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"Organising the Battlefield"

Das Dasein in einer freien Produktionszone Sri Lankas

Melanie Brehaut*

Es ist kurz vor sieben Uhr abends. Die Sonne geht an einem weiteren ganz normalen Tag unter, während Shanti und ihre KollegInnen Vorbereitungen treffen, ihre Maschinen abzustellen und für diesen Tag die Arbeit zu beenden. Sie werden jedoch nicht nach Hause gehen. Sie werden auch nicht für die gesamte Arbeit des Tages bezahlt werden. Sie haben ihre Karten bereits um fünf Uhr gestochen. Sie werden das Abendessen zu sich nehmen, welches vom Arbeitgeber bereitgestellt wird, der die Essenskosten wiederum von ihrem Gehalt abziehen wird. Sie werden einen auf dem Boden der Fabrik herumliegenden Fetzen Stoff nehmen und eine kleine Ecke zwischen den Maschinen finden, um sich hinzulegen und bis sechs Uhr in der Früh zu schlafen, bis sie aufstehen, um wieder zu arbeiten.

Außerhalb der Fabrik ist es ruhig. In den Straßen rührt sich nichts. Die Regierungstruppen haben sich für die Nacht in ihre Kasernen zurückgezogen. In der Nacht "kontrollieren" militante Gruppen die Gegend. Nach sechs Uhr abends bleiben die BewohnerInnen im Haus. In der Dunkelheit ist es noch unsicherer, sich im Freien zu bewegen. Shantis Familie fragt sich vermutlich, wo sie ist, aber sie werden nicht vorbei kommen, um nach ihr zu suchen. Ihr Zuhause ist eineinhalb Stunden mit dem Bus von der Fabrik entfernt, und die Straßen werden bereits für die Nacht gesperrt sein. Sie werden annehmen, dass sie noch in der Fabrik ist, denn der nachbarschaftliche Nachrichtendienst gibt Informationen von einem Haushalt zum nächsten weiter, doch das wird ihnen die Sorge nicht nehmen. Am Ende des Monats wird Shanti ihren Lohn erhalten, bar, ohne Quittung. Er macht vielleicht gerade mal 485 Rupien aus (US$ 5.70), obwohl der Mindestlohn für ArbeiterInnen in der Bekleidungsindustrie in ihrem Land 2500 Rupien beträgt (US$ 29). Sie wird nicht wissen, wie hoch ihr Stunden- oder Tageslohn ist. Wahrscheinlich deckt er nicht einmal ihre Fahrtkosten.

So sieht das Leben einer Arbeiterin in der Bekleidungsindustrie aus, die in einem Kriegsgebiet lebt. Das Kriegsgebiet ist Batticaloa, in der östlichen Provinz Sri Lankas. Sri Lanka, eine Insel mit circa 19 Millionen EinwohnerInnen im Südosten Indiens gelegen, wurde 1948 unabhängig. Einst für seinen Tee bekannt, hängt Sri Lanka heute, insbesondere in der Bekleidungsindustrie, in hohem Maße von ausländischen Investitionen ab, für welche die Regierung eigens Freihandelszonen als Anreiz eingerichtet hat.

Das Land wird seit mehr als 17 Jahren von einem Bürgerkrieg geplagt, und kein Ende ist in Sicht, trotz der in unregelmäßigen Abständen stattfindenden "Friedensgespräche".

Die Tamilischen Befreiungstiger (LTTE – Liberation Tigers of Eelam (Region im Nordosten Sri Lankas)) verlangen die Errichtung eines unabhängigen tamilischen Staates. Seit 1983 kämpfen sie gegen die Regierungstruppen Sri Lankas. In den letzten zwei Jahrzehnten hat die LTTE etliche Bombenanschläge in den größeren Stadtzentren verübt. Darüber hinaus wird sie oft für Gewalttaten, die von anderen Gruppen ausgehen, verantwortlich gemacht. Viele TamilInnen waren aus Angst vor Verhaftung gezwungen, das Land zu verlassen, während jene, die dies nicht können, in permanenter Angst vor Verfolgung leben. In den Kriegsgebieten gibt es viele Fälle von Verschwundenen und Folterungen. Die erschütternden Schätzungen der Gesamtzahl der Opfer des Konflikts reichen von 50.000 in den offiziellen bis zu 150.000 in den inoffiziellen Berichten.

