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Männer aus Eisen oder: gibt es ein linkes Erbe der Solidarnosc?

Von Stefanie Hürtgen, Teil I

Anlässlich des 20. Jahrestages der Ausrufung des Kriegsrechts und der Niederschlagung der »ersten Solidarnosc«[1] in Polen am 13. Dezember 1981 machte der »Arbeitskreis Ost West des Bildungswerks Berlin« unter der Fragestellung, ob es ein linkes Erbe der Solidarnosc gibt, eine Veranstaltung mit der nicht ganz neuen Intention, das derzeit vorherrschende Geschichtsbild von Solidarnosc, wonach diese schon immer klerikal, prokapitalistisch oder gar rechts und reaktionär gewesen sei, aufzubrechen.[2] Sah es anfangs so aus, als seien sie die einzigen, die sich des zwanzigjährigen Jahrestages der Einführung des Kriegsrechts in Polen thematisch annähmen, gab es schließlich doch noch einige Veranstaltungen in der Stadt. Von denen gibt Stefanie Hürtgen, selbst Mitglied des »AK Ost West«, hier einen Bericht.

 

Abschluss oder Anschluss?

Zunächst gab es im »Polnischen Kulturzentrum« eine Ausstellung mit Solidarnosc-Plakaten aus den 80er Jahren. Diese waren, so erfuhr man während der Eröffnungsveranstaltung, mehrheitlich von namhaften Künstlern entworfen worden, die damals mit der Bewegung sympathisiert und zusammengearbeitet hatten. Das blieb dann allerdings auch die einzige Auskunft dieses erstaunlich unspektakulären Abends, an dem niemand auch nur die Andeutung einer Frage formulierte, mit welchem Ziel man die Plakate der »S« heute aufhängt und anschaut – oder was aus den Künstlern und ihrer Zusammenarbeit geworden ist.

Am 13. Dezember selbst zeigte das polnische Kulturzentrum Wajdas »Mann aus Eisen«, die filmische Saga vom Kampf gegen Entrechtung und Ausbeutung, der nur erfolgreich sein kann, wenn Arbeiter und Intellektuelle sich zusammenschließen. Hierzu gab es gar keine Diskussion, und das, obwohl man heute in jeden x-beliebigen Betrieb zur – sofern vorhanden – Gewerkschaftssektion der Solidarnosc gehen kann, um eben diese Geschichte – aufgefordert oder unaufgefordert – wieder und wieder zu hören: Wie die Arbeiter 1968 die Studenten allein ließen, wie diese sich dann nicht mit den Streiks an der Küste 1970 solidarisierten, und wie erst Arbeiter und Intellektuelle zusammen die große Solidarnosc-Bewegung von 1980 aufbauen konnten. Oft wird auch erregt dargelegt, dass es 1968 nicht wirklich Arbeiter gewesen seien, die die streikenden Studenten als »Juden« beschimpft und verprügelt hatten, sondern »bestellte Demonstranten«. Nein, die große historische Einheit zwischen Intellektuellen und Arbeitern wird bis heute beschworen.

In der Tat gab es 1980 nicht nur die berühmte Unterstützung von Intellektuellengruppen für die streikenden Arbeiter, sondern auch eine bemerkenswerte Solidarität in die andere Richtung – mit den inhaftierten Intellektuellen. So setzten die Arbeiter im August 1980, nachdem sie die polnische Regierung zu Verhandlungen gezwungen und letztere quasi alle Forderungen akzeptiert hatte, ihren Streik fort. Anna Walentynowicz, Kranfahrerin auf der Leninwerft und Mitbegründerin der Solidarnosc, erinnert sich daran wie folgt: »Am Samstag, den 30. August, hatte es die Regierung auf einmal sehr eilig und wollte so schnell wie möglich alle Vereinbarungen unterzeichnen. Ihre einzige Bedingung war nur noch, dass wir die Forderung nach Freilassung der politischen Gefangenen aufgeben sollten. Diese Forderung betraf alle KOR-Vertreter[3], weil die seit Streikbeginn eingesperrt waren. KOR wurde verdächtigt, den Streik organisiert zu haben, aber den hat das Leben selbst diktiert. (...) Leszek (L. Walesa, S.H.) ist nach draußen zu den Leuten gegangen, die vor dem Tor versammelt waren, weil sie aus Sicherheitsgründen nicht auf die Werft durften, und fragte nach ihrer Meinung. Die Antwort war einhellig: Man darf die Gefangenen nicht im Stich lassen. Wenn die Regierung nicht unterzeichnet, wird weitergestreikt. Sie waren dazu alle fest entschlossen. Da begriffen wir, dass wir stark waren, und haben Jagielski (Verhandlungsführer der Regierung, S.H.) klar und deutlich aufgefordert, die Gefangenen freizulassen ...«[4] Vor diesem Hintergrund bezeichnen dann umgekehrt nicht wenige Gewerkschafter die (ultra)liberale Wende der meisten namhaften Solidarnosc-Intellektuellen nach 1989 als »Verrat«, eher hilflos als aufgebracht. Doch im polnischen Kulturzentrum war von all dem nicht die Rede.

