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Updated: 15.11.2007 11:31 |
"Wenn das Leben immer teuerer wird, müssen auch die Staatsgewerkschafter sich bewegen, sonst nimmt sie keiner mehr ernst" Die diversen Gewerkschaftsföderationen und übergewerkschaftlichen Zusammenschlüsse im Senegal haben in den letzten Monaten - wieder einmal - den Kampf gegen die Teuerung in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten gestellt - auf unterschiedliche Weise. Die seit den Zeiten Sedar Senghors regierungsnahe CNTS setzt auf "Zusammenarbeit" die Intersyndicale auf - wie stets auch von diversen politischen Parteien mit gesteuerte - Mobilisierung. In einem Telefongespräch mit Babacar Sow, Aktivist von SINFAD (Gewerkschaft der Verwaltungsinformatiker) versuchen wir, einige Hintergründe der gegenwärtigen Lage und der Gewerkschaftsentwicklung kennen zu lernen: "Andere Konsequenzen sind nötig" vom 15. November 2007. "Andere Konsequenzen sind nötig" Warum ist die Teuerung im Senegal zum vorherrschenden Thema geworden? Das ist nun wirklich die einfachste aller Fragen - weil sie Ausmaße erreicht hat, die immer mehr Menschen in die Verzweiflung treiben. Ich kann Dir mich selbst als Beispiel geben: Ich kann Dir gar keine Prozentsätze mehr nennen, so sehr ist etwa der Preis für Speiseöl gestiegen - und ich muß ungefähr ein Drittel meines nicht schlechten Gehalts für Miete ausgeben - und gerade die Mieten stehen sehr im Brennpunkt, denn die Leute, die weniger verdienen, können das oft einfach nicht mehr bezahlen. Und warum ist dies so ein scharfer Prozeß? Nun, dafür gibt es einen ganzen Komplex von Ursachen, die reichen von teuerer Energie bis zu heftigen Spekulationsgewinnen und von Privatisierungspolitik anno dazumal bis zur Struktur unserer Landwirtschaft. Nun hat aber die Regierung von Präsident Wade reagiert, mit einem sogenannten 19 Punkte Plan - wird sich das positiv auswirken? Ach weisst Du, Regierungspläne sind hier an der Tagesordnung, da ist kein großes Vertrauen mehr da, bei fast niemand. Es gab ja einst viele, die Hoffnungen auf Wade gesetzt hatten, der ewige erste Oppositionelle sozusagen, aber das hat sich ziemlich gelegt. Es ist heute mehr so ein generelles Gefühl da, wie ich es auch aus Europa kenne, dass die Politiker sozusagen eine Art eigene Kaste wären - die aber auf den anderen herumtrampelt. Ist denn dann das Vertrauen in die Gewerkschaften vorhanden? Nein, woher auch? Das allermeiste, was in unserem Land seit der Spaltung der Gewerkschaftsbewegung durch Senghor passiert ist, war verlängerte Parteipolitik. Wie meinst Du das? Schau her: Im Vorfeld der Unabhängigkeit gab es die ganze Auseinandersetzung um das Verhältnis zu Frankreich danach. Leopold Sedar Senghor war Frankreichs Liebling - das Gegenbild zu dem bösen Sekou Touré in Guinea. Und das hat er ganz massiv durchgesetzt: Jene Strömung innerhalb der Gewerkschaften abgespalten, die für den Verbleib in besonderen Beziehungen zu Frankreich war - die andere polizeilich verfolgt. Wie üblich in der euorpäischen Presse: kein Wort von den Toten, die Senghors Politik und Polizei gefordert haben. Dafür wurde den Gewerkschaften, die im Kampf für die Unabhängigkeit eine ganz wesentliche Rolle gespielt hatten, ein Platz reserviert: sie hatten sich um die Löhne zu kümmern, und um die Steigerung der Produktivität. Die CNTS war sozusagen Senghors Abteilung für Arbeiter - bis heute ist sie jene Föderation, die in der Privatwirtschaft die