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Cereal[1] stellt seinen 4. aufeinanderfolgenden Jahresbericht vor, der sowohl über die im Jahre 2000 (letztes Jahr der Zedillo-Herrschaft[2]) stattgefundenen Rechtsverstöße aufklärt, als auch über die spezifischen Fälle mit denen wir uns beschäftigt haben. Dies ist eine Kurzversion des Originalberichts in dem wir eine Zusammenfassung geben und Empfehlungen aussprechen:
An den mexikanischen Präsidenten und den Arbeits- und Sozialminister:
An die Kommissionen zur Erwerbsarbeit der Senatorenkammer:
An die unterschiedlichen Gewerkschaftsorganisationen im Lande:
Nach José Luis Calva hat die jährliche Wachstumsrate während der Regierung Zedillos nur 0,6% BIP (im Vergleich dazu hat es unter den vorigen neoliberalen Regierungen 3,1% betragen) betragen, und ist es zu einer Brutto-Pro-Kopf-Investition von 1% gekommen. Diese Situation hat zu einer sozioökonomischen Schlechterstellung der Mehrzahl der Bevölkerung geführt. Der Mindestlohn hat 30,1% seiner Kaufkraft verloren, vertraglich abgesicherte Gehälter sind um 31,09%, Löhne um 26,3% und die Reallöhne im formellen Sektor[9] unserer Industrie um 38,6% gesunken. Zwischen 1983 und 1997 haben insgesamt 10,4 Millionen Menschen ihre Arbeit verloren. Die Arbeiter haben in dieser Periode US-$ 298 448,4 Millionen US-Dollar durch das neoliberale Modell verloren.
Die neue Regierung agiert weiterhin nach den Vorgaben des neoliberalen Modells. Nach Boltvinik hat die neue Regierung, über die Nationale Kommission für den Mindestlohn (CNSM), für das Jahr 2001 in Übereinkunft mit der Privatindustrie eine unter der Inflationsrate liegende Erhöhung der Mindestlöhne beschlossen. Diese Politik wird die Situation der Beschäftigten weiter verschlechtern. Heutzutage muss eine Familie sieben Mindestlöhne verdienen, um das Lebensnotwendige kaufen zu können. Die CNSM verstößt gegen unsere Verfassung, da sie einen Mindestlohn festlegt, der nur ein Siebtel des Benötigten zu erwerben ermöglicht.
Nach Enrique de la Garza stehen die Gewerkschaften vor einer Krise, da sie seit 1980 kontinuierlich an Repräsentativität aufgrund der Einbuße an Verhandlungsmacht gegenüber der Regierung verloren haben. Die Repräsentativität wurde aus einer Vielzahl von Gründen verloren: a) Auflösung des Arbeiterbewusstsein aufgrund des Verschwindens des revolutionären Nationalismus angesichts des Neoliberalismus und b) Unfähigkeit der Gewerkschaften zu sehen, dass sich der Staat zunehmend aus den industriellen Beziehungen raushält. Allerdings ist die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder nicht wesentlich gesunken, aber deren Aktivitäten haben an Schärfe verloren.
De la Garza sieht, vor dem Hintergund der neuen Regierung, drei mögliche Entwicklungszenarien der Gewerkschaften:
Alle Arbeiter die versuchen, die gegenwärtige Situation zu ändern, haben eine große Chance, sofern Präsident Vicente Fox die alten Gewerkschaftsführer nicht weiter unterstützt. Fünf besondere Bedingungen können dazu beitragen: 1) Unabhängigkeit der Gewerkschaften vom Staat und den politischen Parteien; 2) demokratische Gewerkschaftswahlen; 3) Abstimmung der Gewerkschaftsstrategien auf die Arbeitsgesetzgebung; 4) in den industriellen Beziehungen müssen ökonomisches Wachstum und gerechtere Einkommensverteilung im Mittelpunkt stehen und 5) eine flexible Politik, die vielfältige Aktionsformen ausnutzt.