Wesentlich voller und spannungsreicher war es da schon bei der Lesung von Olga Tokarczuk, der als »Entdeckung des letzten Jahrzehnts« gefeierten polnischen Schriftstellerin, die ebenfalls im polnischen Kulturzentrum stattfand. In ihrer Erzählung erlebt ein zufällig angereister Engländer die ersten Stunden des Kriegsrechts als Verlust von Halt und Realitätssinn. In der Diskussion betonte Olga, dass das Kriegsrecht für recht unpolitische Menschen wie sie »ein Schock« gewesen sei, »weil polnisches Militär auf polnische Bürger geschossen« hatte. Ob sie wusste, wie geradezu klassisch diese Formulierung für die polnische Geschichtsschreibung ist? Mit diesem Ausspruch fassten nicht nur viele Bürger, insbesondere die weniger involvierten, ihre Empörung über das Gebaren der Oberen zusammen, sondern dieser Satz war vor allem immer auch eine wichtige öffentliche Floskel während der Führungswechsel in der »Vereinigten Polnischen Arbeiterpartei« (PVAP), die den Arbeiterrevolten 1956 und 1970 folgten. Beide Male wurde der wirtschaftspolitische Kurs der Partei kritisiert, die Forderungen der Arbeiter im Nachhinein als »berechtigt« betrachtet, Verbesserungen versprochen – und sich für die Toten entschuldigt: »Polnische Soldaten hätten nicht auf polnische Arbeiter schießen sollen ...«

Ansonsten schlug Olga vor, sich den harten Zeiten – wie dem Kriegsrecht – mit Humor zu widmen. Das mache man ja auch mit der DDR-Vergangenheit so, sie habe von »Sonnenallee«[5] gehört. Gut, nichts dagegen. Nur, als sie im gleichen Atemzug dafür warb, die Vergangenheit endlich ruhen zu lassen, um sich den aktuellen, drängenden Problemen zu widmen, bspw. dem rasant gestiegenen Budgetdefizit in der polnischen Staatskasse – da ahnte man, dass ihr Humor Lücken hinterlassen würde. Man muss dabei nicht einmal an die Bergleute denken, die im Dezember 1981 im verzweifelten Kampf gegen die anrückenden Panzer erschossen worden waren und deren Angehörige heute verlassen und verbissen zu jedem gerichtlichen Verhandlungstermin gegen irgendwelche damaligen Befehlshaber erscheinen. Es reicht, nach Polen zu fahren, um die traurige Hetzerei gegen alles »Linke«, was immer auch heißt: alles »Ex-Kommunistische«, zu erfahren. Diese aus Olgas Blickwinkel ohne Zweifel humorlosen und aus politischer Perspektive mitunter fatalen Interpretationen der jüngsten Geschichte werden nicht nur von ehemaligen Solidarnosc-Aktivisten getragen, die sich im politischen Regierungsgeschäft profilieren, sondern vor allem, und das ist politisch weit katastrophaler, von Millionen Bauern und Arbeitern, die heute immer noch und wieder in ihrer sozialen Existenz bedroht sind. Nach Repression und anhaltender sozialer Misere in den 80ern folgte Anfang der 90er der Niedergang eines Großteils der Landwirtschaft und der Betriebe, gepaart mit Hyperinflation und Lohnstopp. Umgekehrt erfasst der moderate wirtschaftliche Aufschwung der letzten Jahre wiederum genau diejenigen nicht, die auch in den westlichen Ländern unten stehen: schlecht qualifizierte, arbeitslose oder niedrig entlohnte Lohnabhängige besonders des Landes und der Kleinstädte, darunter mehrheitlich Frauen. Nicht von ungefähr diskutieren polnische Soziologen den Rückfall eines Großteils der Unterprivilegierten in anti-moderne, reaktionäre Denkmuster als Ausdruck einer tiefen sozialen Spaltung ihrer Gesellschaft.[6] Insofern ist Olgas Plädoyer für ein Ende des Gezänks um vergangene Repression kein wirklicher Ausweg aus dem Dilemma – solange es vor allem nationalistische und rechte Strömungen sind, die sich als Erben der »sozialen Frage« begreifen, der Frage, die 1980/81 im Zentrum der Bewegung gestanden hatte.

