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Den folgenden sehr interessanten Bericht über Streiks in der Freihandelszone Nicaraguas brachte die linke italienische Tageszeitung “il manifesto” am 12.5.2000:

“Freihandel”

Hunderte von Arbeitern in der Sonderzone Nicaraguas im Streik

Marina Forti

Hunderte von Arbeitern sind seit Anfang Mai im Industriegebiet von Las Mercedes in Nicaragua im Streik. Las Mercedes ist eine “Freihandelszone”, eine der Unternehmensenklaven (die für gewöhnlich in ausländischem Besitz sind), die bei großzügigen steuerlichen Erleichterungen und anderen finanziellen Anreizen Produkte für den Export herstellen. Sie sind in Mittelamerika verbreitet.

Nicaragua hat die kleinste “Freihandelszone” Mittelamerikas, aber mit dem höchsten Prozentsatz von Arbeitern, die Mitglieder unabhängiger Gewerkschaften sind. Jüngst aber haben die Unternehmen daran gedacht die “industriellen Beziehungen” so zu gestalten, daß sie die Gewerkschaftsaktivisten entlassen. Der aufsehenerregendste Fall ist Mil Colores, ein Werk in US-Besitz, das für verschiedene amerikanische Marken produziert (Marshall Fields, Target und andere). Im Januar hat Mil Colores, nachdem es sich geweigert hat über Lohnerhöhungen zu verhandeln, über 200 gewerkschaftlich organisierte Arbeiter entlassen und 68 von ihnen verschiedener Verbrechen angeklagt. Seit damals sind die Familien jener Arbeiter ohne Gehalt (20 US-Cents die Stunde).

Unterdessen ist der Fall Chentex, ein anderer Textilbetrieb (auch dieser produziert für verschiedene amerikanische Marken) dazugekommen. Chentex ist im Besitz eines taiwanischen Konsortiums. Im März hat die Gewerkschaft die Vermittlung des Arbeitsministers in Managua verlangt, um über eine Lohnerhöhung zu verhandeln. Die 1 800 Beschäftigen (zumeist Frauen) hatten gerade eine lächerliche Erhöhung um 0,32 US-Dollar die Woche erhalten. Das macht kaum mehr als einen Dollar im Monat. Am 24.April haben die Vertretungen der Arbeiter die Geschäftsleitung im Arbeitsministerium getroffen. Diese aber hat jede Forderung zurückgewiesen. Die Gewerkschaft hat für den 2.Mai einen Streik angekündigt, wenn das Unternehmen nicht in der Zwischenzeit ein Signal aussendet, einen Kompromiß suchen zu wollen. Am 2.Mai haben die Chentex-Arbeiterinnen daher für eine Stunde die Arbeit niedergelegt. In jener Nacht sind ca. 30 Arbeiter und Arbeiterinnen, unter ihnen 9 Gewerkschaftsführer im Werk geblieben. Chentex hat darauf geantwortet, indem es die Entlassung der 9 verkündet hat. (Zur Präzisierung: Es hat vom Arbeitsministerium die Autorisierung zur Entlassung verlangt, wie es die gesetzliche Prozedur vorsieht.) Am 3.Mai waren 500 im Streik: “Wenn wir es zulassen, daß sie die Führer der Gewerkschaft entlassen, werden wir die nächsten sein”, sagten die Arbeiter (nach dem was ein Bulletin der Campaign for Labor Rights, der Kampagne für die Rechte der Arbeit, einer US-amerikanischen Gruppe, die in Verbindung mit Gewerkschaften und sozialen Organisationen in verschiedenen mittelamerikanischen Ländern arbeitet, berichtet.)

Das Ministerium in Managua hat sich noch nicht geäußert – weder über die Entlassungen noch über die Rechtmäßigkeit des Streiks, der andauert. Die Gewerkschaft ist bei Chentex seit 1998 präsent und sie ist eine der stärksten in der “Freihandelszone”. Daß es sich bei den Entlassungen um “politische” handelt, geht aus den Presseerklärungen von Lucas Wong, dem Sprecher des Unternehmens, klar hervor: “Wir mußten etwas tun. Wenn nicht, hätten die Gewerkschaften geglaubt, daß wir sie nicht anrühren können.”

Die Fälle von Mil Colores und Chentex sind Teil einer antigewerkschaftlichen Eskalation, klagt die Nicaraguanische Föderation der Textil-, Bekleidungs- und Schuhindustriearbeiter-Gewerkschaften. Die schwierigste Sache ist – fügt sie hinzu – daß das Arbeitsministerium in Managua mittlerweile für das Unternehmen eintritt.

Übersetzung: Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover


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