Bei Aeromexico[10], Volkswagen und in der Zuckerindustrie[11] lag das Hauptproblem darin, dass ihnen das Streikrecht, sowie die Durchsetzung ihrer Rechte als ArbeiterInnen, Arbeitsplatzsicherheit und tarifvertraglich garantierter Lohn nicht zugesichert wurden. Bei Aeromexico übernahm die Regierung die Verwaltung der Firma, obwohl der Streik schon beschlossen und abgestimmt war. Das verstößt gegen Artikel 123 A XVIII unserer Bundesverfassung. Der Streik bei Volkswagen wurde durch die Schlichtungsbehörde für illegal erklärt, weil er eine Minute zu spät begonnen wurde und weil eine 35%ige Lohnerhöhung gefordert wurde (dies wurde als "unangemessene Ehöhung" erachtet). Auch der Streik der Zuckerarbeiter wurde für illegal erklärt, da nicht die Mehrheit der Arbeiter dahinterstünden. Diese Entscheidung wurde jedoch nur auf der Grundlage der Informationen der Unternehmer getroffen, ohne Befragung der Arbeiter.[12]
Im Jahr 2000 kam es in drei verschiedenen Gewerkschaften zu Wahlen: der Erdölarbeitergewerkschaft (Sindicato de Trabajadores petroleros de la República Mexicana), der Gewerkschaft der Lehrer und der Beschäftigten im Bildungswesen (Sindicato Nacional de Trabajadores de la Educación) und der mexikanischen Elektrizitätsgewerkschaft (Sindicato de Trabajadores Electricistas de la República Mexicana). Alle Gewerkschaften wiesen Unregelmäßigkeiten auf und es wurden sowohl Missachtungen der Statuten als auch des Prinzips der Gewerkschaftsfreiheit nachgewiesen. Wir dokumentierten Fälle, in denen Druck gegen Arbeiter ausgeübt wurde, bestimmte politische Richtungen verboten wurden, es unfaire Wahlkampfbedingungen gab und es zu Repression gegen die Opposition kam.
Ein weiterer wichtiger, von CEREAL beobachteter Fall wurde bei Kukdong International de Mexico, einer Firma die für Nike und Reebok produziert, registriert. Diese Firma stellt illegal Kinder ein, die 9-10 Stunden arbeiten, Arbeiter werden geistig und körperlich von ihren Vorgesetzten misshandelt, schwangere Frauen durften ihre Arbeitsplätze nicht verlassen und Arbeiter wurden entlassen, sobald sie versuchten eine neue Gewerkschaft aufzubauen. Die missachteten Arbeitsrechte waren: Arbeistplatzsicherheit, Gewerkschaftsfreiheit, Gleichberechtigung am Arbeitsplatz, Arbeistbedingungen und Kinderrechte.
Am 28 August des Berichtszeitraums schloss das Management der Firma Phillips, in Absprache mit dem Gewerkschaftsführer, illegal die Fabrik. Die Schließung wurde ohne vorherige Ankündigung innerhalb von 30 Minuten durchgeführt. Der Gewerkschaftsvorsitzende sagte den Arbeitern, dass sie zur Entgegennahme des Abfindungsschecks 3 Tage später wiederkommen sollten und iinformierte sie darüber, dass von der Summe 10% abgezogen würden, die an die Gewerkschaft gehen würden (die mexikanische Gesetzgebung erlaubt maximal einen Betrag von 2% als Gewerkschaftsbeitrag). Der Gewerkschaftsführer hatte versucht aus den Abfindungen eine halbe Million Pesos abzuzweigen, was eindeutig das Recht der Arbeiter auf Arbeistplatzsicherheit verletzt. Weder die Gewerkschaft noch das Arbeitsministerium halfen den Arbeitern ihren Arbeitsplatz zu behalten.