Der Bezirk Batticaloa hat 500.000 Einwohner und liegt circa 400 km nordwestlich der Hauptstadt Colombo. In der östlichen Provinz, die sich aus 50 Prozent TamilInnen, 30 Prozent MuslimInnen und 20 Prozent SinghalesInnen zusammensetzt, wird hauptsächlich Tamil gesprochen. Singhalesisch, die offizielle Landessprache, wird im Norden oder im Osten selten gesprochen.

Die wichtigste Religion ist der Hinduismus, gefolgt vom Islam. Die eigentlich vorherrschende Religion Sri Lankas, der Bhuddismus, wird in diesem Landesteil als Minderheitenreligion betrachtet.

Im Osten erreichte der Konflikt während der 80er und frühen 90er Jahre seinen Höhepunkt, obwohl behauptet wird, dass seine Ausmaße geringer sind als im Norden.

Während die Berichte von Kämpfen in letzter Zeit abflauen, sind Überfälle aus dem Hinterhalt und Landminen noch immer weit verbreitet.

Die Region in der Nähe von Batticaloa-Stadt wird von der LTTE kontrolliert und als "sicherer Hafen" betrachtet. Es ist eine unübersichtliche Gegend, in die sich Regierungstruppen nicht hineinwagen.

Die ökonomische Lage ist schlecht. Familien, die ihr Einkommen durch Landwirtschaft oder Fischfang bestritten, sind direkt vom Konflikt betroffen, da sie ihrer Arbeit aufgrund der Einschränkungen der Bewegungsfreiheit nicht mehr nachgehen können. Andere hängen vom Einkommen der Familienmitglieder ab, die entweder in Regierungsabteilungen oder im Ausland (insbes. im Mittleren Osten) arbeiten.

ArbeiterInnen in der Bekleidungs-, Textil- und verwandten Industrien in ganz Asien bilden eine der am meisten ausgebeuteten Beschäftigtengruppen der Welt. Sie werden gezwungen, lange zu arbeiten, um unrealistisch hohe Produktionsziele zu erreichen, und sie sind unterbezahlt. Sie werden von ihren Arbeitgebern misshandelt, und ihre Rechte werden regelmäßig verletzt. Das Recht, sich zu organisieren und Gewerkschaften zu bilden, existiert faktisch nicht. Sie leben in inadäquaten Behausungen und legen weite Strecken zu ihren Arbeitsplätzen zurück. Sie sind Schikanen ausgesetzt und haben ein schlechtes Ansehen in der Gesellschaft.

Für jene, die in einer im Kriegsgebiet liegenden Fabrik arbeiten, stellen die Wahl der Verkehrsmittel und die eingeschränkte Bewegungsfreiheit ein alltägliches Problem dar. Die Arbeitsmöglichkeiten sind begrenzt. Arbeitgeber ziehen einen Vorteil aus der prekären Situation der umliegenden Gemeinden und beuten ArbeiterInnen im Wissen darum aus, dass es in einer Gegend, in der die Behörden und die Bevölkerung Angst haben, sich einem Risiko auszusetzen, weniger Kontrollen gibt.

All diese Erfahrungen hat Transnationals International Exchange (TIE)-Asia im Rahmen der Projektarbeit zu gewerkschaftlicher Organisierung in Freihandelszonen gemacht. Die MitarbeiterInnen des Büros in Colombo konzentrieren sich dabei auf ArbeiterInnen in der Bekleidungs- und Textilindustrie. Gemeinsam mit dem Centre for the Welfare of Garment Workers (Wohlfahrtszentrum der TextilarbeiterInnen), einer Partnerorganisation, hat TIE-Asia kürzlich ein Ausbildungsprogramm für ArbeiterInnen aus dem Bezirk Batticaloa durchgeführt, um sie über ihre Rechte zu informieren. An dem Projekt war außerdem die Industrial, Transport and General Workers Union (ITGWU; Gewerkschaft der Industrie-, Transport- und anderer ArbeiterInnen) beteiligt, die zusätzliche MitarbeiterInnen stellte. Ziel der Ausbildungsprogramme ist es, den ArbeiterInnen Informationen über ihre rechtlichen Ansprüche zukommen zu lassen und sie dazu zu ermutigen, sich Gedanken über ihre Organisierung zu machen.

