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Polnische Krankenschwestern beuteln die Regierung

Die anarchistische Presse in Polen berichtet von beeindruckenden Zuständen während des Krankenschwesterstreiks im Winter 2000/2001. Die Hauptforderung des Streiks, der im November 2000 begann, war überaus konkret: eine Lohnerhöhung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Die Arbeit von Krankenschwestern ist sozial nützlich und muss entlohnt werden, und zwar nicht schlechter als mit dem Durchschnittslohn des Landes. In ihrem Kampf für ein würdiges Leben stellten die Krankenschwestern auch politische Forderungen: so verlangten sie den Rücktritt der Regierung und des Parlaments. Vor dem Streik betrug der Monatslohn einer Krankenschwester in der Regel nicht mehr als 600 Zloty (ca. 300 DM). Während des Streiks skandierten die Krankenschwestern auf Demonstrationen: "Die Regierung soll auch mal für 600 Zloty im Monat arbeiten! Rauben wir eine Bank aus!"

Der Streik weitete sich schnell über ganz Polen aus. Die Regierung reagierte zunächst nicht, was die radikale Stimmung unter den Krankenschwestern noch anheizte. In verschiedenen Städten wurden Verwaltungsgebäude uns insgesamt elf Krankenhäuser besetzt. Im zentralen Gesundheitsministerium in Warschau dauerte eine Besetzung zwei Wochen.

Grenzübergänge in Szczecin, Slubice (bei Frankfurt an der Oder) und Zgorzelec (bei Görlitz) wurden blockiert, was unweigerlich zu Zusammenstößen mit der Polizei führte. Im Januar 2001 trat Personal in über 20 medizinischen Einrichtungen in den Hungerstreik.

Bei einer der zahlreichen Besetzungen wurden die Mitarbeiter der Behörde, die für die Krankenhausbudgetierung zuständigen ist, mit Hilfe eines Vorhängeschlosses im eigenen Gebäude eingeschlossen. Im Rahmen einer anderen Aktion besetzten Krankenschwestern den Sitz der Ortskrankenkasse in Lublin.

Vielerorts wurden Streikposten aufgestellt, überall wurden Plakate geklebt und Flugblätter verteilt. Polnische Anarchisten schlossen sich dem Streik an und wurden gut angenommen: einige militante Krankenschwestern hatten von anarchistischen Aktionen gehört und erwarteten regelrecht neue Vorschläge. Mitglieder der trotzkistischen "Demokracja robotnicza" (Arbeiterdemokratie), die bei einer Aktion auftauchten, wurden wiederum von den Krankenschwestern verjagt. Die Anarchisten kämpften Seite an Seite mit den Krankenschwestern (weshalb zwei von ihnen später des Anriffs auf einen Polizisten beschuldigt wurden). Kurz und gut: ein Dialog mit den streikenden Frauen kam zustande. Es ist sehr wichtig, eine gemeinsame Sprache mit normalen Menschen zu finden, die sonst nicht an "politischen" Aktivitäten beteiligt sind. Im Januar 2001 endete der Streik mit einer realen Lohnerhöhung.

Quelle: "Awtonom" Nr. 15, Krasnodar/Russland, Januar-Februar 2001 im Vorabdruck aus "Direkte Aktion" Nr. 147 September/Oktober 2001


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