Wir dokumentierten auch, dass einige Firmen, wie etwa IBM, in Jalisco[13] Arbeiter über Leih-Arbeitgeber eingestellt hat, um so juristische und Arbeitsprobleme zu vermeiden. Außerdem wird damit auch versucht zu vermeiden Homosexuelle oder andere "unterschiedliche Menschen" einzustellen, was eindeutig nicht nur gegen die Arbeitsgesetzgebung sondern auch gegen die universellen Menschenrechte verstößt.
1) CEREAL, Zentrum für Reflexion und ArbeiterInnenaktivität, ist ein in Mexiko-Stadt und Guadalajara beheimatetes unabhängiges Untersuchungszentrum, welches unabhängige Gewerkschaften in Mexiko unterstützt und Informationen zur aktuellen Situation der mexikansichen Gewerkschaften erarbeitet und veröffentlicht [Anm. L.S.].
2) Ernesto Zedillo war der letzte Präsident der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI), die ca. 7 Jahrzehnte lang die mexikanischen Präsidenten gestellt haben, bevor am 2. Juli 2000 Vicente Fox, Kandidat der rechten Partei der Nationalen Aktion (PAN) zum neuen Präsidenten gewählt wurde. Die PRI-Herrschaft zeichnete sich immer durch einen besonders ausgeprägten Korporatismus aus, in dem unabhängige Gewerkschaften, mit einer nicht regierungstreuen Linie, über viele Jahre verfolgt wurden, sofern sie nicht eingekauft werden konnten [Anm. L.S.].
3) Es hat verschiedene Versuche zur Reform des mexikanischen Bundesarbeitsgesetzes gegeben, die bis jetzt noch nicht umgesetzt worden sind, aber über die weiterhin verhandelt wird.
4) Am Ende jeder Präsidentschaftsperiode (sechs Jahre) erhielten die Staatsbediensteten einen besonderen Bonus. In Absprache mit den Gewerkschaften verweigerte Zedillo diesen, woraufhin die Beschäftigten eine zeitweise Arbeitsniederlegung aus Protest dagegen vornahmen.
5) Dies ist die in der gegenwärtigen Gesetzgebung gegebene Definition des Streiks.
6) Gemeint ist die föderationsweit im Bereich der Stromerzeuger oganisierende Sindicato Unico de Trabajadores Electricistas de la República Mexicana (SUTERM = Einheitsgewerkschaft der Elektrizitätsarbeiter der mexikanischen Republik) [Anm. L.S.].
7) Sofern den zuständigen Behörden entsprechende Beweise zur Verfügung gestellt werden.
8) Partei der Demokratischen Revolution, Ende der 80er gegründete Mitte-Links-Partei mit sozialdemokratischen Orientierungen.
9) Ein Großteil der Arbeitsverhältnisse in Mexiko, aber auch in ganz Lateinamerika, ist im sogenannten informellen Sektor angesiedelt, in dem die Bedingungen noch schlechter sind, und der häufig auch nicht statistisch erfasst wird [Anm. L.S.].
10) Mexikanische (noch) nationaleFluggesellschaft [Anm. L.S.].
11) Wie auch andere nationale Nahrungsmittelindustrien hat die Zuckerindustrie gegenüber den US-amerikanischen Importen nur geringe Überlebenschancen [Anm. L.S.].
12) Ein strenges Reglement regelt die Durchführung ordentlicher Streiks. Die Schlichtungsbehörde ist für die Einhaltung der Regeln verantwortlich, und nutzte dieses politische Instrument bisher gründlich zur Streikverhinderung aus [Anm. L.S.].
13) Mexikanischer Budesstaat [Anm. L.S.].
14) Die FAT (= Authentische Arbeitsfront) ist eine unabhängige Gewerkschaft, mit ursprünglich linkskatholischen Wurzeln [Anm. L.S.].
CENTRO DE REFLEXIÓN Y ACCIÓN LABORAL (CEREAL)
Lago Atitlán No. 46
Colonia Pensil Norte
Delegación Miguel Hidalgo
11 430 México, D.F.
Tel: 53 99 97 06
cereal@data.net.mx
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