meisten Mitglieder hat, ansonsten ist es ja im Senegal so, wie in vielen afrikanischen Ländern, dass es Gewerkschaften vor allem im öffentlichen Dienst gibt. Gab es Opposition dagegen? Ja klar - viel. Jede der verschiedenen kommunistischen Parteien ein bisschen anders, je nach Parteilinie, aber auch Nationalisten und selbst Liberale mischten da mit. Dazu muß man wissen, dass die CNTS eigentlich immer auch Ministerposten hatte - nicht wie bei euch, ehemalige Gewerkschafter, sondern Funktionäre der Gewerkschaft, die zugleich Minister waren, was natürlich auch da immer wieder zu Abspaltungen geführt hat. Und wie sieht das heute aus? Tja, ungefähr so: wenn Du oder eure LeserInnen es schaffen, sich an einem Tag einen grundsätzlichen Überblick über die Lage der Gewerkschaften und ihrer diversen Strömungen zu verschaffen, dann sind sie gut - im Ernst: es ist ein ständiges neuformieren und wieder auseinanderbrechen, nicht zuletzt eben, weil oppositionelle Strömungen stets auch parteipolitisch definiert sind. So gibt es auch fast in jedem Sektor mehrere Gewerkschaften - was kein Fehler zu sein braucht, wenn es dafür einigermaßen nachvollziehbare Gründe gibt, wenn die Haltungen different sind. Und das ganze vor dem Hintergrund, dass die Gewerkschaftsbewegung im Senegal ohnehin - sage ich jetzt mal, genau weiss ich es gar nicht - lediglich etwa 200.000 Menschen umfasst. Betrifft das auch deine eigene Gewerkschaft? Ja. Zwar hatten wir immer recht starke Strömungen, die sich für einen wirklichen und autonomen Zusammenschluß einsetzten, aber geendet hat auch das meist mit immer wieder neue kurzlebigen Formierungen. Das gab es auch anderswo - in mehreren Gewerkschaften etwa die autonomen Sozialisten, oder die Union für demokratische und kämpferische Gewerkschaften, und es ist auch nicht so, dass es gar keine Fortschritte gegeben hätte, aber sie waren erstens klein im Verhältnis zu den Notwendigkeiten und zweitens eigentlich immer das Ergebnis vom Druck der Basis. Wie sah der aus? Nun, nicht so, dass er vor allem auf Kongressen oder so stattgefunden hätte. Sondern man kann, wenn man eine Chronologie der gewerkschaftlichen Entwicklung nachzeichnen würde, feststellen, dass immer dann, wenn komplizierte Situationen da waren, ein - oft für alle überraschend kommend und das ist bezeichnend - grösserer Streik stattfand, der Bewegung in die Sache brachte. Und was besagt das jetzt für die aktuelle Auseinandersetzung? Nun, wie angedeutet: Der gesellschaftliche Druck ist wieder einmal so gross, dass alle sich zum Handeln gezwungen sehen, denn wenn das Leben immer teuerer wird, müssen auch die Staatsgewerkschafter sich bewegen, sonst nimmt sie keiner mehr ernst. Und zum zweiten sind einfach andere Konsequenzen nötig. Damit meine ich, die Gewerkschaftsbewegung insgesamt, beziehungsweise jene, die es ernst meinen, müssen den Standpunkt überwinden, nur für die eigenen Mitglieder oder die eigene Klientel etwas zu erreichen. Der Kampf gegen hohe Mieten kann gar nicht nur über Lohnerhöhungen geführt werden - das muß eine gesellschaftliche Bewegung sein, mit verschiedensten Komponenten und Zielen - etwa der Einführung eines generellen öffentlichen Wohnungsbaus, der von Mietern kontrolliert wird. Anderes Beispiel für das, was ich meine: wenn ich jetzt zum Speiseöl zurückkomme - alle sind zurecht gegen die privatwirtschaftliche Betreibung der Befriedigung von Grundbedürfnissen, nur beim absoluten Grundbedürfnis Nahrung nicht? |