Nur wenige Gruppen sind bereit, das Risiko auf sich zu nehmen, in ein Krisengebiet zu fahren, um dort Programme zum Wohle der ArbeiterInnen durchzuführen. Der Verbindungssekretär zur ITGWU, Anton Marcus, glaubt daher, dass der Aufbau unabhängiger Gewerkschaften in der östlichen Provinz nicht nur den ArbeiterInnen zugutekommt, sondern einen bedeutenden Schritt zur Wiederherstellung einer demokratischen Gesellschaft insgesamt darstellt: "Für uns ist es eine gute Erfahrung, ein Meilenstein für unsere Gewerkschaft." Auch bevor die ITGWU in der östlichen Provinz tätig wurde, gab es dort bereits Gewerkschaften. Diese waren jedoch nicht aktiv, und hinter ihnen standen immer bestimmte politische Gruppierungen mit jeweils partikularen Interessen. In den Kleiderfabriken, in denen Frauen den Großteil der Belegschaft stellen, gab es bislang überhaupt keine Gewerkschaften.

"Für die ArbeiterInnen ist es extrem wichtig, an die Öffentlichkeit zu treten und ihre Stimmen zu erheben, denn in dieser Gegend wurden zivile Gesellschaftsprozesse unterbrochen. Gesellschaftliche Prozesse müssen gefördert werden," so Marcus. "Selbst die in dieser Gegend arbeitenden Gruppen (einschließlich der militanten) behaupten, für Gerechtigkeit zu kämpfen. Die Situation der ArbeiterInnen ist ein Aspekt, den sie berücksichtigen sollten, statt ihn zu ignorieren."

Es ist nicht nur riskant, die Organisierung in einem Krisengebiet zu fördern, es ist darüber hinaus eine aufwändige Angelegenheit, sowohl finanziell als auch im Hinblick auf die benötigte Zeit. Batticaloa ist acht Stunden von Colombo entfernt, mit öffentlichen Verkehrsmitteln dauert die Fahrt bis zu zehn Stunden. Die Reisedauer variiert darüber hinaus abhängig davon, wann die Straßen geöffnet und wann sie gesperrt sind. Nach Batticaloa werden sie um sieben Uhr morgens geöffnet und um sieben Uhr abends geschlossen. "Es ist sehr kostspielig," so Marcus, "eine Reise kostet genauso viel wie die gewerkschaftlichen Mitgliedsbeiträge eines halben Jahres. Wir können das aber nicht nach finanziellen Kriterien bewerten."

Die Koordinatorin von TIE-Asia, Kelly Dent, lebt seit vier Jahren in Sri Lanka und ist seit 18 Jahren in der Gewerkschaft aktiv. Sie beschreibt die Koordinierung des Ausbildungsprogramms als eine große Herausforderung: ein Prozess, dessen Vorbereitung zwei Jahre in Anspruch nahm: "Die Organisation hat sehr lange gedauert. Jedesmal wenn wir nach Batticaloa fahren wollten, eskalierte der Konflikt. Von daher war es für uns schwierig, überhaupt dorthin zu kommen. Erst als wir mit einer Gewerkschaftsfiliale in einer Fabrik eine lokale Basis hatten, war es uns wirklich möglich, nach Batticaloa zu gehen und ein Ausbildungsprogramm zu organisieren."

Die Organisation war jedoch nicht die einzige Sorge, die die KoordinatorInnen des Programms hatten. Aktivistinnen zu finden, die sich nach Batticaloa bewegen, stellte sich als weiteres Hindernis heraus. "Einige AktivistInnen haben sicherlich gezögert, nach Batticaloa zu gehen, aufgrund der Dinge, die Leute gesehen und über den Konflikt, der sich dort abspielt, gehört haben. Einer Aktivistin, die großes Interesse an dieser Arbeit hatte, haben die Erfahrungen vor Ort die Augen für die Schwierigkeiten eines solchen Projekts geöffnet. So war es schon allein ein Problem, sich in ihrem eigenen Land zu bewegen, aber sich auch noch nicht verständigen zu können, weil sie die Sprache nicht spricht." Für sie persönlich, so Kelly Dent, die die Insel intensiv bereist hat, sei die Reise eine denkwürdige Erfahrung gewesen: "Dorthin zu fahren ist keine gewöhnliche Reise, von daher war die tatsächliche Fahrt für mich eine Mischung aus Aufregung, Angst und Adrenalin. Man erreicht den Kontrollpunkt Mannampittya, an dem die Straße gesperrt ist. Dort schlafen die Leute auf der Straße und warten darauf, dass die Straße wieder geöffnet wird. Man hat absolut das Gefühl, eine Grenze zu passieren, wo eigentlich keine Grenze sein sollte. Ich werde nie die Straße vom zweiten Kontrollpunkt nach Valaichenai vergessen, dem ersten größeren Dorf vor Batticaloa. Die Sonne ging gerade auf, und die Szenerie war wunderschön – weite ebene Felder, umgeben von den Bergen. In der Mitte der Straße hatte die Armee Lager errichtet, damit sie einen Überblick darüber haben, wer kommt. Tausende von Sri Lankesischen Streitkräfte suchten die Straßenränder nach Minen ab – vor dem Hintergrund ausgebombter Gebäude und dem Licht des frühen Morgens."

