung "Business Day" vom 29. Juni 2005, gespiegelt im Portal "Allafrica", gibt dazu aktuelle Zahlen. Und wiederholt die weltweit übliche Bankrott-Argumentation, Mindestlöhne und Kündigungsschutz verhinderten Neueinstellungen.

Insbesondere in der südafrikanischen Textilindustrie, wo seit 2002 insgesamt 75.000 Jobs gestrichen wurden, hat sich seit dem Auslaufen des Welt-Textilabkommens (wie in anderen Ländern des südlichen Afrika auch) der Schrumpfungsprozess beschleunigt, wie die (englische) Meldung "Fallout as China sews up textile market" externer Link des UN-Nachrichtendienstes IRIN vom 29. Juni 2005 zusammenfasst. Ob allerdings die COSATU-Politik der "Abschottung", wie sie auch in diesem Bericht vertreten wird, eine Alternative bieten kann, erscheint fraglich: der befragte Vertreter der VR China jedenfalls unterstreicht, dass jede Abschottung ein Verstoss gegen die WTO-Übereinkommen wären...

Streikbilanz umstritten

 Was die gesamte Mobilisierung am 27. Juni anbetrifft, sind die Einschätzungen durchaus unterschiedlich. Stellvertretend für viele ähnliche Berichte hier der (englische) Beitrag "Opinion divided on success of Cosatu strike" externer Link von Moshoeshoe Monare, Poloko Tau, Angela Quintal und Sapa in der Zeitung "The Mercury" vom 28. Juni 2005. Während weitgehend unstrittig ist, daß die Demonstration der 50.000 in Johannesburg ein Erfolg für die COSATU war, sind die Teilnahmezahlen in anderen Städten umstritten, insbesondere in Durban, wo sie zwischen 5 und 30.000 schwanken...

Zwelinzima Vavi, der Generalseketär der COSATU unterstrich in seiner Botschaft an die Streikenden und Demonstranten insbesondere die Unterstützung der "Zivilgesellschaft", als er einleitend betonte: "We particularly want to note the support from civil society - from the SACP and the young communists, the ANC Youth League, the South African Council of Churches and SANGOCO, the student movement, and many more, too many to mention. This broad-based support for the campaign for economic justice points to the urgency and importance of these issues for all our people". Die "Address by COSATU General Secretary" externer Link vom 27. Juni 2005 bei der COSATU. In dem Beitrag Vavis wird auch deutlich, daß der COSATU-Vorstand keineswegs daran denkt, aus der Regierungskoalition auszuscheren - gerade das aber forderten die vielen TeilnehmerInnen der Aktionen, die nicht aus dem gewerkschaftlichen Spektrum, sondern aus den Gruppierungen der beständig anwachsenden sozialen Protestbewegung kommen.

Der ANC seinerseits hat sich offensichtlich nicht vom Streiktag beeindrucken lassen. Zumindest ist die "Diskussionsvorlage" für die 3.000 Delegierten des "kleinen Parteitags" (der nationale Rat tagt zwischen den Kongressen) ziemlich deutlich. In dem (englischen) Dokument "DEVELOPMENT AND UNDERDEVELOPMENT LEARNING FROM EXPERIENCE TO OVERCOME THE TWO-ECONOMY DIVIDE" externer Link jedenfalls werden die weltweit üblichen Vorschläge gemacht: in arbeitsintensiven Sektoren die Löhne billiger machen, und eben bei Jugendlichen leichtere Kündigungsmöglichkeiten einzuführen. Im englischen Original:

"Perhaps South Africa should consider accommodating some flexibility in its labour regime. The first option is to allow younger people to be regulated under a more flexible regime. That is, waive the minimum wage and other collective bargaining arrangements (including limits on overtime work) and make it easier (less costly) to dismiss non-performers. The advantage of this option is that it might help break the very high rates of youth unemployment. On the other hand, the criticism of possible displacement of older workers with younger workers will be immense. A second option is to use the present industrial development zones as geographic areas where labour laws will be made more flexible. This will encourage investment and employment growth in poorer provinces such as the Eastern Cape and KwaZulu Natal. The criticism of this approach will be that it smacks of Bantustan industrial policy, which may not be sustainable in the long-term. A third option is to allow for greater labour flexibility in the tourism, textile and clothing, household and child-care, and agricultural sectors. These are all labour-intensive industries, which can attract investment and will create jobs if investment rises. Is this approach politically feasible? A fourth approach would be to have much more flexible labour laws for companies that employ less than 200 people. While the present legislation does have some flexibility for companies that employ less than 50 people, this flexibility is very limited and the threshold is too low".

Freedom charter - welche Kontinuität ?

Aus Anlass des 50. Jahrestages der Verabschiedung der "Freedom Charter" am 26. Juni 1955 hat der ANC in einer ganzen Reihe von Veranstaltungen und einer zentralen Veranstaltung im Zuge der aktuellen Auseinandersetzung massiv daran gearbeitet, zu zeigen, dass die aktuelle ANC-Politik ganz in der Tradition der Bewegung gegen das Apartheidregime stehe. Die übliche linke Kritik am ANC - auch innerhalb nicht so regierungsnaher strömungen in den Gewerkschaften - zeilt darauf, dass dies nicht stimme.

Eine ganz andere Kritik, und gerade deshalb erwähnenswert gab - aus der Sicht des Black Consciousness Movement Console Tleane am 26. Mai 2005 im Vortrag "Is there any future in the past? A critique of the Freedom Charter in the era of neoliberalism" externer Link am Civil Society Centre der Universität Kwazulu Natal - worin versucht wird, nachzuweisen, dass eben diese "Freedom Charter" ideologische Basis des heutigen Kurses des ANC seien und auf die damaligen Widerstände, insbesondere in der Gewerkschaftsbewegung, vor allem im Einzelhandel verwiesen wird.

Der Aktionstag jedenfalls hat die COSATU nicht aus der Zwangslage befreit, als Bestandteil der Regierung die Regierung kritisieren zu müssen um nicht weiter an Einfluss zu verlieren, ob er aber diesbezügliche Fortschritte irgendwelcher Art erzielt hat, muss sich erst zeigen.

(Zusammengestellt von hrw)


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