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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Menschenjagd in Rosarno - Wie einst in Rostock oder in El Ejido: Zufall? Oder eine Tradition in jenen Ländern, die Mussolini, Hitler und Franco an die Macht brachten? Denn es handelt sich ja in allen diesen Fällen nicht um größere oder kleinere Nazibanden, die Menschen terrorisieren, sondern um wahre Massenveranstaltungen. Unsere aktuelle Materialsammlung "Tradition Menschenjagd?" soll ein Versuch sein, Zusammenhänge herauszuarbeiten. Tradition Menschenjagd Diesmal war es eine massive, massenhafte Konfrontation - aber Menschenjagden gab es in der jüngsten Zeit in Italien mehrfach. Ob sie sich gegen Afrikaner, (der Volksmund zumindest bei youtube nennt sie "Somalier" oder "Äthiopier" und knüpft dadurch schon an Traditionen an), Roms oder Rumänen richten, war veränderlich - bleibend aber war und ist, dass es sich eben nicht um den Terror mehr oder minder organisierter Nazibanden handelt (der sicher auch seine Rolle hat und im Zusammenhang gesehen werden muss), sondern um Massenaktionen. Je nach Orientierung war die Berichterstattung der kommerziellen Medien gewesen: von Verteidigung gegen migrantische Übergriffe bis zu rassistischem Pogrom. Zu den faktischen Hintergründen: "Hintergrund des Aufstands sind jedoch vor allem die trostlosen Lebensbedingungen der Erntehelfer. Im 16'000 Einwohner zählenden Rosarno leben durchschnittlich 5000 Immigranten - zum Grossteil aus Afrika. Ihre Zahl schwankt je nach Erntezeit, denn als mittellose Wanderarbeiter ziehen sie je nach Saison von Arbeit zu Arbeit. Sie wohnen unter miserablen Bedingungen in ehemaligen Fabriken oder einfachen Baracken, ohne Matratzen, Licht und Heizung, oftmals mit nicht mehr als einer chemischen Toilette für 200 Personen" - so wird es in dem redaktionellen Bericht "Rosarno wieder unter Kontrolle" Rosarno mit 16.000 Einwohner habe 5.000 afrikanische Saisonarbeiter, so lautet eine der Standardformulierungen - die schon zumindest fragwürdig ist, erkennt sie doch eben diesen migrantischen "Arbeitskräften" den Einwohnerstatus bereits ab. Im britischen "Guardian" klingt es wieder einmal ein bisschen anders: "Southern Italian town world's 'only white town' after ethnic cleansing" In diversen Artikeln blitzt immer wieder eine Realität auf, für deren Erklärung die gängigen Argumentationen kaum ausreichen mögen. Etwa, wenn beiläufig erwähnt wird, dass die Zahl der von Autos angefahrenen afrikanischen Fußgänger alle Vergleiche sprengt. Oder aber wenn ebenfalls eher beiläufig angeführt wird, 30 Prozent der Saisonarbeiter würden mißhandelt, wie es in dem Artikel "Gewalt gegen Migranten: Italien bastelt Integrationsplan" Dass kriminelle Organisationen sich in den heute üblichen marktwirtschaftlichen Menschenhandel einmischen, ist ebenfalls keine italienische Besonderheit, die diese Ereignisse erklären könnte. Dass die Rolle der
Ndrangheta durchaus existiert, aber keinesfalls entscheidend, wird auch in dem Artikel "Non è solo questione di 'ndrangheta" "Panikmache in der italienischen Gesellschaft vor "kriminellen Ausländern" ist der neue "Nationalsport". Dabei spielen Medien eine zentrale Rolle. Berichte über "rumänische Vergewaltiger", "marokkanische Drogendealer" und "Zigeuner-Diebe" bestimmen die Titel-Schlagzeilen. In der Quoten-starken Talkshow "Porta a Porta" von Moderator Bruno Vespa im staatlichen Fernsehsender Rai Uno war einen Abend lang von "Negern" die Rede, ohne dass sich jemand über die rassistische Bezeichnung beschwerte" - das schrieb schon am 3. Oktober 2008 in "Wie rassistisch ist Italien?" Wenn die vierte Gewalt zur Gewalt wird, wendet sie sich in der Regel gegen Minderheiten. (Und das Fehlen oder Entschwinden einer kritischen bürgerlichen Presse beispielsweise ist eine Gemeinsamkeit, die Italien mit Deutschland und Spanien teilt). Und die Regierungspolitik ist entsprechend: Null Toleranz und immer neue Migrationsgesetze, deren repressiver Charakter nicht nur nicht verheimlicht, sondern ausdrücklich unterstrichen wird. Naheliegend ist es in einem Land, das mehrfach einen Berlusconi wählt, dass es eine reaktionäre Grundstimmung gibt, gegen die anzugehen offensichtlich schwer ist. Das machen auch die verschiedenen gewerkschaftlichen Stellungnahmen deutlich. In dem Beitrag "Rosarno: bisogna intervenire prima che ci siano altri episodi di tensione" In "L'IMPEGNO DELL'UNICOBAS CONTRO IL RAZZISMO" Für die
Confederazione Cobas unterstreicht deren Sprecher
Piero Bernocchi am 10. Januar 2010 in seiner Erklärung "L'OSCENA IPOCRISIA DI RAZZISTI E XENOFOBI. Il tetto per gli studenti "stranieri" e Rosarno" In dem Diskussionsbeitrag "Rosarno. Caccia al 'negro', bande razziste e criminalità" Nicht zuletzt mit diesem letzten Beitrag wird eben, wie auch in den beiden anderen Ländern, deutlich, dass oftmals ganz naheliegende Erklärungen Sackgassen sind. Was passiert, wenn - endlich - Migration gesellschaftlich anerkannt wird, und das Repressionskonstrukt "Ohne Papiere" ausscheidet, wenn dann keine schwarzen Sklaven mehr rebellieren, sondern schwarze Lohnarbeiter? Zusammengestellt von hrw |