Während des Ausbildungsprogramms führte TIE-Asia Interviews mit den ArbeiterInnen, um herauszufinden, wie deren Lebens- und Arbeitsbedingungen aussehen. Beispiele wie das von Shanti sind gang und gäbe. Trotzdem verstehen Sri LankesInnen, die nicht in den Krisengebieten leben, deren Situation nicht ohne Weiteres. "Ich denke, dass Sri LankesInnen, die außerhalb der Konfliktzonen leben, sich nur unzureichend darüber bewusst sind, dass der Konflikt das gesamte Leben der Menschen im Norden und im Osten betrifft. Das liegt auch an der Fehlinformation, die durch Gerüchte genährt wird, und an der starken Zensur der Presse, was es den Leuten schwierig macht zu wissen, was wirklich vor sich geht," so Dent. "Das hat sich bestätigt, als AktivistInnen aus Batticaloa zu den Ausbildungsprogrammen nach Colombo kamen. Sowohl die singhalesischen als auch die tamilischen AktivistInnen waren zutiefst erstaunt über die Geschichten der jeweils anderen Seite. Wie man einen Krieg wahrnimmt, ist auch davon abhängig, welchen Platz man in einer Gesellschaft einnimmt und wo man lebt."

Straßensperren legen fest, wann und wohin Menschen fahren können. Neuerliche Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und der LTTE oder anderen militanten Gruppen ängstigen die Arbeitgeber, so dass sie die Fabriken schließen. Militärische Auseinandersetzungen bedrohen nicht nur die Wirtschaft, sondern auch das tägliche Leben der ArbeiterInnen – Zivilistinnen, die versuchen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dent erzählt, dass sich ArbeiterInnen während der Ausbildung in Batticaloa daran erinnerten, wie ihre KollegInnen getötet wurden. Sie waren in ein Kreuzfeuer geraten, weil auf dem Gelände ihrer Fabrik ein Armeelager errichtet worden war.

"Die Regierung brauchte ein Areal für ein Armeelager in Valaichenai, und da sie die Papierfabrik in Valaichenai besitzt, haben sie das Armeelager dort aufgestellt, wo vormals die Unterkünfte der Angestellten auf dem Fabrikgelände waren. Die Unterkünfte der Angestellten wurden verlegt, ohne dass dies besprochen worden wäre," fährt sie fort. "Als die Spannungen zwischen LTTE und Regierungstruppen einen Höhepunkt erreicht hatten, kam es zu vielen Feuergefechten, bei denen Minenwerfer eingesetzt wurden. Ein Minenwerfer ging knapp am Armeelager vorbei, schlug in den neuen Angestelltenunterkünften ein und tötete zwei ArbeiterInnen."

Im Bezirk Batticaloa gibt es drei exportorientierte Kleiderfabriken, die ungefähr 1.000 ArbeiterInnen beschäftigen, von denen wiederum 80 Prozent Frauen sind. Die oft mit ausländischen Investitionen aufgebauten Fabriken sind Subunternehmen von transnationalen Konzernen. Diese Konzerne begaben sich erst lange nach Kriegsausbruch in diese Konfliktzone. In einem verheerten Gebiet gibt es weniger Kontrollen und Überwachung durch die Behörden, dafür bietet die Regierung Firmen, die in ländlichen Gegenden operieren, erhebliche Zugeständnisse an. "Ich denke, wir haben es mit einer zunehmenden Abwanderung der Fabriken in ländliche, arme Gegenden zu tun, die entweder isoliert oder vom Krieg betroffen sind," erklärt Dent. "Ich glaube, dass das eine bewusste Strategie ist, da die Wahrscheinlichkeit, dass ArbeiterInnen in einem Kriegsgebiet sich beispielweise organisieren und angemessene Löhne und Bedingungen verlangen, geringer ist als bei ArbeiterInnen in Städten. Was haben sie schließlich für Alternativen?"

