letzte Änderung am 11. Sept. 2003

LabourNet Germany ARCHIV! Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Home -> Internationales -> Sri Lanka -> Konflikt Suchen

Morddrohungen

Konflikt um die Anerkennung einer Gewerkschaft in Sri Lanka

Die Gewerkschaft Free Trade Zones Workers Union (FTZWU) kämpft in der Bekleidungsfabrik Jaqalanka Ltd. mit ca. 400 Beschäftigten in der Freihandelszone von Katunayake, Sri Lanka, seit einigen Monaten um ihre Anerkennung als Partner in Kollektivverhandlungen. Das Unternehmen versucht dies mit allen Mitteln zu verhindern.

Der Fall hat entscheidende Bedeutung für das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung und Kollektivverhandlung in den Freihandelszonen von Sri Lanka allgemein. Nicht nur das Unternehmen selbst, sondern auch andere Beteiligte – allen voran die Freihandelszonenbehörde BOI (Board of Investment), aber auch arbeitsrechtlich relevante Stellen – agieren in einer Weise, die nur den Schluss zulässt, dass die Bildung von Gewerkschaften in den Freihandelszonen im Keim erstickt werden soll.

Geschichte des Konflikts

Der Konflikt hatte seinen Ausgang genommen, als das Management im März 2003 die Streichung von jahrelang gezahlten Gratifikationen ankündigte und zur Begründung anführte, das Unternehmen habe im letzten Jahr Verluste gemacht. Die Beschäftigten hielten dies für unglaubwürdig, da das Arbeitsvolumen nicht zurückgegangen war.

Als keine Einigung zu Stande kam, suchten die Beschäftigten die Unterstützung der FTZWU. Viele von ihnen traten der Gewerkschaft bei und gründeten eine Betriebsgewerkschaft. Da sich das Unternehmen weigerte, die Gewerkschaft anzuerkennen und mit ihr zu verhandeln, stellte diese beim Arbeitsministerium den Antrag, per Abstimmung festzustellen, ob die Gewerkschaft über die 40 Prozent Mitgliedschaft in der Belegschaft verfügt, die eine Anerkennung durch das Unternehmen laut sri-lankischem Arbeitsrecht zwingend vorschreiben.

Anfang Juni, nachdem das Arbeitsgericht den Abstimmungstermin festgelegt hatte, läutete das Unternehmen die Verschärfung des Konflikts ein. Die Beschäftigten wurden seitdem vom Management ständig bedroht, eingeschüchtert und schikaniert. U.a. hat die Geschäftsleitung Beschäftigte zu Treffen zitiert und unter Drohungen aufgefordert, ihre Gewerkschaftsmitgliedschaft zu beenden. Für den Fall, dass es zur Anerkennung der Gewerkschaft gezwungen werde, drohte das Management mit der Schließung der Fabrik.

Die Abstimmung am 9. Juli stand vollständig unter dem Zeichen der Einschüchterung der Beschäftigten durch das Management: Nur 17 der insgesamt 400 Beschäftigten, von denen inzwischen über 200 der Gewerkschaft beigetreten waren, wagten es, zur Wahl zu gehen. Ein Bericht internationaler BeobachterInnen betonte, dass die Einschüchterungstaktiken des Managements auch an diesem Tag unübersehbar waren. Die Gewerkschaft hat daraufhin die Wiederholung der Wahl gefordert und für die Unterstützung dieser Forderung zur internationalen Solidarität aufgerufen: Das Unternehmen und die Regierung erhielten Protestbriefe aus vielen Ländern.

Inzwischen hat das Unternehmen die Gangart aber dramatisch verschärft: Den Gewerkschaftsmitgliedern bei Jaqalanka Ltd. werden mittlerweile nicht mehr ›nur‹ ihre Grundrechte auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen verweigert, nun werden sie auch an Leib und Leben bedroht: Zusätzlich zu den Drohungen, Schikanen und Einschüchterungen, denen alle Gewerkschaftsmitglieder im Verlauf des Konflikts ständig ausgesetzt waren, haben einige von ihnen inzwischen auch noch Morddrohungen erhalten, die sich direkt auf ihre Gewerkschaftszugehörigkeit beziehen.