 

Rettung des Vaterlandes?

Die »Helle Panke«, ein PDS-naher Berliner Bildungsverein, lud sich einen Referenten in den Prenzlauer Berg ein, der zum Thema »Rettung des Vaterlandes? Die Einführung des Kriegsrechts in Polen vor 20 Jahren« Auskunft geben sollte. Ich muss zugeben, ich war noch nie bei der »Hellen Panke«. Und so war ich doch überrascht, eine kleine Männerrunde vorzufinden, die aussah, als sei sie für eine schlechte Karikatur irgendeines rechtsliberalen Blättchens zusammengestellt: Neben dem vergleichsweise jugendlichen Referenten und dem Diskussionsleiter beugten sich vier deutlich ältere Herren in seltsam muffig wirkenden Jacketts über ihre Mitschriften. Im engen und überheizten Büro waren zur Linken DDR-Klassiker hoch aufgestapelt (»Marx und Engels: Über die Jugend«), zur Rechten fanden sich, hübsch hingestellt, Georgi Arbatow: »Der sowjetische Standpunkt. Über die Westpolitik der UdSSR« neben Genschers »Erinnerungen«. Der Referent seinerseits, Sebastian Gerhardt (ehemals Vereinigte Linke) listete lange und detaillierte Einzelheiten vom Dezember 1981 auf, wie z.B. die Uhrzeiten der verschiedenen Sitzungen und Beschlüsse des polnischen Verteidigungsministeriums am 13. Dezember 1981, die Zahl der aufgefahrenen Panzer (16000), der eingesetzten Soldaten und Polizisten (180000) – aber auch Art und Umfang der Planspiele, die im Verteidigungsministerium bereits ab Frühjahr 1981 zur Vorbereitung des Tag X durchgeführt worden waren. Die anschließende Diskussion schien zunächst wieder von einem böswilligen Karikaturisten entworfen, weil gleich der erste – und älteste – Besucher lang und breit ausführte, er könne nicht glauben, dass die DDR Truppen zur Niederschlagung der Solidarnosc nach Polen schicken wollte, denn nach seiner Kenntnis der Lage wäre das doch die letzte Dummheit gewesen, »und so blöd war doch keiner bei uns, bei allen Fehlern, die wir ...« usw. Auch als der Referent kenntnisreich bspw. von Plänen berichtete, die DDR-Panzerdivision von Eggesin nach Szecin (Stettin) einrücken zu lassen, und auch betonte, wie sehr Honecker für einen Einmarsch »in Moskau Druck machte« – der Besucher blieb skeptisch, so dass der Diskussionsleiter beschwichtigte: Man müsse eben immer unterscheiden zwischen dem, was geplant, und dem was tatsächlich umgesetzt werde. Allerdings erinnere er sich auch noch, dass »wir damals ganz schön Stimmung gemacht haben«, in den Medien z.B.: »Da habe die SED Jaruzelski dolle gehauen, weil er die Solidarnosc mit Samthandschuhen angefasst hat, wie das damals hieß«. Allerdings dürfe man auch nicht vergessen, dass es die Kommunisten in Polen von Anfang an schwer gehabt hätten, wegen der Kirche und der privaten Landwirtschaft.

Nein, um ein linkes Erbe der Solidarnosc ging es in dieser Veranstaltung ganz sicher nicht. Überhaupt interessierte die Solidarnosc selbst nur am Rande. Im Laufe der Diskussion wurde vielmehr klar, dass die Besucher den Titel der Veranstaltung, die Frage nach der »Rettung des Vaterlandes«, durchaus ernst genommen hatten – und genau deswegen war die Debatte nicht nur einfach grotesk und altbacken, sondern ungeahnt aktuell und bedrohlich: »Die Tragik«, so wieder der Älteste, »besteht doch darin, dass die Regierung keine andere Möglichkeit hatte, als zu schießen, auch wenn wir das von unserer Seite mit Unwohlsein gesehen haben, denn es war klar, dass es internationale Auswirkungen haben würde«. Der Diskussionsleiter nickte und fasste den Abend mit der Bemerkung zusammen, dass Jaruzelski schon nicht ganz falsch läge, wenn er sich heute gern als das »kleinere Übel« darstelle. Ich widersprach nicht, denn ich wusste nicht, wen ich dabei hätte anschauen sollen.

