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Updated: 18.12.2012 15:51
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Generalstreik zum Gedenken: Sidi Ifni

"Am Montag dieser Woche (07. Juni) jährte er sich zum zweiten Mal, der Aufstand in der marokkanischen Hafen- und Fischerstadt Sidi Ifni im Süden des Landes vom Juni 2008. Seinerzeit hatte die Korruption örtlicher Behörden und die Vetternwirtschaft zu einem breit befolgten Aufstand der Jugend und der örtlichen Bevölkerung geführt. (Labournet berichtete damals ausführlich.) Zu Anfang dieser Woche wurde deswegen ein halbtägiger Generalstreik in Sidi Infi, wo sämtliche Geschäfte geschlossen blieben, befolgt" - so beginnt der Artikel "Marokko zwei Jahre nach Sidi Ifni: Soziale Kämpfe im Phosphatbergbau und anderswo" von Bernard Schmid vom 11. Juni 2010.

Marokko zwei Jahre nach Sidi Ifni: Soziale Kämpfe im Phosphatbergbau und anderswo

Am Montag dieser Woche (07. Juni) jährte er sich zum zweiten Mal, der Aufstand in der marokkanischen Hafen- und Fischerstadt Sidi Ifni im Süden des Landes vom Juni 2008. Seinerzeit hatte die Korruption örtlicher Behörden und die Vetternwirtschaft zu einem breit befolgten Aufstand der Jugend und der örtlichen Bevölkerung geführt. (Labournet berichtete damals ausführlich.)

Zu Anfang dieser Woche wurde deswegen ein halbtägiger Generalstreik in Sidi Infi, wo sämtliche Geschäfte geschlossen blieben, befolgt. Auf örtlicher Ebene zumindest hat sich jedoch seitdem Einiges in der 20.000 Einwohner zählenden südmarokkanischen Stadt verändert. Eine Bürgerprotest-Liste, die zu den Kommunalwahlen antrat und den Respekt der Menschenrechte sowie ein Ende der Korruption forderte, wurde bei der marokkanischen Kommunalwahl (September 2008) durch über 80 Prozent der Stimmbevölkerung ins Rathaus gewählt. Zwar war die Liste eigentlich "rechtswidrig", weil ihre Köpfe - infolge der Niederschlagung der Revolte waren sie in den Knast gekommen - frisch aus der Haft entlassen worden waren. Nach geltendem Wahlrecht hätten sie nicht das passive Wahlrecht genossen. Doch der Staatsapparat zog es vor, diesen "Rechtsverstoß" lieber hinzunehmen, als neue "Aufwallungen" sozialer Art zu riskieren.

Marokko, ein Land, in dem gigantische Industrieprojekte - wie der Hafenausbau von Tanger oder der Bau eines Hochgeschwindigkeitszugs (TGV), mit dicken Aufträgen für die französische Industrie - laufen, kommt deswegen auf sozialer Ebene noch lange nicht zur Ruhe. Eine Veranstaltung zum Thema "Soziale Kämpfe im Maghreb" im Pariser Gewerkschaftshaus (rue Château d'Eau), an der u.a. tunesische Menschenrechtler/innen teilnahmen und zu denen der marokkanische Phosphatarbeiter-Gewerkschafter Hamza Barekat aus Khénitra eingeladen worden war, fand dazu am gestrigen Abend statt. Nach langem Hin und Her mit den Behörden hatte Hamza, auf Einladung französischer Gewerkschaften - vor allem Teile der CGT und die Union syndical solidaires sind in der Solidarität aktiv - hin, doch noch ein Visum erhalten können.

Die Kämpfe im marokkanischen Phosphatbergbau sind exemplarisch. Das OCP, das staatliche (königliche) Amt für Phosphat-Abbau, war früher eine autoritär geführte und schwerfällige staatliche Behörde. Seit ungefähr 2008 versucht sie jedoch, ihre Strategie grundlegend zu ändern,; sie wurde in jenem Jahr in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Sie öffnete sich dem internationalen Kapitel, und wird seitdem dazu angehalten, deutlich höhere Gewinne auszuspucken. Um dies zu gewährleisten, wurden zahlreiche Lohnabhängige entlassen und durch Subfirmen - mit deutlich verringerten Löhnen und sozialen "Sonderleistungen" - Arbeiterwohnungen, Stipendien für die Kinder - wieder eingestellt. Über 800 Arbeiter gründeten daraufhin eine Gewerkschaftssektion des Dachverbands UMT (Union marocaine du travail), die jedoch weder durch das OCP noch durch die marokkanischen (örtlichen) Behörden anerkannt wird. Von Ende Juni bis Anfang August 2009 wurden deswegen 850 Lohnabhängige entlassen. Seitdem finden ständig Sit-ins statt, an denen nicht nur Hauptbetroffene, sondern auch solidarische Bürger teilnehmen.

Hamza berichtete von den zahllosen Angriffen, auch körperlichen Attacken, auf die Teilnehmer. Am 15. September 2009 waren 44 Arbeiter verhaftet worden, gegen vier unter ihnen wurden Gerichtsverfahren eingeleitet. Am 23. und 25. Februar dieses Jahres sowie, erneut, am 1. April 2010 kam es zu Angriffen v on Knüppelgarden; fünf Schwerverletzte und eine größere Anzahl von Leichtverletzten waren zu verzeichnen. Zum bislang schwersten Angriff kam es jedoch am 22. April, unter Einsatz von Knüppeln, Tränengas und Schusswaffen.

Die kämpfenden Lohnabhängigen in der "Welthauptstadt des Phosphats" - in Khénitra liegen die größten Reserven - lassen sich jedoch nicht einschüchtern und vom Weiterkämpfen abhalten. In einer gestern Abend verabschiedeten Resolution forderten die Teilnehmer der Pariser Veranstaltung, die Gewerkschaften, NGOs und Linksparteien (Grüne, NPA) vertraten, die sofortige Einstellung aller Repressionsmaßnahmen und die Wiedereinstellung aller Lohnabhängigen durch das OCP direkt.

Weitere Informationen, insbesondere auch zur Lage der sozialen Kämpfe in Tunesien, folgen in Bälde an dieser Stelle.

Bernard Schmid, 11. Juni 2010


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