Auch Marcus ist der Meinung, dass die Fabriken nicht nur die ArbeiterInnen, sondern auch deren Lebensumstände ausbeuten: "Investoren und Arbeitgeber machen sich die Situation zunutze. Sie bekommen mehr Zugeständnisse und haben geringere Produktionskosten. Auf internationaler Ebene werden sie Sympathien dafür gewinnen, dass sie Menschen unterstützen, die unter Kriegsbedingungen leben."

Laut dem Organisator Joseph Arulvasagam "ziehen Arbeitgeber den größtmöglichen Vorteil daraus, dass sie der Gemeinde dem Anschein nach allein dadurch einen Gefallen tun, dass sie da sind. Die Leitung hat das Gefühl, den ArbeiterInnen einen Gefallen zu tun, indem sie eine Fabrik in einer vom Krieg zerrissenen Gegend betreibt. Sie sollen das Gefühl haben, dass ihnen unter den Kriegsbedingungen ein Dienst erwiesen wird," sagt er. "Sie erwarten nicht, dass die ArbeiterInnen Fragen stellen. Sie sollen vielmehr dankbar sein, dass sie überhaupt Arbeit haben."

Arulvasagam, der sich zu verschiedenen Gelegenheiten mit ArbeiterInnen aus der östlichen Provinz getroffen hat, erzählt, dass die ArbeiterInnen sich kaum über ihre Rechte bewusst waren: "Sie hatten das Gefühl, ausgebeutet zu werden, aber sie wussten nicht, laut welcher Bestimmung oder welchem Gesetz. Das mangelnde Wissen hat sie davon abgehalten, sich zu organisieren."

Als TIE-Asia begann, seine Programme durchzuführen, um ein Bewusstsein für solche Fragen zu wecken, stellten die ProjektmitarbeiterInnen fest, dass die ArbeiterInnen Recht hatten in ihrem Gefühl, ausgebeutet zu werden. Niedrige Gehälter, Urlaubsverbot und Zwangsüberstunden waren die Regel. "Es werden nicht einmal die Mindestvoraussetzungen und -bedingungen erfüllt," so Marcus. Das Mindesteinstiegsgehalt für Beschäftigte in der Bekleidungsindustrie in Sri Lanka beträgt 2.500 Rupien (29 US$) im Monat, wo hingegen einige ArbeiterInnen gerade ein Fünftel davon erhalten (s.o.). Arulvasagam berichtet darüber hinaus, dass die Gehälter nicht pünktlich ausbezahlt und die ArbeiterInnen weder für ihre Nachtarbeit noch für all die Stunden, die sie gezwungen wurden, Überstunden zu machen, bezahlt werden. Die Gehälter sind so niedrig, dass manche ArbeiterInnen nicht einmal ihren Unterhalt damit verdienen und nur in die Fabrik gehen, um die Zeit zu überbrücken: "Das Gehalt ist nicht genug, um von zu Hause zur Arbeit zu fahren. Die Fahrtkosten bestreiten sie aus eigener Tasche. Sie behalten die Arbeit aber, weil sie auf diese Weise beschäftigt sind. Das ist wie zur Schule gehen."

Arulvasagam berichtet, dass die ArbeiterInnen keine Chance auf Beförderung haben. Die Fabrikleitung diktiert die Arbeitsbedingungen und lässt keinerlei Spielraum für Verhandlungen. "Sie behalten AnfängerInnen eineinhalb Jahre lang als Angelernte, der Zeitrahmen ist nicht festgelegt. Wenn sie diese Phase abgeschlossen haben, erhöht sich das Gehalt langsam um 200 oder 300 Rupien in unregelmäßigen Abständen. Einige der ArbeiterInnen, unter ihnen auch sehr erfahrene, hält die Fabrikleitung jedoch auf dem Status als Angelernte. Die Leistung wird nicht bewertet. Es hängt einzig und allein davon ab, wie lange sie die ArbeiterInnen ausbeuten können und wie lange sie so weitermachen können."