Am Sonntag, 27. Juli wurde der Sekretär der Betriebsgewerkschaft auf dem Rückweg von einem Gewerkschaftstreffen von fünf unbekannten Männern überfallen. Er brachte den Überfall bei der Polizeistation von Katunayake zur Anzeige.

Eine der weiblichen Gewerkschaftsmitglieder, die an der Abstimmung von 9. Juli teilgenommen hatten, wurde am 30. Juli auf dem Heimweg von der Arbeit von vier unbekannten Männern bedroht. Sie stellten ihr Fra-gen zu Jaqalanka und ihrem Engagement in der Gewerkschaft. Die Männer sagten ihr: »Letzten Sonntag haben wir uns schon einen vorgenommen, aber er macht schamlos weiter, und wenn du noch einmal zur Gewerkschaft gehst, dann bringen wir dich um und werfen dich in die Lagune.« Glücklicherweise bemerkten sieben vorbeikommende Jugendliche den Vorfall und griffen ein, aber die Männer bedrohten sie mit einem Messer.

Der Vorfall wurde ebenfalls bei der Polizeistation von Katunayake zur Anzeige gebracht, aber die verantwortlichen Polizisten verhielten sich nicht pflichtgemäß, sondern fragten sie stattdessen nach ihrem Verhältnis zur Gewerkschaft aus. Sie bezogen sich außerdem auf die Anzeige des Sekretärs der Betriebsgewerkschaft vom 27. Juli und behaupteten, beide Überfälle seien bloß erfunden.

Da inzwischen klar geworden ist, dass die Geschäftsleitung von ihrer Politik der Einschüchterung, Bedrohung und Schikane nicht abrücken wird, geht die FTZWU nicht mehr davon aus, dass es unter solch kritischen Umständen möglich ist, eine weitere Abstimmung im Betrieb zu veranstalten. Die Gewerkschaft zieht ihre Forderung nach Wiederholung der Abstimmung zurück.

Anerkennung jetzt!

Angesichts dieser Umstände fordert die Gewerkschaft ihre Anerkennung in der Fabrik mittels ihres Briefes an das Management vom 5. April 2003, in dem 166 Fabrikbeschäftigte per Unterschrift bestätigt hatten, Mit-glieder der Gewerkschaft zu sein. Das sind mehr als die 40 Prozent, die laut Gesetz für die Anerkennung der Gewerkschaft als Partnerin bei Kollektivverhandlungen erforderlich sind.

Darüber hinaus ist die Betriebsgewerkschaft seit ihrer Gründung gewachsen: Am 17. Juni lagen der FTZWU 205 vorschriftsmäßig ausgefüllte und unterschriebene Mitgliedsanträge vor.

Daher fordert die Gewerkschaft:

Anton Marcus von der FTZWU bittet dringend um weitere internationale Unterstützung: Mit Briefen soll Druck auf Management und Regierung gemacht werden, unverzüglich für eine Beilegung des Konflikts aktiv zu werden.

Jaqalanka Ltd. produziert in Katunayake seit 1978. In der Fabrik sind gut 400 ArbeiterInnen beschäftigt. Dasselbe Unternehmen hat später noch zwei weitere Fabriken eröffnet: Jaqalanka International Private Limited mit 1000 Beschäftigten in Katunayake sowie Jaqalanka Apparel in Balangoda. Besitzer sind aus Sri Lanka stammende Briten. Das Management ist sri lankisch.

Jaqalanka produziert Jacken für die Marke Red Kap, die der US-Firma VF Workwear gehört, welche Sicherheitsausrüstung und Kleidung in den USA vertreibt. Dem Mutterunternehmen VF Corporation gehören etliche Marken, darunter bekannte Jeansmarken wie Lee, Wrangler, Rustler und Riders sowie Britannia, Chic und Gitano. VF deckt über ein Viertel des US-Jeansmarktes ab.

Außerdem wird für die Wäschelinien Vanity Fair, Vassarette, Bestform und Lily of France sowie für die Outdoor-Marken JanSport, Eastpak und The North Face produziert, ebenso Unterwäsche für das New Time-Label und für Nike.

Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 8/03

LabourNet Germany Top ^