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Updated: 18.04.2008 9:37

Vertreter von Verbraucherverbänden verurteilt

Zwei Vertreter zweier Verbraucherorganisationen standen vor Gericht wegen ihrer Verantwortlichkeit für eine Demonstration am 30. März - und wurden im Schnellverfahren zu je einem Monat Haft auf Bewährung verurteilt - weniger, als die Staatsanwaltschaft wollte, aber eben wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" verurteilt, auch als Drohung an künftige Proteste zu verstehen. Näheres in dem aktuellen Beitrag "Dakar: Urteile gegen Anmelder der Protestversammlung vom 30. März fielen in der senegalesischen Hauptstadt" von Bernard Schmid vom 18. April 2008.

Dakar: Urteile gegen Anmelder der Protestversammlung vom 30. März fielen in der senegalesischen Hauptstadt

Das Gericht für sofort abzuurteilende Straftäter (das ‚Tribunal des flagrants délits’, das vor allem für „in flagranti“ erwischte Gesetzesübertreter zuständig ist) in Dakar hat am gestrigen Donnerstag seine Urteile gegen die beiden Anmelder einer Protestversammlung vom 30. März 2008 gefällt.

Angeklagt waren Momar Ndao, Führungsmitglied der recht etablierten „Vereinigung der senegalesischen Verbraucher“ (Ascosen, Association des consommateurs du Sénégal, die seit 1989 besteht), sowie der Präsident der „Nationalen Union der Verbraucher des Senegal“ UNCS mit Namen Jean-Pierre Dieng.

Die beiden hatten für die Anmeldung eines „Sit-in“ juristisch verantwortlich gezeichnet, bei dem gegen den für viele Angehörige der Unterklassen aber auch der Mittelschichten kaum noch erträglichen Preisanstieg bei Nahrungsmitteln und Grundbedarfsgütern protestiert werden sollte.

Aber die Protestversammlung war durch die Präfektur, die den Zentralstaat in jedem Bezirk repräsentierende Behörde, nicht zugelassen sondern verboten worden. Im Anschluss hatten sich aber viele zornige Einwohner an jenem 30. März dennoch versammelt. Die beiden Verantwortlichen von Verbraucherverbänden setzten sich an die Spitze eines Marschs, gaben jedoch an, die Bürger zu einer Pressekonferenz führen zu wollen. Die Ansammlung wurde aufgelöst und die Verantwortlichen auf brutale Art und Weise verhaftet. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen mit den staatlichen Sicherheitskräften.

Nachdem der Polizei in ihrem Verlauf die Munition ausgegangen war, bewarfen sich beide Seiten mit Steinen. Unterdessen ging auch ein Bus der Verkehrsgesellschaft der senegalesischen Hauptstadt, „Dakar dem dikk“, in Flammen auf.

Angeklagt wurden die beiden juristische Verantwortlichen der Verbraucherverbände durch die Staatsanwaltschaft, „die öffentliche Ordnung gestört“ und beeinträchtigt zu haben. Aber auch die Verkehrsbetriebe (Dakar dem dikk) traten als Nebenkläger auf und machten geltend, ihnen sei Schaden zugefügt worden.

Die Anklagevertretung forderte die Verhängung einer sechsmonatigen Haftstrafe, die auf Bewährung ausgesetzt werden solle.

Nunmehr fiel gestern das Urteil. Es lautet, für die beiden Angeklagten, auf einen Monat Haft mit Bewährung. Ferner wies das Gericht die Nebenklage der Verkehrsbetriebe – die behaupteten, gleich an mehreren Fahrzeugen geschädigt worden zu sein, was in vielen Fällen aber unbewiesen blieb – ab. Die Verkehrsbetriebe hatten im eigenen Namen fünf Millionen francs-CFA (circa 75.000 Euro) Schadensersatz gefordert. Aber es war keinerlei Kausalzusammenhang (d.h. Ursache-Wirkungs-Zusammenhang) zwischen dem Handeln der Angeklagten und den ihnen zur Last gelegten Resultaten – Sachbeschädigungen, ... – nachzuweisen.

12 Anwälte, unter ihnen manche, die selbst als soziale Aktivisten einzustufen sind, hatten die beiden prominenten Angeklagten verteidigt.

Der Wortführer unter ihren Anwälten, Maître Abdou Dialy Kane, erklärte sich in einer ersten Reaktion unzufrieden mit dem Urteil: Es bleibe zwar hinter den Forderungen der Staatsanwaltschaft zurück, aber die Bewährungsstrafe hinge künftig wie ein Damoklesschwert über den Häuptern der beiden Angeklagten hängen. Zudem sei es verfassungswidrig und verstoße damit gegen höherrangiges Recht, denn die senegalesische Verfassung gewährleiste das Demonstrationsrecht – das Verbot der Protestversammlung durch die Präfektur von Dakar sei also rechtswidrig gewesen. Diese Untersagung einer öffentlichen Versammlung wegen „Gefahr für die öffentliche Ordnung“ stehe aber am Ausgangspunkt der Zusammenstöße. Die Regierenden missbrauchten diesen Begriff der „Gefahr für die öffentliche Ordnung“ durch ausufernden Gebrauch, so Maître Kane.

Seinerseits erklärte sich der Angeklagte Momar Ndao in einer ersten Reaktion erleichtert über das Urteil, das letztendlich relativ milde ausgefallen sei. Dennoch finde sich ein „Geist der Strenge“ in dem Urteil und seiner Begründung wieder. Aber er fügte hinzu: „Wir werden uns nicht davon abhalten lassen, unsere Arbeit fortzuführen, die wir seit 19 Jahren betreiben“ (die Verbrauchervereinigung Ascosen ist 1989 gegründet worden). Nähere Informationen auf der Homepage eines Privatsenders in Dakar - Der Sender ist selbst infolge der Unruhen durchsucht worden, dabei wurden Aufnahmen und Videokassetten beschlagnahmt.

Bernard Schmid, Paris, den 18. April 2008


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