Gibt es nun ein linkes Erbe der Solidarnosc?

 

Aufbruch der Bewegung

Die zwei Referenten, die der »Arbeitskreis Ost West« eingeladen hatte, sahen sich selbst ohne Zweifel als »Linke« und hatten doch mitunter sehr verschiedene Ansichten und Perspektiven. Zbigniew Kowalewski, ein bekannter Vertreter der »ersten Solidarnosc«, erklärte den Zuhörern zunächst, dass er sich am Generalstreik, der im August 1980 überall im Land ausbrach, als Sozialist beteiligt habe. Nach einiger Zeit sei er in das regionale Solidarnosc-Komitee von Lodz gewählt worden, als einer der wenigen Intellektuellen in den regionalen und nationalen Solidarnosc-Strukturen dieser Zeit. Bereits einige Monate nach Gründung der Solidarnosc diskutierte man in Lodz die Möglichkeit von »Arbeiterselbstverwaltungen« in den Betrieben, aber auch die Übernahme der Produktion des gesamten Landes. Die betriebliche Arbeiterselbstverwaltung wurde dann im Laufe des Jahres 1981 zu einer theoretischen und auch praktischen Bewegung in ganz Polen. Getragen wurde sie vor allem von zwei Kreisen: der »Lubliner Gruppe«, der Zbigniew angehörte, und dem »Netz«, einem Zusammenschluss von Vertretern wichtiger Großbetriebe des Landes. Da sich Solidarnosc vorwiegend als Gewerkschaft begriffen habe, habe sich die »Bewegung der Arbeiterselbstverwaltung« zunächst weitgehend unabhängig von der Solidarnosc entwickelt, wenn auch von dieser unterstützt. Der erste Kongress der Solidarnosc im September 1981 dagegen, zu dem Zbigniew delegiert wurde, habe eine enorme Verbreiterung des Bedürfnisses zum Ausdruck gebracht, Produktion, Bildung, Verwaltung, auch Militär in die eigenen Hände zu nehmen: Die »selbstverwaltete Republik« wurde der Slogan dieses Kongresses. Gegner eines solchen gewachsenen Selbstbewusstseins sei bspw. schon damals Lech Walesa gewesen. Man sei in Lodz bereit gewesen, so Zbigniew, die Produktion der Region zu übernehmen, aber auf eigene Faust, denn die nationale Leitung der Solidarnosc war dagegen. »Wir wollten am 22. Dezember die Produktion übernehmen, doch dazu kam es nicht mehr, am 13. Dezember wurde das Kriegsrecht verhängt, die Menschen wurden eingesperrt und verfolgt.« Allerdings, so berichtete er den erstaunten Zuhörern, war Lodz die einzige Region, wo Solidarnosc die Verteilung der Lebensmittel übernommen hatte. »Das war eine großartige Erfahrung für uns alle; wir durften erleben, was Selbstverwaltung durch die Arbeiter, durch die Menschen wirklich heißen kann.«

Warum gerade Lodz? Das lag, so führte Zbigniew aus, an der besonders katastrophalen Versorgungssituation, die in und um Lodz quasi zusammengebrochen war: »Aus drei Tagen Schlangestehen wurden, nachdem wir die Versorgung in der Hand hatten, acht Stunden, das war für uns in dieser Situation ein großer Fortschritt!«[7] Dass die dramatische Situation in der Lebensmittelversorgung, die in Teilen Polens bereits Hungerkrankheiten wie Erblinden u.ä. hervorgerufen hatte, auch auf die Sabotage der Regierung zurückgegangen sei, das stand für Zbigniew außer Zweifel. »Am 10. Dezember«, so Zbigniew weiter, »bin ich auf Einladung der französischen Gewerkschaften für zehn Tage nach Frankreich gefahren. Doch daraus wurden fast zehn Jahre: Erst 1989 konnte ich nach Polen zurückkehren«. Und heute? »Nichts ist aus dem geworden, wofür wir 1989 gekämpft haben«.