Man kann annehmen, dass es diese ArbeiterInnen viel Kraft kostet, eine Gewerkschaft zu bilden oder einer beizutreten. Einschüchterungstaktiken sind unter den Fabrikleitungen in den Freihandelszonen weit verbreitet. ArbeiterInnen können entlassen oder Fabriken geschlossen werden, was die ArbeiterInnen vor die schwierige Aufgabe stellt, eine neue Anstellung zu finden. Für jene, die in der östlichen Provinz arbeiten, ist dieses Risiko noch viel höher. Wenn sie ihre Arbeit verlieren oder der transnationale Konzern den Vertrag mit der Fabrik kündigt oder die Fabrik "einpackt und woanders hingeht", wo werden diese ArbeiterInnen dann eine Anstellung finden? "Für die Beschäftigten sind das alles tragische Ergebnisse," bemerkt Dent.

Als die ArbeiterInnen in Batticaloa sich selbst organisierten, um einen Zweig der IGTWU zu bilden, wurden sie – kurz nachdem die Ausbildungsprogramme durchgeführt worden waren – von der Fabrikleitung schikaniert. Einige der Beschäftigten wurden entlassen, nachdem sie um Urlaub an einem staatlichen Feiertag gebeten hatten, um zu einem Gewerkschaftstreffen gehen zu können. Aufgrund der Unterstützung der Gewerkschaft und der Intervention des Arbeitsministeriums war die Leitung schließlich gezwungen, die ArbeiterInnen wieder einzustellen. Das Gehalt, das ihnen für die Zeit der Entlassung zusteht, wurde jedoch nicht gezahlt. Arulvagasam berichtet, dass manche Fabrikbosse ihre ArbeiterInnen einschüchtern, indem sie ihnen erzählen, dass es illegal sei, einer Gewerkschaft beizutreten und dies mit dem Anschluss an eine terroristischen Bewegung vergleichen: "Sie sagen: wenn du der Gewerkschaft beitrittst, werden wir die Fabrik schließen." Arulvasagam zufolge gibt es unter den Menschen in der Kriegszone trotz der geschilderten Lebensbedingungen kaum die Neigung, ihre Wohn- bzw. Arbeitsgebiete zu verlassen. "Die Tendenz zur Migration ist sehr gering. Die Menschen aus dem Osten reisen traditionell nicht in die westliche Provinz (d.h. nach Colombo und Umgebung). Sie versuchen es nicht, es ist für sie eine weitere schwierige Erfahrung, und sie fürchten sich davor. Außerdem leben sie traditionell in enger Familienbindung und bleiben entsprechend bei ihren Familien." Die Angst, von der Herr Arulvasagam spricht, ist die Angst vor Verfolgung und dem permanenten Verdacht, unter dem sie als TamilInnen stehen. Insbesondere in Colombo werden TamilInnen intensiv überprüft. Man hält sie für "Tiger"-SympathisantInnen oder für TerroristInnen. Sie müssen jede ihrer Bewegungen bei der Polizeistation der Stadt, in der sie sich aufhalten, melden.

Sri Lankas Gesetz zur Vorbeugung gegen Terrorismus, das 1980 eingeführt wurde, wird noch immer angewandt. Es erlaubt der Polizei bzw. dem Militär alle zu verhaften, die sie für TerroristInnen hält.

Die AktivistInnen von TIE sind der festen Überzeugung, dass Solidarität unter den ArbeiterInnen es möglich macht, die ethnische Spaltung zu überwinden, die oft für den Konflikt, der das Land lahm legt, verantwortlich gemacht wird. Arulvasagam glaubt aufgrund der bisherigen Reaktionen der Öffentlichkeit auf die Arbeit der Gewerkschaft in der östlichen Provinz, dass diese nach und nach einen positiven Einfluss auf das Leben von ArbeiterInnen wie Shanti und auch auf die Gemeinde haben wird. "Für die Öffentlichkeit ist das etwas Neues, eine unabhängige Gruppe, die versucht den ArbeiterInnen zu helfen. Unsere ‚Für Frieden’-Transparente am 1. Mai bei einer Kundgebung in Batticaloa kamen gut an. Die Öffentlichkeit marschierte zwar nicht mit uns, stand jedoch am Straßenrand und pflichtete den Botschaften, die wir hatten, bei."

 

* Der Beitrag entstand im Rahmen der Projektarbeit von TIE-Asia zu den Arbeitsbedingungen in Freihandelszonen

Übersetzung: Dagmar Fink

Erschienen im express, Zeitschrift für Betriebs- und sozialistische Gewerkschaftsarbeit, 6-7/01


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