Artur Polanski, der zweite Referent, ein junger Lehrer[8] aus Wroclaw und heute Solidarnosc-Vertreter in seiner Schule, war 1980 noch Kind und erinnerte sich daran, wie seine Mitschüler Armbinden mit der Aufschrift trugen: »Wir unterstützen die Forderungen der Küste«. Eindrücklich war ihm auch, wie zu Beginn des Kriegsrechts die Schule zeitweise geschlossen wurde, auch die Schüler sollten sich nicht mehr treffen. »Im Nachhinein sehe ich die Solidarnosc von 1980/81 als eine starke zivilgesellschaftliche Kraft, die nur militärisch gebrochen werden konnte. Es gab in der Solidarnosc sehr viele Strömungen, es gab Sozialdemokraten, Sozialisten, Nationaldemokraten, auch Christdemokraten. 1980/81, das war eine Zeit der großen Hoffnungen für die gesamte Gesellschaft, und das hat auch die ganze Gesellschaft ergriffen, auch Mitglieder der PVAP, die selbst einige Streiks organisiert haben. Die Solidarnosc hatte 1981 zehn Millionen Mitglieder! Das war ein Drittel der polnischen Bevölkerung! Und da war die Solidarnosc der Bauern, der Studenten noch nicht mitgezählt.« Und was ist aus dieser Hoffnung geworden? »Der 13. Dezember war dann ein großer Schlag, dessen Folgen man besonders 1989 sehen konnte, als das Engagement der Massen sehr zurückgegangen war. Bis heute ist die Zivilgesellschaft daher sehr instabil. Allerdings sind die Ideen der Gründer noch immer aktuell, die Frage ist nur, wie man die realisiert. Dazu gehört die Frage der Einhaltung von Menschenrechten, überall, international, dazu gehört das Recht auf freie Gewerkschaftsarbeit, was gerade nach 1989 häufig verletzt wurde, aber auch die Frage des Lebensstandards der Bevölkerung, worum 1980/81 gekämpft wurde und der sich seit 1989 für viele erheblich verschlechtert hat. Ich hoffe, dass die Gewerkschaft Solidarnosc nicht unterzukriegen ist, und wieder stark wird, so wie sie es 1980 war.«

Fortsetzung in der nächsten Ausgabe

erschienen in express - Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit - Ausgabe 2/2002

Weiterführende Literatur: Pumberger, Klaus: »Solidarität im Streik. Politische Krise, sozialer Protest und Machtfrage in Polen 1980/81«, Frankfurt/M – New York 1989; Kühn, Hartmut: »Das Jahrzehnt der Solidarnosc. Die politische Geschichte Polens 1980-1990«, Berlin 1999)

Anmerkungen

1) In Polen und darüber hinaus ist es üblich, die Bewegung der Solidarnosc in Phasen einzuteilen, um besser abzugrenzen, von welcher Solidarnosc man eigentlich spricht: Die »erste Solidarnosc« meint die von 1980/81, die »zweite Solidarnosc« bezeichnet die Phase der Illegalität von 1981 bis 1988, und die »dritte Solidarnosc« ist die sowohl gewerkschaftliche wie parlamentarische Organisation seit der »polnischen Wende« 1989.

2) Ein anderer Versuch dieser Art findet sich zum Beispiel in: Hürtgen, Stefanie: Was nutzt uns Solidarnosc heute? in: Gewerkschaftliche Monatshefte, Nr. 5/2001, S. 303-313

3) KOR: Komitee zur Verteidigung der Arbeiter, wurde 1976 gegründet.

4) Anna Walentynowicz: »Da begriffen wir, das wir stark waren«, in: Tina Gaehme (Hg.): »Aber eines Tages war es nicht mehr so«, Polen 1980

5) Anspielung auf den gleichnamigen Kinofilm (Regie: Leander Haußmann) nach dem Buch von Thomas Brussig.

6) Vgl. z.B. Ireneusz Kaminski: »Between the old and the new«, in: polish sociological review, 1/97, 1997, S. 47ff., sowie etliche andere Beiträge in dieser Zeitschrift

7) Einen Teil seiner Eindrücke und Erfahrungen entlang der Selbstverwaltungs-Debatte reflektiert Zbigniew in: Zbigniew Kowalewski: »Rendez-nous nos usines. Solidarnosc dans le combat pour l’autogestion ouvrière«, Paris 1985.
Wie weit verbreitet und heiß diskutiert die Frage der Selbstverwaltung in der Bewegung war, wird ebenfalls deutlich in: Alain Touraine u.a, Solidarité. Analyse d’un mouvement social. Paris 1982

8) Artur lehrt das Fach Ethik, das auch in Polen als Alternative zu »Religion« angeboten wird.


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